SVP will Männerbastion bleiben
Die Schweizerische Volkspartei ist eine wertkonservative Partei. Sie hat zwar viele Wählerinnen, doch Politikerinnen sind dünn gesät.
Dies wird sich wohl bald ändern. Dennoch würden die Frauen in politischen Mandaten nie die Oberhand gewinnen, sagt der langjährige Parteipräsident Ueli Maurer im Interview mit swissinfo.
swissinfo: Seit rund 100 Tagen ist die SVP-Leitfigur Christoph Blocher Bundesrat. Was ziehen Sie für eine Bilanz?
Ueli Maurer: Im Bundesrat spürt man etwas Aufbruchstimmung, etwas frischen Wind. Man hat einige Vorlagen, die Geld kosten, zurückgestellt. Man spürt den Einfluss des neuen Bundesrates. Und ich denke, daran hat Christoph Blocher Mitschuld.
swissinfo: Die erste grosse Schlacht mit der Avanti-Initiative haben Sie verloren. Wie wollen Sie die bürgerliche Wende schaffen?
U.M.: Die bürgerliche Wende hat in diesem Sinne eben nicht stattgefunden. Der Bundesrat ist möglicherweise etwas bürgerlicher. Aber im Parlament hat der Sieg unserer Partei eigentlich zu einer Solidarisierung auf der linken Seite geführt. Und wir werden in den nächsten Monaten noch verschiedene sehr knappe Resultate haben.
swissinfo: Rechnen Sie dabei noch mit tatkräftiger Unterstützung der anderen bürgerlichen Parteien, oder muss die SVP alles selber machen?
U.M.: Wir werden eine gewisse Unterstützung haben, insbesondere von den Freisinnigen. Aber die beiden Mitteparteien CVP und FDP sind im Moment mit sich selbst beschäftigt: Sie suchen Präsidenten und ein Programm. Eigentlich liegt die Hauptverantwortung und die Hauptlast der Arbeit demzufolge bei uns.
swissinfo: Warum arbeitet die SVP mit diffamierenden Kampagnen – Ratten-, «Negerplakate» – und nicht mit überzeugenden Argumenten?
U.M.: Das sind überzeugende Argumente. Man will den Leuten wieder 5 Milliarden Franken neue Steuern aus dem Sack ziehen. Die Mehrwertsteuer soll um 25% erhöht werden. Und das erinnert tatsächlich an Ratten, die Vorräte auffressen. Wir haben das mit diesem Plakat auf den Punkt gebracht.
swissinfo: Uns Schweizerinnen und Schweizern geht es doch gut. Weshalb braucht es die Schweizerische Volkspartei?
U.M.: Es geht uns nur auf den heutigen Tag betrachtet tatsächlich noch gut. Wenn wir aber die letzten 10, 12 Jahre mit berücksichtigen, dann hat die Schweiz die schlechteste Entwicklung aller westlicher Industrienationen mitgemacht.
Dieser Spirale muss Einhalt geboten werden. Die anderen Parteien haben diese Politik, die Verschlechterung, zu verantworten. Es braucht also eine Partei, die hier versucht, Gegensteuer zu geben.
swissinfo: Seit dem EWR-Nein hatten wir im Vergleich zu unseren Nachbarn praktisch kein Wachstum mehr. Wie erklären Sie sich das?
U.M.: Ein EWR-Ja hätte möglicherweise gewisse Prozesse im Bezug auf mehr Wettbewerb rascher ausgelöst. Die Nachteile, die wir uns aber mit dem EWR-Beitritt eingehandelt hätten, sind zweifellos grösser.
Wenn wir heute feststellen, wo und weshalb wir Wachstumsschwächen haben, können wir sagen, es liegt überall an uns, das zu verbessern. Wir brauchen dazu den EU-Beitritt nicht. Und damit ist auch gesagt, dass wir im Inland noch mehr liberalisieren müssen.
swissinfo: Wir haben massive Probleme an unseren Grenzen. Würde ein Beitritt zum Schengener Abkommen diese Probleme nicht aus dem Weg räumen?
U.M.: Nein. Im Bezug auf die Sicherheit löst der Schengener-Vertrag eigentlich gar nichts. Wir wären dort interessiert am Datenaustausch, den wir pflegen könnten mit den EU-Staaten. Das gäbe uns zusätzliche Möglichkeiten bei der Fahndung.
Aber es ist ein Abbau von Sicherheit, weil wir ja keine Grenzkontrollen mehr durchführen können, sondern uns auf die so genannte Schleierfahndung beschränken müssen. Das heisst, wir können Personen im Inland noch anhalten, wenn sie verdächtig sind. Aber wir haben keine Möglichkeiten mehr zur Grenzkontrolle.
swissinfo: Was kann ein Parteipräsident eigentlich bewirken?
U.M.: Ich glaube, es ist gelungen, die Partei hinter die wichtigsten Ziele zu integrieren. Wir haben heute intern kaum mehr Streit. Selbstverständlich haben wir eine lebhafte Diskussion in den Details, aber die Hauptstossrichtung ist klar geworden.
Ich habe in den letzten 8 Jahren die Partei neu organisiert. Wir haben viele Ortsparteien neu gegründet. Wir sind heute die Partei, die am Besten organisiert und strukturiert ist.
swissinfo: Wohin wollen Sie die Partei über die nächste Legislatur führen?
