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Staatsmann Couchepin: Respektiert, aber nicht geliebt

Keystone

Bundesrat Pascal Couchepin war stets angriffig, häufig auch provokativ und überraschend. In seiner Auslandspolitik war er erfolgreicher als im Inland, wo ihm die dringend nötige Reform der Sozial-Versicherungen nicht gelang.

Pascal Couchepin, der Ende Oktober zurücktreten wird, scheute sich nie davor, sich mit seinen Ideen beim Volk unbeliebt zu machen. So lancierte er kurz vor den Eidgenössischen Wahlen von 2003 einige Vorschläge zur Rentenreform, die auch eine Erhöhung des Pensionsalters auf 67 Jahre beinhalteten. Für diesen Vorschlag wurde Couchepin förmlich mit Kritik überschüttet.

Nun demissioniert Couchepin selber mit 67 Jahren – ganz im Einklang mit seinen eigenen Ideen. In Bezug auf die Erhöhung des Rentenalters hat er seine Meinung nicht geändert. Er ist überzeugt, dass ihm die Geschichte dereinst Recht geben wird. Das Volk aber sieht in dieser Haltung ein Zeichen von Starrköpfigkeit oder Arroganz.

Zwischen dem überwiegend negativen öffentlichen Image und der realen politischen Statur Couchepins verlief stets ein tiefer Graben, den der betroffene Bundesrat selber nie hat beseitigen wollen. Der Freisinnige hielt überzeugt an seinen Meinungen fest und lehnte schnelle Kompromisse ab. Meinungsumfragen interessierten ihn schon gar nicht.

Erfolg bei Bilateralen

In den elf Jahren seiner Regierungstätigkeit hat Couchepin paradoxerweise die grössten Erfolge in den Beziehungen mit dem Ausland gefeiert. Als Wirtschaftsminister brachte er die ersten bilateralen Abkommen zwischen der Schweiz und der EU unter Dach und Fach.

Als Bundespräsident – in den Jahren 2003 und 2008 – legte er grossen Wert auf die Beziehungen mit Europa und Schwellenländern wie China, Russland, Indien oder Aserbaidschan.

Als Kulturminister weilte er im Februar 2007 in der Türkei. Offizieller Anlass war ein Abkommen zum Transfer von Kulturgütern, doch es ging Couchepin vor allem darum, eine offene Rechnung mit seinem damaligen Amtskollegen Christoph Blocher zu begleichen.

Couchepin unterstrich nämlich bei dieser Gelegenheit die grosse Bedeutung der Anti-Rassismus-Strafnorm in der Schweiz. Diese hatte Blocher nur vier Monate zuvor in Ankara im Zusammenhang mit der Völkermordfrage an den Armeniern kritisiert.

Rivalität der Alpha-Tiere

Tatsächlich war Christoph Blocher, der von 2003 bis 2007 in der Landesregierung einsass, ein Rivale von Couchepin auf höchster Ebene. Die beiden waren stets politische Alpha-Tiere und äusserst temperamentvoll.

Die Rivalität mit Blocher, dem Leader der Schweizerischen Volkspartei (SVP), ergab für Couchepin indes Chancen sich zu profilieren. Insbesondere die wiederholten abschätzigen Attacken des SVP-Bundesrats auf Institutionen des Landes räumten Couchepin die Chance ein, die fundamentalen Werte der Schweiz hervorzuheben und zu verteidigen: Rechtsstaatlichkeit, Gewaltentrennung, Unabhängigkeit der Justiz, Minderheitenschutz sowie das friedliche Zusammenleben zwischen Völkern und Religionen.

Couchepin liebte den politischen Kampf. In der Auseinandersetzung mit Christoph Blocher lief er in Hochform auf. Im Dezember 2007 wurde Blocher aber nicht mehr als Bundesrat wiedergewählt.

