Steuerabkommen mit Deutschland droht zu scheitern
In der Schweiz stösst das Abkommen weitgehend auf positives Echo. Für Exponenten der deutschen SP ist es ein "Schlag ins Gesicht der ehrlichen Steuerzahler". Sie verlangen Neuverhandlungen und wollen diese im mehrheitlich linken Bundesrat durchsetzen.
Grösser könnte der Kontrast der Reaktionen auf das Mitte August nach monatelangen Verhandlungen ausgehandelte Steuerabkommen und die damit verbundene Abgeltungssteuer nicht sein: Für den Bund Deutscher Kriminalbeamter ist die vorgesehene anonyme Amnestie für Schwarzgeldsünder und Steuerbetrüger «staatlich organisierte Geldwäsche, die jetzt legalisiert werden soll».
Für den Finanzminister des Landes Rheinland-Pfalz, den Sozialdemokarten Carsten Kühl, steht fest, dass die Bundesregierung ein Abkommen aushandeln muss, das «kein Schlag ins Gesicht ehrlicher Steuerzahler» ist.
Ganz anders tönt es in der Schweiz: «Die Abgeltungssteuer löst das Problem der Steuerhinterziehung an der Wurzel und ist unbürokratisch», sagt hingegen der Präsident der Auslandbanken in der Schweiz, Alfredo Gysi: «Mit dem Gesamtpaket bin ich zufrieden. Kunden, Banken und die beteiligten Staaten haben ihre Ziele erreicht.»
200 Milliarden Schwargeld
Stein des Anstosses sind die auf Schweizer Banken angelegten Vermögen deutscher Steuersünder. Laut Schätzungen belaufen sich die Beträge auf rund 280 Milliarden Franken, wo von fast 200 Milliarden Schwarzgeld.
Das umstrittenene Abkommen zwischen Deutschland und der Schweiz muss noch offiziell unterschrieben und von den Parlamenten beider Länder genehmigt werden. Es sieht vor, in der Schweiz deponiertes Schwarzgeld – immer—mit einer einmaligen Strafzahlung von bis zu 34% zu belegen und damit zu legalisieren. Auf den Kapitalerträgen von deutschen Anlagen soll ab 2013 eine Abgeltungssteuer im Umfang von 26% erhoben werden. Entgegen den Wünschen der EU sieht das Steuerabkommen aber keinen automatischen Informationsaustausch zwischen den Steuerbehörden vor.
Ablasshandel verhindern
Landes-Finanzminister Carsten Kühl kritisiert gegenüber swissinfo.ch, dass Deutsche, die ihr Vermögen in der Schweiz angelegt haben auch nach 2013 anonym bleiben: «Damit bleiben viele Schlupflöcher , etwa, um das Vermögen unentdeckt in eine nächste Steueroase zu transferieren. Auch das Entdeckungsrisiko für illegale Gelder aus Geldwäsche bleibt minim. Nach wie vor würde es für deutsche Steuerfahnder sehr schwierig sein, Steuersündern auf die Spur zu kommen. Diese Aufrechterhaltung der Anonymität – was die Schweiz Bankgeheimnis nennt – widerspricht unseren rechtsstaatlichen Prinzipien.»
Spekulationen, die Sozialdemokraten könnten angesichts der zu erwartenden Millionenzahlungen aus der Schweiz das Abkommen im Bundestag doch noch gutheissen, weist Kühl zurück: «Wir lassen uns nicht kaufen.»
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«Ich werde alles tun, um diesen Ablasshandel zu verhindern», sagte der Finanzminister von Nordrhein-Westfalen, Norbert Walter-Borjans, dem Nachrichten-Magazin Der Spiegel. Das Ergebnis der Verhandlungen zwischen Deutschland und der Schweiz sei «skandalös» und «schwerreiche Straftäter» kämen «viel zu billig» davon.
Linke Mehrheit in der Länderkammer
Kühl bezeichnet am Abkommen zudem als «schlecht», dass «wir Bundesländer seinen Inhalt bis heute nicht kennen. Die Bundesregierung hält sich absolut bedeckt». Das Geschäft sei «keine Routineangelegenheit, sondern es geht um sehr viele heikle Dinge und um viel Geld, das auch den Ländern zusteht». Die Länder seien «nicht in den Verhandlungsprozess miteinbezogen» worden», kritisiert Kühl.