U.M.: Wir möchten unsere politischen Ziele verwirklichen: Weniger Steuern, keine Schulden, kein Missbrauch im Asylrecht, Unabhängigkeit und Freiheit bewahren, Sicherung der Sozialwerke.
Wir werden weiterhin an dieser Politik festhalten und organisatorisch versuchen, die Partei auf Vordermann zu bringen. Wir brauchen gewisse personelle Verstärkungen, wir sind noch nicht überall dort, wo wir sein sollten.
swissinfo: Wo liegt die Zukunft der SVP?
U.M.: Ich denke, wir sind über Jahre die bürgerliche Alternative für die Schweiz. Wir sind im Moment die Partei, die am ehesten junge Leute anzieht. Andere Parteien haben hier ein Vakuum. Und damit haben wir, wenn wir es gut machen, mittelfristig eigentlich eine gute Basis.
Ich denke nicht, dass wir weiter so wachsen werden, wie wir das in der Vergangenheit tun konnten. Ich könnte mir vorstellen, dass wir vielleicht in 4, vielleicht auch in 8 Jahren irgendwo zwischen 30 und 35 Prozent Wähleranteil liegen könnten.
swissinfo: Seit den Wahlen ist die Mitte praktisch inexistent. Gibt es hier Wachstums-Möglichkeiten für die SVP?
U.M.: Wir werden sicher neue Wähler abholen, die eher zur Mitte tendieren, die enttäuscht wurden von den bürgerlichen Parteien. Aber damit ist auch angedeutet, dass wir ein beschränktes Potenzial haben.
Wir möchten mit der Partei nicht einfach in die Mitte, um neue Wähler zu gewinnen, sondern wir wollen eine rechtsbürgerliche Partei bleiben.
swissinfo: Die SVP steht im politischen Spektrum rechts. Wie grenzen Sie sich gegen radikale Rechte ab?
U.M.: Es hat traditionellerweise in der Schweiz immer eine kleine Rechte gegeben, die sich mit eigenen Themen profiliert hat. Das war insbesondere die ganze Ausländerproblematik. Wir haben heute einen Teil dieser Problematik ins Parteiprogramm integriert.
Die rechten Parteien sind nicht stärker geworden. Und diese Abgrenzung zum rechten Rand in Bezug auf Fremdenfeindlichkeit, die wird auch in Zukunft bestehen. Wir sind zwar eine kritische Partei, gegenüber Einwanderern, gegenüber dem Asylrechtsmissbrauch. Aber unsere Partei ist sicher nicht fremdenfeindlich.
swissinfo: Die SVP ist eine stark von Männern dominierte Partei: Im Parlament hat die SVP drei Frauen und 60 Männer.
U.M.: Wir sind traditionellerweise eine wertkonservative Partei. Werte wie «Familie» zählen bei uns sehr viel. Das wird auch so gelebt. Es ist tatsächlich so, dass wir zwar viele Frauen als Wählerinnen haben. Aber die möchten in erster Priorität ihre traditionelle Rolle – beispielsweise als Mutter – erfüllen, und stehen erst dann für die Politik zur Verfügung.
Dieses Bild wird sich in den nächsten Jahren wandeln. Aber wir werden sicher nie eine Partei werden, in der die Frauen in politischen Mandaten die Oberhand haben werden.
Wie wichtig sind die Auslandschweizer für Sie?
U.M.: Die Auslandschweizer sind für uns sehr wichtig. Wir haben in den letzten Jahren versucht, die Verbindung zu ihnen zu stärken. Wir haben eine starke Auslandschweizer-Sektion, mit dem Status einer Kantonalpartei. Wir sind mit einer eigenen Auslandschweizer-Liste bei den Wahlen angetreten.
Wir sind daran, weitere Sektionen zu gründen, um hier das Netz etwas auszuweiten. Und wir versuchen, mit einem Internet-Auftritt die politisch interessierten Auslandschweizer über das Geschehen in der Schweiz und im besonderen über die Ziele der SVP aufzuklären. Aber auch hier sind wir erst am Anfang und sicher nicht am Schluss.
swissinfo-Interview: Christian Raaflaub
Der 54-jährige Zürcher Nationalrat Ueli Maurer steht seit über 8 Jahren an der Spitze der SVP. Er hat seit seiner Wahl 1996 stetig an Format gewonnen.
Maurer hat es geschafft, die Partei auf die Linie der Zürcher SVP einzuschwören.
Im Interview zeigt Maurer die Ziele der Partei auf. Er will, dass die SVP längerfristig weiter wächst. Ein beschränktes Wachstumspotenzial ortet er in der verwaisten Mitte, wobei die Partei rechtsbürgerlich bleiben soll.
Die SVP sei jedoch noch nicht überall dort, wo sie sein sollte. Dazu gehörten die parteiinterne Organisation und personelle Verstärkungen, um die politischen Ziele erreichen zu können.
Maurer verteidigt auch die berüchtigten Plakat-Kampagnen und erklärt, dass die Partei zwar kritisch gegenüber Einwanderern und dem Asylrechts-Missbrauch eingestellt, aber keineswegs fremdenfeindlich sei.
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