SRG-Wahlbarometer: Rechts liegt im Trend
Während sich die politischen Parteien für die Wahlen im Herbst 2011 rüsten, zeigt die zweite SRG-Umfrage einen klaren Trend nach rechts. Die Schweizerische Volkspartei erreicht demnach fast die 30-Prozent-Schwelle. Das wäre ein historisches Ereignis.
Im Rennen um Wähleranteile bei den eidgenössischen Wahlen vom 23.Oktober 2011 scheinen die rechten Parteien die Nase vorn zu haben.
Dies ist zumindest das Ergebnis des zweiten Wahlbarometers, das vom Institut gfs.bern im Auftrag der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft SRG SSR zwischen dem 10. und 22 Januar 2011 durchgeführt wurde.
Im Vergleich zum ersten Wahlbarometer vom Oktober 2010 konnte die Schweizerische Volkspartei (SVP) um 3,7% auf 29,8% zulegen.
Das ist ein historischer Rekord, wie Claude Longchamp vom Institut gfs.bern festhält: «Seit der Einführung des Proporz-Wahlrechts 1919 konnte keine Partei jemals annähernd einen solchen Stimmenanteil erreichen – auch nicht bei Umfragen.»
Die SVP könnte also ihren Wähleranteil gegenüber den Wahlen von 2007 erneut erhöhen. Damals erreichte sie 28,9%. Und dies trotz der Abspaltung der der Bürgerlich-Demokratischen-Partei (BDP).
Zuwachs auch für FDP und Grüne
Gemäss der SRG-Umfrage kann auch die liberale Freisinnig-Demokratische Partei (FDP.Die Liberalen) zulegen, die am rechten Rand der bürgerlichen Mitte politisiert.
Die FDP würde demnach 17,7% erreichen – ein Zuwachs um 0,5% gegenüber der Umfrage vom Oktober 2010 und 1,9% gegenüber den Wahlen 2007.
Weniger rosig sieht es für die Christdemokraten aus: Die CVP schrumpft gemäss der Umfrage auf 12,9%, das heisst -1,2% gegenüber Oktober und -1,6% gegenüber 2007. Ähnlich sieht es auch bei der BDP aus, während die Grünliberalen auf 5,2% zulegen können (1,4% mehr als im letzten Oktober und 3,8% mehr als 2007).
Wenig verheissungsvoll sieht es für die Linke aus: Die Sozialdemokratische Partei (SP) fällt auf 18% (-2,1% gegenüber Oktober 2010 und -1,5% gegenüber 2007). Die Grünen können hingegen gegenüber der ersten SRG-Umfrage um 0,3% leicht zulegen. Mit einem Wähleranteil von 8,8% bleiben sie aber unter ihrem historischen Ergebnis von 2007, als sie 9,6% der Stimmen erreichten.
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Folgen eines politischen Mega-Events
Der Rechtsdrall wird auch durch die Antworten bestätigt, welche die befragen Personen zu ihrer politischen Orientierung abgaben. Erstmals erklärten 35% der Befragten, dass sie sich als «politisch rechts» bezeichnen. Bisher hat dieser Anteil nie 30% überschritten. Die bürgerliche Mitte schrumpft auf 29%, während sich 27% als links bezeichnen.
Claude Longchamp warnt aber auch davor, diese Daten überzubewerten: «Die Daten lassen ein allgemeines politisches Klima erkennen. Aber der Wahlkampf hat gerade erst begonnen. Verlässliche Vorhersagen lassen sich wohl erst im August machen.» Die Meinungsumfrage weist zudem eine Fehlerquote von 2,2% auf.
Das politische Klima der Schweiz stand Anfang Januar noch klar unter dem Erfolg, den die SVP mit der Annahme der Volksinitiative zur Ausschaffung von kriminellen Ausländern errungen hat.
Die Rechtspartei hatte sich Ende November alleine gegen das gesamte politische Establishment durchgesetzt. «Diese Abstimmung war eindeutig das politische Mega-Event der vergangenen Monate», hält Longchamp fest.
Unter den anderen politischen Parteien vermochte es einzig die SP, mit ihrem umstrittenen Parteiprogramm die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich zu ziehen. Die radikale Linie des Parteiprogramms hat jedoch die moderate Wählerschaft verärgert. Gemäss Umfrage verliert die SP daher einen Teil ihrer Wählerschaft an die politische Mitte und sogar an die BDP.
Die beste Kampagne
Abgesehen vom aktuellen politischen Klima erstaunt es politische Beobachter nicht, dass die SVP ihren Siegeszug der vergangenen Jahre fortsetzen kann. Seit über einem Jahrzehnt vermag es die Partei, durch ihr Themensetting eine grosse Wählerschaft zu mobilisieren. Den Wahlkampf für die Wahlen von 2011 startete sie im Übrigen schon im Dezember 2010.
Gemäss der SRG-Umfrage sind sogar die Wählerinnen und Wähler anderer Parteien der Meinung, dass die SVP die besten Wahlkampagnen führt. «Die SVP hat die mit Abstand grösste Medienaufmerksamkeit. Ob positiv oder negativ über sie berichtet wird, spielt dabei keine Rolle – Hauptsache, sie bewegt und dominiert die Schlagzeilen», meint der Politologe Mark Balsiger.
Die SVP verfügt laut Balsiger noch über einen weiteren, wichtigen Vorteil: «Sie ist straff organisiert und führt als einzige Partei ‹top down›. Für eine wirkungsvolle Wahlkampf-Kommunikation ist das zentral. Andere Parteien – wie CVP und FDP – sind im Gegensatz stark föderalistisch strukturiert, ihre Kantonalsektionen reden ein gewichtiges Wort mit, was in der Vergangenheit zu Kakophonie führte.»
Die zweite SRG-Umfrage wurde zwischen dem 10. und 22.Januar durchgeführt.
2011 Personen in allen Landesteilen wurden befragt.
Nicht befragt wurden die Auslandschweizer, von denen 130’000 in Wahlregister eingetragen sind.
Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten hat entschieden, die Adressen der Auslandschweizer aus Datenschutzgründen nicht mehr für Umfragen zur Verfügung zu stellen.
Gemäss Claude Longchamp handelt es sich um eine wichtige Einschränkung, denn erfahrungsgemäss sei die politische Orientierung der Auslandsschweizer nicht deckungsgleich mit den niedergelassenen Landsleuten.
1959-2003
Die lange Ära der «Zauberformel» im Bundesrat (7 Sitze): 2 Sitze SP, 2 FDP, 2 CVP, 1 SVP
2004-2007
Die SVP verdoppelt mit Christoph Blocher die Zahl ihrer Bundesräte zu Lasten der CVP: 2 SP, 2 FDP, 2 SVP, 1CVP
2008
Samuel Schmid und Eveline Widmer-Schlumpf treten aus der SVP aus und werden Mitglieder der neugegründeten Bürgerlich-Demokratischen Partei (BDP). Bundesrat: 2 SP, 2 FDP, 2 BDP, 1 CVP
2009
Ueli Maurer (SVP) wird an Stelle des zurückgetretenen Samuel Schmid (BDP) gewählt: 2 SP, 2 FDP, 1 CVP, 1 SVP, 1 BDP. Im September wird Didier Burkhalter (FDP) zum Nachfolger von Pascal Couchepin gewählt.
2010
Moritz Leuenberger (SP) und Hans-Rudolf Merz (FDP) treten auf Ende Oktober zurück. Die Bundesversammlung wählt Simonetta Sommaruga (SP) und Johann Schneider-Ammann (FDP) als neue Bundesräte.
(Übertragen aus dem Italienischen: Gerhard Lob)
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