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Stimmabstinenz auch in den meisten Kantonen

Leere Stimmlokale fast überall: Auch in Wetzwil – Herrliberg kamen nur wenige Stimmberechtigte an die Urne. Keystone

Niedrige Stimmbeteiligung kennzeichnete das Abstimmungsverhalten auch in Kantonen, in denen es um populäre Themen ging. Weder das Ausländerstimmrecht, noch der Atomstrom, nicht einmal eine Steuersenkung konnten das Stimmvolk in grosser Zahl an die Urne locken.

Keine Gnade fanden Initiativen zur Einführung des Ausländerstimmrechts beim Berner und baselstädtischen Stimmvolk.

Im Kanton Bern erhalten Ausländerinnen und Ausländer auf Gemeindeebene kein Stimmrecht. Die Berner Stimmberechtigten haben die Initiative «zäme läbe – zäme schtimme» deutlich verworfen.

Sie folgten damit der Abstimmungsempfehlung des bürgerlich dominierten Kantonsparlaments. Der Grosse Rat war der Ansicht, dass die Integration von Ausländern nicht über das Stimmrecht erfolge, sondern über die Einbürgerung.

Im Kanton Basel-Stadt, wo die Stimmbeteiligung immerhin fast 50% erreichte, scheiterte ein weiterer Anlauf für die Einführung des Ausländerstimmrechts. Der Souverän erteilte sowohl einer Initiative mit diesem Begehren als auch einem Gegenvorschlag eine Abfuhr.

Die von einem links-grünen Komitee eingereichte Initiative «Stimm-
und Wahlrecht für Migrantinnen und Migranten» wurde sehr deutlich verworfen. Auch der restriktivere Gegenvorschlag scheiterte.

Die Initiative wollte Ausländern in Basel-Stadt in kantonalen Angelegenheiten zum Stimm- sowie zum aktiven und passiven Wahlrecht verhelfen. Ausländer hätten sich damit nicht nur an kantonalen Wahlen beteiligen können, sondern wären selber für politische Ämter wählbar gewesen.

Die Initianten wollten das Stimm- und Wahlrecht jenen Ausländern mit einer Niederlassungsbewilligung erteilen, die seit mindestens fünf Jahren in Basel wohnen. Der Gegenvorschlag, der neben dem Stimmrecht lediglich das aktive Wahlrecht vorsah, verlangte dagegen mindestens zehn Jahre ununterbrochenen Wohnsitz in der Schweiz, davon fünf Jahre in Basel-Stadt.

Mietgericht bleibt gratis

Die Mieterinnen und Mieter des Kantons Waadt können weiterhin gratis die Dienste des Mietgerichts in Anspruch nehmen. Die Stimmberechtigten haben sich auf die Seite der Mietervereinigung gestellt, die das Referendum ergriffen hatte. Sie lehnten kostenpflichtige Mietgerichte ab. Die Stimmbeteiligung betrug 41,4 Prozent.

Der Kanton Waadt hatte die Einführung einer Kostenpflicht mit der Überlastung der Mietgerichte begründet. Eine Beteiligung an den Kosten würde jene Mieter und Vermieter vom Gang ans Gericht abhalten, deren Chancen gering seien.

Die Mietervereinigung argumentierte, dass angesichts der dominanten Stellung der Vermieter, der Schutz der Mieter gratis bleiben müsse.

Nidwalden setzt auf Atomstrom

Das Elektrizitätswerk Nidwalden (EWN) darf weiterhin Atomstrom ins Netz einspeisen und Beteiligungen an Kernkraftwerken halten. Das Volk hat die Initiative «für einen schrittweisen Ausstieg aus der Atomenergie» der SP abgelehnt.

Das EWN versorgt den Grossteil Nidwaldens mit Strom. Mehr als die Hälfte davon stammt aus Kernkraftwerken. Die Initiative verlangte, dass das EWN ab Ende 2039 keinen Strom mehr aus Atomkraftwerken beziehen und an diesen keine Beteiligungen mehr halten darf.

Nein zur «Städte-Initiative»

In Luzern ist die «Städte-Initiative» zur Förderung des öffentlichen Verkehrs (öV)und des Langsamverkehrs abgelehnt worden. Die Stimmenden gaben dem Gegenvorschlag den Vorzug. Die Stimmbeteiligung lag bei 37 Prozent.

Die auch in anderen Städten lancierte «Städte-Initiative» verlangt, dass der öffentliche, der Fuss- und der Veloverkehr mehr Gewicht erhalten. Umstritten an dem Volksbegehren war vor allem die Forderung, dass der Anteil von öV und Langsamverkehr innert zehn Jahren um 10 Prozent zu erhöhen sei. Angenommen wurde der Gegenvorschlag, der die Anliegen der Initiative ohne die konkrete Zielvorgabe aufnimmt.

Anders als die Luzerner hatte die St. Galler Stimmbevölkerung die Initiative im März dieses Jahres angenommen. Gleiche Initiativen gibt es in den Städten Basel, Genf, Zürich und Winterthur.

Keine «Schienen für Zürich»

Die Bahnverbindung zwischen Winterthur und Zürich soll vorläufig nicht auf durchgehend vier Spuren ausgebaut werden. Die Zürcher Stimmberechtigten haben der VCS-Volksinitiative «Schienen für Zürich» eine deutliche Abfuhr erteilt. Die Stimmbeteiligung betrug 33 Prozent.

Die Initiative hätte vom Kanton Zürich einen Rahmenkredit von 520 Millionen Franken verlangt, um den Engpass im Ost-West-Verkehr zu beseitigen. Der VCS war der Meinung, dass der Ausbau auf einer der meistbefahrenen Bahnstrecken der Schweiz keinen Aufschub dulde. Unterstützt wurde die Organisation von der SP und den Grünen.

Uri senkt Steuern erneut

Im Kanton Uri werden zum dritten Mal seit 2006 die Steuern gesenkt: Bei einer Stimmbeteiligung von nur 25 Prozent hat das Stimmvolk einem einfacheren und transparenteren Steuergesetz sehr deutlich zugestimmt.

Das neue Gesetz führt aber durch die tieferen Steuersätze und höheren Abzugsmöglichkeiten beim Kanton und bei den Gemeinden zu einem jährlichen Einnahmen-Ausfall von 2,3 Mio. Franken.

Ja zu HarmoS

Mit Solothurn und Basel-Landschaft schliessen sich zwei weitere Kantone dem HarmoS-Schulkonkordat an. In Solothurn lag die Stimmbeteiligung bei fast 38 Prozent, in Basel-Landschaft bei 37 Prozent.

Das Ethnographische Museum in Genf kann ausgebaut werden: Beim zweiten Anlauf innert zehn Jahren hat das Stadtgenfer Stimmvolk dem Projekt klar zugestimmt.

Die Stimmbeteiligung betrug 36,1 Prozent.
Die Sammlung des Museums umfasst 76’750 Objekte aus aller Welt.

Gegner hatten den städtischen Kredit von 37,7 Millionen Franken mit einem Referendum bekämpft.

Die Berner Reitschule wird nicht verkauft. Die Stimmberechtigten haben eine Initiative der Jungen SVP klar verworfen und sich somit zum fünften Mal an der Urne hinter das alternative Kulturzentrum gestellt.

Die rechtsbürgerlichen Initianten hatten gefordert, die Reitschule beim Hauptbahnhof Bern bis Ende 2011 zu schliessen und an den Meistbietenden zu verkaufen.

Der neue Besitzer sollte das Areal beispielsweise als Sporthalle, Kino, Schwimmbad oder Einkaufszentrum nutzen.

Bisher kennen nur die Kantone Jura und Neuenburg das Stimmrecht und aktive Wahlrecht für Ausländer sowohl auf kantonaler wie auf kommunaler Ebene.

Die Kantone Freiburg und Waadt kennen ein Ausländerstimm- und wahlrecht auf Gemeindeebene.

In den Kantonen Graubünden und Appenzell Ausserrhoden können die Gemeinden selbst bestimmen, ob sie Ausländern ein Stimm- und Wahlrecht einräumen wollen.

In Appenzell Ausserrhoden kann die ausländische Bevölkerung in 3 von 20 Gemeinden von diesem Recht Gebrauch machen, in Graubünden in 12 von 186 Gemeinden.

Im Kanton Genf dürfen Ausländer wählen und abstimmen, jedoch nicht selbst gewählt werden.

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