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SVP sagt Nein zu erweitertem Personenverkehr

Menschen aus dem Osten würden unkontrolliert auf den Schweizer Arbeitsmarkt drängen, befürchtet die SVP. Keystone

Die Schweizerische Volkspartei (SVP) hat die Nein-Parole für die voraussichtliche Abstimmung gefasst, gegen den Antrag von Christoph Blocher.

Würde die Ausdehnung des freien Personenverkehrs an der Urne scheitern, könnte die Europäische Union die Bilateralen I mit der Schweiz aufkünden.

«Wir sollten es wagen», sagte Bundesrat Christoph Blocher, der vor den Delegierten die Haltung der Landesregierung vertrat. Blocher warnte aber gleichzeitig davon, «mit wehenden Fahnen» ans Werk zu gehen.

Doch die Parteidelegierten der rechtsbürgerlichen SVP folgten am Samstag in La Chaux-de-Fonds für einmal nicht ihrem Meinungsmacher, sondern der Empfehlung des Zentralvorstandes und fassten mit 297 zu 94 Stimmen die Nein-Parole für die voraussichtliche Abstimmung.

Der Berner Nationalrat Hermann Weyeneth hatte vor den Delegierten ebenfalls vergeblich vor einem Nein gewarnt: Die Ablehnung der Osterweiterung bedeute «eine erhebliche Gefahr für das Weiterbestehen der ganzen bilateralen Verträge».

Bilaterale I in Gefahr

Es ist davon auszugehen, dass Brüssel eine rechtliche Schlechterstellung der EU-Bürger aus den zehn neuen Mitgliedsländern nicht akzeptiert. Retorsions-Massnahmen könnten beispielsweise verschärfte Grenzkontrollen sein, wie sie im vergangenen Sommer bereits von deutschen Behörden verhängt worden waren.

Wahrscheinlicher ist aber, dass die EU die Bilateralen Abkommen I mit der Schweiz aufkündigt. Dies würde einer weitgehenden politischen und ökonomischen Isolierung des Landes gleichkommen.

Schreckensszenario «unkontrollierte Zuwanderung»

Die Mehrheit der SVP-Delegierten folgten den Argumenten des Aargauer Nationalrates Luzi Stamm. Die Schweiz dürfe keine «unkontrollierte Zuwanderung von Menschen zulassen, die sich nicht anpassen wollen und die nicht wissen, was die Werte der direkten Demokratie der Schweiz ausmachen.»

Das Nein sei aber auch taktisch zu begründen, erklärte Stamm weiter. Es sei schwierig, der Bevölkerung ein Nein zu Schengen beizubringen, wenn man gleichzeitig Zustimmung zur «ungebremsten Einwanderung» signalisiere.

Mit der äussersten Rechten

Ein Nein werde bedeuten, dass sich die SVP aktiv an der Unterschriftensammlung für das Referendum beteilige, hatte SVP-Sprecher Roman Jäggi am Freitag gesagt. Ergriffen wurde das Referendum von den Schweizer Demokraten, einer Splitterpartei, die am äussersten rechten Rand des Spektrums politisiert.

Attacke gegen Wirtschaftsverbände

Die Gewerkschaften haben den Entscheid der SVP in einer Reaktion scharf kritisiert. «Mit ihrem Nein zur Ausdehnung der Personenfreizügigkeit auf die neuen EU-Länder will die SVP die Schweiz einen Schritt weiter in die Isolation treiben.»

Die Partei füge so der Schweiz politischen und wirtschaftlichen Schaden zu: Sie gefährde Arbeitsplätze und den Wirtschaftsaufschwung, hiess es weiter.

In der Tat desavouiert die SVP mit ihrer Haltung die Wirtschaft, sind es doch die kleinen und grossen Unternehmen, welche aus Sorge um die Arbeitsplätze ihrer Angestellten hinter der Ja-Parole der Schweizer Wirtschaftsverbände stehen.

Wüste Szenen

Nach dem Ende der SVP-Delegiertenversammlung kam es in La Chaux-de-Fonds zu Zusammenstössen zwischen rund 250 Demonstranten und der Polizei. Auf Transparenten protestierten sie gegen die Politik der SVP und von Bundesrat Christoph Blocher.

Die teilweise vermummten Leute pfiffen die Parteimitglieder beim Verlassen des Tagungsortes aus und warfen Steine und Schneebälle in ihre Richtung. Drei Autos, die innerhalb des umzäunten Sicherheitsperimeters parkiert waren, wurden beschädigt.

Die Polizei setzte danach Wasserwerfer und Tränengas ein und konnte die Demonstration damit auflösen. Vier Demonstranten wurden vorübergehend festgenommen.

swissinfo und Agenturen

Die Schweizer Demokraten haben das Referendum gegen die erweiterte Personenfreizügigkeit ergriffen.
Sie haben bis am 31. März Zeit, 50’000 Unterschriften zu sammeln.
Nach ihrer Parolenfassung vom Samstag will sich die SVP aktiv an der Sammlung beteiligen.
Die Abstimmung könnte bereits am 5. Juni stattfinden.

In den ersten Bilateralen Verträgen garantiert die Schweiz den freien Personenverkehr mit der EU.

Da die EU seit Juni 2004 zehn neue Mitglieder hat, fordert sie die Ausdehnung der Personenfreizügigkeit auf diese Länder, weil sonst nicht alle EU-Bürger gleich behandelt würden.

Bundesrat, Parlament sowie Arbeitgeber und Gewerkschaften sagen Ja zur Ausdehnung.

Die Gewerkschaften machten ihre Zustimmung von starken flankierenden Massnahmen abhängig, um v.a. Lohndumping zu verhindern.

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