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Trump oder der Interessenskonflikt in der modernen Demokratie

Swissinfo Redaktion

Mit der Wahl des Milliardärs und Immobilien-Giganten Donald Trump zum US-Präsidenten ist das Thema "Interessenskonflikt" neu lanciert worden. Dies wird auch für die Schweiz eine grössere Bedeutung erhalten.

Eine funktionierende Demokratie hängt ganz besonders davon ab, dass die Vertreter der Staatsmacht frei sind von Interessenskonflikten und so Ihr Amt ohne Konflikte mit persönlichen Zielen – finanzieller oder anderer Art – ausüben.

Dieser Beitrag ist Teil von #DearDemocracy, der Plattform für direkte Demokratie von swissinfo.ch.

Es ist aber auch wichtig, dass die Bürgerinnen und Bürger diese Freiheit von Interessenskonflikten klar wahrnehmen. Die Staatsgewalt muss also frei sein von echten, aber auch von (möglicherweise falsch) wahrgenommen Interessenskonflikten. Mit der Wahl des Immobilien-Giganten Donald Trump zum amerikanischen Präsidenten hat dieses Thema massiv an Bedeutung gewonnen.

Der Schweiz ist das Thema Interessenskonflikt auch nicht fremd. Von den Anschuldigungen bezüglich «Filz» beim Swissair Grounding über die Diskussion um die Schenkung der Firmen von Christoph Blocher an seine Kinder bei seinem Amtsantritt als Schweizer Regierungsmitglied bis hin zur den Anfeindungen von Moritz Leuenberger wegen seines Mandats als Verwaltungsrat beim Bauriesen Implemenia nach seinem Rücktritt aus dem Bundesrat: Bürger und die Medien haben sich auch in der Schweiz heftig und häufig mit dem Thema Interessenskonflikt beschäftigt.

Martin Naville. Wirtschaftspolitisch steht der Chef der Schweizerisch-Amerikanischen Handelskammer den Republikanern nahe. Aber nicht Donald Trump. Keystone

Bei der Trump-Administration geht das Thema natürlich sehr viel weiter. Donald Trump ist der erste Milliardär-Unternehmer, der ein solches Amt antritt. Silvio Berlusconis Interessenskonflikte erscheinen da ganz mickrig. Das Trump-Imperium umfasst 515 Firmen, die in rund zwei Dutzend Ländern in vielfältigen Aktivitäten tätig sind, von privaten und kommerziellen Liegenschaften zu Hotels, Magazinen, Weinen, Modeartikeln, Steaks, Golfplätzen und vielem mehr.

Regierung so reich wie der untere Drittel der US-Bevölkerung

Das neue Kabinett der Trump-Administration umfasst eine stattliche Anzahl Superreicher und Unternehmer, die zusammen etwa gleich viel Vermögen besitzen wie der untere Drittel der US-Bürger. Da sind mögliche Interessenskonflikte nicht zu verhindern.

Für alle Regierungsmitglieder und Mitglieder des Kongresses, dem US-Parlament (ausser dem Präsidenten und Vize-Präsidenten) gelten äusserst strenge Regeln bezüglich Interessenskonflikte. So müssen alle Betroffenen alle Ihre Vermögenswerte verkaufen und einem unabhängigen Verwalter übergeben («blind trust»).

Wirtschaftspolitisches Schwergewicht

Die USA sind einer der wichtigsten Wirtschaftspartner der Schweiz.

Exportmarkt: Zweitgrösster Abnehmer für Schweizer Güter und Dienstleistungen; Markt mit dem grössten Export-Wachstum (fast 50% plus seit 2011). Export nach USA ist grösser als nach Frankreich und Italien zusammen.

USA sind grösster Auslandsinvestor in der Schweiz. Sie leisten einen wichtigen Beitrag an inländisches Fachwissen und Innovationsstärke.

Die Schweiz ist sechstgrösster Auslandsinvestor in den USA. Diese Präsenz ist für Schweizer Firmen von grösster Wichtigkeit im globalen Wettbewerb um Talente, Märkte und Innovationskraft.

Und sie dürfen keinerlei Geschenke annehmen. So hat z.B. ein Zürich besuchender US-Senator insistiert, sein Essen in der Kantine für 25 Schweizer Franken selbst zu bezahlen! Und ein Top-Regierungsmitglied hat mir ein geschenktes Schweizer Sackmesser zurückschicken lassen.

Aber auch mit diesen strengen Regeln lassen sich zumindest vermeintliche Interessenskonflikte nicht verhindern. Was werden die Bürger und die Medien wohl denken, wenn der Aussenminister Rex Tillerson, ehemals CEO von Exxon Mobil, mit Russland einen Pakt schliesst, der Erdölfirmen zu Gute kommt? Oder wenn Arbeitsminister Andrew Puzder, ehemals CEO einer grossen Fast-Food-Kette, eine mögliche Mindestlohnerhöhung verhindert?

Geschäfte bleiben in der Familie

Bei Präsident Trump, seinem Vize Mike Pence und ihren Beratern gelten diese strengen Regeln nicht. In seiner Pressekonferenz vom 11. Januar hat Trump, unterstützt von seiner Anwältin, fast elegisch dargestellt, was alles getan wird, um Interessenskonflikte zu verhindern. Solange aber seine Söhne das Firmenkonglomerat führen und Donald Trump nach Abschluss seiner Präsidentschaft wieder in den Genuss der Firmen und des Vermögens kommt, werden die Konflikte weiterbestehen.

Wenn also beispielsweise eine Steuer beschlossen wird, die Liegenschaftshändlern zu Gute kommt oder bestimmte Golfprojekte zu Gunsten der Trump Gruppe vergeben werden, ist der Vorwurf der Interessenverknüpfung, ja sogar der Korruption, nicht weit. Und auch die Aktivitäten der Berater werden zu reden geben. So hat z.B. Trumps Schwiegersohn Jared Kushner am 9. Januar ein Riesengeschäft mit einer chinesischen Bank abgeschlossen und wurde am 10. Januar zum «Senior Advisor to the President» ernannt. Interessenskonflikte, auch wenn vielleicht fälschlicherweise wahrgenommen, werden die Medien und die Bürger in den kommenden Wochen und Monaten stark beschäftigen.

Was können wir für die Schweiz daraus lernen? Erstens wird das Thema nicht verschwinden, sondern über den Atlantik schwappen und auch unsere Medien und politischen Diskussionen prägen. Zweitens sollten wir proaktiv über taugliche und pragmatische Ansätze diskutieren, um eine populistisch gefärbte Hetzjagd auf alle politischen exponierten Personen zu verhindern.

Und drittens müssen wir den «Swiss Finish» verhindern, also die sehr schweizerische Tugend, alles noch genauer, perfekter und aufwendiger zu machen. Es gibt hier keine «perfekte» Lösung. Sondern nur einigermassen taugliche.


Die in diesem Artikel ausgedrückten Ansichten sind ausschliesslich jene des Autors und müssen sich nicht mit der Position von swissinfo.ch decken.





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