Das könnte sich nun rächen, denn im Bundestag, also in der Länderkammer des deutschen Parlaments, haben die Linken die Mehrheit. Die regierenden Parteien, also CDU/CSU und FDP, verfügen lediglich im Bundestag über eine Mehrheit. Das Steuerabkommen muss von beiden Kammern genehmigt werden.
«Brücke zur Steuerehrlichkeit»
Auch in der Schweiz muss das Abkommen vom Parlament genehmigt werden. Das wird voraussichtlich erst 2012 der Fall sein, und bisher überwiegen die positiven Reaktionen. Bürgerliche Politiker und die Banken loben, es sei «eine Brücke zur Steuerehrlichkeit bei gleichzeitiger Wahrung der finanziellen Privatsphäre». Zudem schaffe das Abkommen endlich Rechtssicherheit in der delikaten Frage der Beziehungen zum nördlichen Nachbar, denn es will Deutschland den Kauf von CDs mit Bank-Daten von möglichen Steuersündern und auch die Auswertung bereits gekaufter Daten verbieten.
Die Linke, die seit Jahren die Aufhebung des Bankgeheimnisses fordert, hält sich zurück. Die Kritik in Deutschland sei «sehr verständlich», sagt Andreas Käsermann, Medienverantwortlicher der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz gegenüber swissinfo.ch. Seine Partei habe die «Abgeltungssteuer immer kritisch verfolgt, weil wir statt Einzelverträgen lieber einmal eine grundlegende Weissgeldstrategie für den gesamten Finanzplatz sehen würden».
Kein Bruch mit Vergangenheit
Dennoch sei das Abkommen «ein klares Eingeständnis, dass das bisherige Bank- beziehungsweise Steuerflucht-Geheimnis kein Geschäftsmodell mehr darstellt». So lange nicht verhindert werde, «dass es für einen deutschen Steuerpflichtigen finanziell attraktiver ist, das Geld in der Schweiz zu parkieren und die Abgeltungsteuer zu bezahlen statt regulär in Deutschland Steuern zu bezahlen, ist der Vertrag nicht der von uns gewünschte Bruch mit der Schwarzgeldvergangenheit des Finanzplatzes», so Käsermann.
Deutsche Steuerrechtsexperten kommen zu unterschiedlichen Einschätzungen. Sie halten das Abkommen entweder für unvereinbar mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Gleichbehandlung oder halten fest, der Staat habe das Recht, eine Steueramnestie zu verabschieden. Davon habe er zudem auch schon gebraucht gemacht. Allerdings müsse jede Steueramnestie im Interesse des Staates sein.
Vermögende Deutsche gehören zu den wichtigsten ausländischen Bankkunden in der Schweiz.
Gemäss einer Studie des auf Finanzanalysen spezialisierten Genfer Unternehmens Helvea liegen deutsche Vermögen in der Höhe von rund 280 Mrd. Franken auf Schweizer Konten – davon sollen 193 Milliarden unversteuert sein.
Mit ähnlichen Zahlen hatte auch der frühere deutsche Finanzminister Peer Steinbrück hantiert, der 2009 von insgesamt 200 Mrd. Euro (272 Mrd. Franken) an deutschen Vermögen in der Schweiz sprach.
Aus der Sicht des Verbandes deutscher Kriminalbeamten, handelt e sich bei den Geldern, die in den Genuss einer anonymen Amnestie kommen sollen, auch um Gelder, die aus Schwerstkriminalität wie Drogenhandel, Menschenhandel, Korruption und Betrug stammen.
Experten gehen davon aus, dass das Abkommen dem deutschen Fiskus rückwirkend zwei Milliarden Euro einbringen würde. Dazu kämen jährlich 26% Abgeltungsteuer auf Erträge.
Bislang sind zum Abkommen lediglich die Eckdaten bekannt. Nach der Paraphierung Mitte August soll es in den kommenden Wochen von den Regierungen beider Länder unterzeichnet und anschliessend veröffentlicht werden.
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