Steinbrück legt seine Forderung auf den Tisch
Sollte die Schweiz bei Steuerhinterziehung ausländischen Behörden auf Anfrage hin helfen, dann wäre der deutsche Finanzminister Peer Steinbrück zufrieden. Allerdings würde die Schweiz damit ihre Bündnispartner in Schwierigkeiten bringen.
Der deutsche Finanzminister Peer Steinbrück erlebte gestern ein Wechselbad der Gefühle. Sein Vorschlag für ein Gesetz gegen Steueroasen wurde in Deutschland überraschend von der Traktandenliste der heutigen Regierungssitzung entfernt.
In Brüssel hingegen konnte er sich als Sieger fühlen: In ihrer Stellungnahme zum G-20-Gipfel in London forderten die EU-Finanzminister eine schwarze Liste und Sanktionen für Steueroasen.
«Ich freue mich sehr, wie viel Zug in den Kamin gekommen ist», sagte Steinbrück. Die kritisierten Länder, «insbesondere auch die Schweiz», wüssten nun, «dass sie daraus nicht mehr herauskommen».
«Ich erwarte Taten»
Dass die Finanzminister von Luxemburg, Österreich und der Schweiz bei ihrem Treffen am Sonntag Dialogbereitschaft signalisiert hatten, reiche ihm nicht – er erwarte Taten.
Auf die Frage eines Journalisten, ob es genüge, wenn die drei Staaten das Musterabkommen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) akzeptierten, reagierte Steinbrück erfreut. «Dies wäre ein geradezu sehr bemerkenswerter Schritt», betonte er.
Der OECD-Standard sieht vor, dass ein Staat auf Anfrage von ausländischen Behörden auch bei Steuerhinterziehung Rechts- und Amtshilfe leistet.
Konkret könnten dann zum Beispiel deutsche Steuerfahnder in Verdachtsfällen anfragen, ob ein deutscher Steuerpflichtiger ein Bankkonto in der Schweiz besitzt. Es wäre aber kein automatischer Informationsaustausch, und das Bankgeheimnis für Schweizer würde nicht berührt.
Noch keine Offerte aus Bern
Nun ist Steinbrücks Bemerkung natürlich kein offizielles Verhandlungsangebot. Seine erfreute Reaktion zeigt jedoch zumindest, dass ein entsprechendes Angebot der Schweiz ernst genommen würde. Bisher hat der Bundesrat sich jedoch noch nicht auf eine konkrete Offerte festgelegt.
Allerdings würde die Schweiz mit einem solchen Schritt ihre Bündnispartner in Sachen Bankgeheimnis – Luxemburg und Österreich – in Schwierigkeiten bringen.
Denn die beiden EU-Länder müssten den automatischen Informationsaustausch über Bankkunden mit anderen EU-Staaten einführen, sobald die Schweiz, einige europäische Ministaaten und die USA den OECD-Standard akzeptieren. So will es eine Klausel in der EU-Zinsbesteuerungsrichtlinie.
Österreich und Luxemburg unter Druck
Einen automatischen Informationsaustausch wollen Luxemburg und Österreich jedoch unbedingt verhindern. Sie würden also wohl erwarten, dass die Schweiz die Auskunftspflicht auf Anfrage erst dann akzeptiert, wenn sie ihrerseits EU-intern Garantien gegen die Pflicht zum automatischen Informationsaustausch erhalten.
Wie stark die beiden Länder unter Druck sind, zeigte sich gestern, als sie sich nur halbherzig gegen die Beschlüsse zu den Steueroasen wehrten. Immerhin sind diese so vage formuliert, dass unklar bleibt, was eine Steueroase ist.
swissinfo, Simon Thönen, Brüssel
Der deutsche Finanzminister Peer Steinbrück hat wiederholt Kritik am Schweizer Bankgeheimnis geäussert. Steuerhinterziehung sei kein Kavaliersdelikt, sondern kriminell.
Er appellierte an die Schweiz, die Souveränität Deutschlands zu respektieren und Steuerhinterziehungen nicht billigend in Kauf zu nehmen.
Im vergangenen Oktober hatte er gesagt, man müsse (gegenüber der Schweiz) neben Zuckerbrot auch die Peitsche brauchen.
Mit seinen verbalen Attacken sorgte Steinbrück bei der Schweizer Regierung und Öffentlichkeit für grosse Empörung.
Der Bundesrat hatte darauf Micheline Calmy-Rey beauftragt, den deutschen Botschafter Axel Berg ins Departement für Auswärtige Angelegenheiten EDA zu zitieren. Das sei inakzeptabel, sagte die Aussenministerin, so behandle man Partner nicht.
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