Couchepin gewann zwar diese persönliche Schlacht mit Blocher, doch seine Partei, die Freisinnig-Demokratische Partei (FDP), zog gegenüber Blochers SVP den Kürzeren. Diese erreichte mit fast 30 Prozent Wähleranteilen sogar ein historisches Ergebnis.

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Bundesrat

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Der Bundesrat ist die Schweizer Regierung (Exekutive). Sie besteht aus sieben Mitgliedern, die alle vier Jahre vom Parlament (Vereinigte Bundesversammlung) gewählt oder bestätigt werden. Ein Mitglied der Landesregierung wird «Bundesrat» oder «Bundesrätin» genannt. Jeder Bundesrat, jede Bundesrätin, steht einem Departement als Minister oder Ministerin vor. Aus ihrer Mitte wird jährlich abwechselnd nach Amtsdauer der Bundespräsident…

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Unvollendete Reformen

Ohne seinen Widersacher Blocher konnte sich Couchepin wieder vermehrt auf die Reformen der Sozialversicherung konzentrieren. Dieses Projekt hatte er 2003 als dringend notwendig angekündigt, als er das Innendepartement von der damals demissionierenden sozialdemokratischen Bundesrätin Ruth Dreifuss übernahm.

Couchepin strebte nach diesem Departement. Er wollte insbesondere den ständigen Anstieg der Krankenkassenversicherungsprämien bremsen. In einer ersten Phase sah es sogar so aus, als ob dem Magistraten dieses ambitiöse Unterfangen gelingen sollte.

Doch Anfang 2009 kam der Schock. Die Krankenversicherer kündigten an, dass sie auf 2010 die Prämien zwischen 10 und 20 Prozent erhöhen würden. Couchepin versuchte, darauf mit Dringlichkeitsmassnahmen zu reagieren. Unter anderem schlug er eine Praxisgebühr von 30 Franken für jeden Arztbesuch vor. Der Vorschlag wurde von allen Seiten zerfetzt.

Gefangener der Überzeugungen

Und nun die Überraschung. Mitten in der Schlacht um die Krankenversicherungsprämien wirft der kämpferischer Couchepin das Handtuch. Sein Ziel, den Anstieg der Prämien auf akzeptablem Niveau zu halten, ist gescheitert. Dabei kann man dem Magistraten sicherlich nicht vorwerfen, untätig geblieben zu sein. Er hat den ihm zur Verfügung stehenden Spielraum ausgereizt, um die Kosten einzudämmen.

Doch es lässt sich nicht wegdiskutieren: Im Schweizer System, das auf der mühsamen Suche nach Kompromissen und der Politik der kleinen Schritte basiert, vermochte Couchepin die von ihm angekündigte Reform des Sozialstaats nicht zu verwirklichen.

Couchepin wurde zum Gefangenen seiner eigenen Überzeugungen und zur Geisel eines Parlaments, in dem häufig Partikularinteressen dominieren. Als Gesundheitsminister war er nicht nah genug an den Bedürfnissen und Stimmungen der Bevölkerung. Doch wer weiss: Vielleicht gibt ihm eines Tages die Geschichte doch noch Recht.

Andrea Arcidiacono, swissinfo.ch
(Übertragung aus dem Italienischen: Gerhard Lob)

Pascal Couchepin wird am 5. April 1942 in Martigny im Kanton Wallis geboren. Er studierte Rechtswissenschaften an der Universität Lausanne und erwarb das Patent als Anwalt und Notar in seinem Heimatkanton.

Als Mitglied der Freisinnig-Demokratischen Partei (FDP) wurde Pascal Couchepin 1979 in den Nationalrat und 1998 in den Bundesrat gewählt.

Bis 2002 leitete er das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement. Seit 2003 steht er dem Eidgenössischen Departement des Inneren vor. Damit ist er für Sicherheit, Soziales, Gesundheitswesen, Erziehung, Ausbildung, Forschung und Kultur zuständig.

In den Jahren 2003 und 2008 war er Präsident der Eidgenossenschaft.

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