Staatliche Schweizer Parteienfinanzierung – nicht direkt, aber indirekt
Und es gibt sie doch: die Finanzierung der Schweizer Parteien durch die öffentliche Hand: Auf rund 20 Millionen Franken pro Jahr schätzen zwei Politikforscher die staatlichen Zuschüsse. Ihr Merkmal: Sie erfolgen indirekt.
Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht
4 Minuten
Schreibt bei SWI swissinfo.ch seit 2015 über Demokratie. Versteht diese als Toolbox zur politischen Teilhabe und als Mindset. Vorher bei Reuters, Bluewin und Tageszeitungen. Studium der Geschichte und Politikwissenschaften an der Universität Bern.
In Europa fördern praktisch alle Länder die Parteien mit staatlichen Mitteln, und dies meist in hohem bis sehr hohem Umfang.
Externer Inhalt
Doch trotz des Tabus für direkte Zahlungen fliessen in der Schweiz Gelder aus öffentlichen Kassen in jene der Parteien. Dies via sechs indirekte Kanäle, schreiben Lukas Leuzinger und Claudio Kuster, zwei junge Politikwissenschaftler, in ihrem Politblog Napoleon’s NightmareExterner Link. Im Beitrag «Wie war das nochmal mit ‹keine staatliche Parteienfinanzierung›?» schätzen sie die Summe auf jährlich 20 Millionen Franken.
1 Fraktionsbeiträge
Diese gehen an die Fraktionen im Schweizer Parlament. Fraktionsstärke besteht ab fünf Volksvertretern einer Partei. Doch davon profitieren auch die Parteien. Total: aktuell 7,5 Mio. Franken, Tendenz: steigend.
2 Mandatsbeiträge
Die Parteien verpflichten ihre Amtsträger (Bundesräte, Parlamentarierinnen, Richter, Politikerinnen auch auf Kantons- und Gemeindeebene), einen Teil ihres Einkommens in die Parteikasse abzuführen. Total: rund fünf Mio. Franken.
3 Steuerabzug
Wer eine Partei finanziell unterstützt, kann den Betrag von der Einkommenssteuer abziehen. Aus diesem Steuerrabatt resultiert in der Bundeskasse ein Loch von rund 10 Mio. Franken.
4 Direktzahlungen an Jungparteien
Ausnahme I: Aufgrund der gesetzlichen Jugendförderung kommen die Jungparteien in den Genuss direkter Fördergelder vom Staat. Total: knapp 290’000 Franken.
5 Rückerstattung der Wahlkampfkosten
Ausnahmen II: Die Kantone Freiburg und Genf zahlen nach Wahlen direkte Parteienzuschüsse. Dafür müssen die Parteien resp. deren Kandidaten Hürden überspringen: 20% Wählerstimmen im Kanton Genf, 1% im Kanton Freiburg (gilt auch bei nationalen Wahlen).
6 Beitrag an die Wahlwerbung
Einige Kantone erlassen den Parteien die Kosten für den Versand von Wahlpropaganda. Diese wird im behördlichen Kuvert mit den offiziellen Unterlagen verschickt. Ferner können die Parteien vor Wahlen auf öffentlichem Grund ihre Plakate aushängen.
Fazit der Autoren
Die indirekte Parteienförderung sei an sich nicht problematisch, halten Leuzinger und Kuster fest. Aber es sei «heuchlerisch», Forderungen nach mehr Transparenz mit dem Verweis abzulehnen, dass staatliche Parteienfinanzierung in der Schweiz nicht existiere.
Ewiges Thema Parteienfinanzierung
Die Rufe internationaler Gremien nach mehr Transparenz innerhalb der Schweizer Parteienfinanzierung verhallen Jahr für Jahr ungehört.
Angemahnt wird die Offenlegung neben Transparency International vor allem von Greco, der Staatengruppe des Europarates gegen Korruption.
Nun aber kommt Bewegung in die Sache. Nicht aufgrund von Druck von aussen, sondern von innen: Anfang August kam die Volksinitiative «Für mehr Transparenz in der Politikfinanzierung» zustande. Urheber ist die politische Linke. Per Unterschrift verlangen über 120’000 Schweizerinnen und Schweizer, dass Parteien die Herkunft von Spenden ab 10’000 Franken deklarieren müssen.
Meistgelesen Swiss Abroad
Mehr
Schweizer Stimmbevölkerung könnte Autobahnausbau ablehnen
Wie kann die Monopolisierung der KI durch mächtige Länder und Unternehmen verhindert werden?
KI hat das Potenzial, viele Probleme der Welt zu lösen. Aber die reichsten Länder und Technologieunternehmen könnten versuchen, diese Vorteile zu beanspruchen.
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch
Mehr lesen
Mehr
Parteienfinanzierung als Tabuthema
Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht
«Zusammen mit Schweden sind wir die letzte Insel in Europa. Und während die Parteien in dem skandinavischen Land wenigstens einige Regeln aufgestellt haben, gibt es in der Schweiz überhaupt keine Transparenz – nur ein schwarzes Loch“, analysiert Martina Caroni, Dozentin für öffentliches und internationales Recht an der Universität Luzern. Seit den 1960er Jahren gibt es…
Parteibudgets: Linke transparenter als Bürgerliche
Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht
Eine Umfrage des Schweizer Fernsehens SRF zur Wahlkampf-Finanzierung zeigt: Über Geld wird längst nicht überall gern gesprochen.
Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht
Das Schweizer Stimmvolk wird am 25. November nicht über die Steuerabkommen mit Deutschland, Grossbritannien und Österreich abstimmen. Die Referenden gegen die Staatsverträge sind gescheitert, weil ein paar Hundert Unterschriften fehlten. Die Referendumsträger machen die Behörden für das Scheitern verantwortlich und haben Rekurs eingereicht. Sie werfen einigen Gemeinden vor, die beglaubigten Unterschriften nicht unverzüglich zurückgeschickt zu…
OSZE fordert Finanztransparenz bei Schweizer Wahlen
Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht
Zu diesem Schluss kommt die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in ihrem Bericht zu den Schweizer Wahlen vom vergangenen Herbst. Zehn OSZE-Vertreter beobachteten die Wahlen in der Schweiz. Parteien und Kandidaten hätten im Wahlkampf mehr Geld für Werbung ausgegeben als jemals zuvor bei einer Wahl in der Schweiz, stellt die OSZE fest.…
Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht
Die Schweiz geniesst international das Image eines Landes mit guter Regierungsführung und einer fairen Demokratie. Trotzdem ist die Schweiz eines der wenigen westlichen Länder, in denen Politiker und politische Parteien nicht deklarieren müssen, aus welchen Quellen ihre Spendengelder stammen. Die Öffentlichkeit zeigte sich in den letzten Jahren immer besorgter über diese Tatsache. Das Thema wurde…
Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht
Auf dem Demokratiebarometer, das Politologen der Universität Zürich und des Wissenschaftszentrums Berlin gemeinsam entwickelt haben, liegen Dänemark, Finnland und Belgien an der Spitze. Mit Island, Schweden und Norwegen folgen weitere nordische Länder. Hinter den zehntplatzierten USA, Deutschland, Neuseeland und Slowenien rangiert die Schweiz lediglich auf dem 14. Platz. Den Schluss des Rankings bilden Grossbritannien, Frankreich,…
Kampagnenkonten werden Geheimnisse nicht offen legen
Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht
Offiziell werden die Budgets der politischen Parteien für die eidgenössischen Wahlen vom 18. Oktober 2015 kaum höher sein als vor vier Jahren. Dies ergab eine Umfrage von swissinfo.ch bei den sieben wichtigsten Schweizer Parteien (siehe Kasten). Diese Zahlen, welche die Schweizerische Volkspartei (SVP, rechts-konservativ), die grösste Partei des Landes, als einzige nicht bekannt geben wollte,…
Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht
Wer über «Politik» nachdenkt, muss überlegen, ob von grundsätzlichen Fragen, von spezifischen Strategien oder von den Aktivitäten des politischen Tagesgeschäfts die Rede sein soll. Die angelsächsische Politikwissenschaft markiert diese drei Felder durch Termini. Sie spricht von Polity, sofern die erste, von Policy, wenn die zweite und von Politics, wenn die dritte Kategorie im Blick steht.…
Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht
Für einige sind Lobbys in einer Demokratie nützlich, weil sie es erlauben, legitime Interessen aller Elemente der Gesellschaft zu vertreten, darunter auch solcher, die von den Politikern und Politikerinnen ignoriert werden. Für andere sind Lobbys eine dunkle Macht, die vielmehr mit Korruption und spezifischen wirtschaftlichen Interessen in Verbindung gebracht wird. Welche Rolle spielen Lobbys in…
Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht
Die finanziellen Mittel der Parteien unterscheiden sich stark voneinander. Laut einer, von keiner Partei widersprochenen Analyse, die das Westschweizer Magazin L’Hebdo im Frühjahr 2011 veröffentlicht hat, gab die rechtskonservative Schweizerische Volkspartei in den Jahren 2007 bis 2010 rund 35 Millionen Franken für Werbung (Inserate, Plakate) aus. Dem Freisinn standen in derselben Periode 19 Millionen, den…
Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht
Im Korruptionswahrnehmungsindex verschlechterte sich die Schweiz im Vergleich zum Vorjahr von 9 auf 8,7 Punkte, wie Transparency Schweiz zu dem am Dienstag veröffentlichten Vergleich schreibt. Dies ist der tiefste Wert seit 2003. Dennoch belegt die Schweiz in der Rangliste Platz 8. Analysiert hatte Transparency die Korruption im öffentlichen Sektor in 178 Staaten von Januar 2009…
Ihr Abonnement konnte nicht gespeichert werden. Bitte versuchen Sie es erneut.
Fast fertig... Wir müssen Ihre E-Mail-Adresse bestätigen. Um den Anmeldeprozess zu beenden, klicken Sie bitte den Link in der E-Mail an, die wir Ihnen geschickt haben.
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch