UBS-Abkommen: Zwiespältige Reaktionen in den USA
Am Donnerstag hat das Parlament grünes Licht gegeben für das UBS-Amtshilfeabkommen, das 2009 zwischen Bern und Washington vereinbart wurde. Die Reaktionen in den USA sind gemischt.
Die Administration von Obama erklärte, «sehr erleichtert» über den Entscheid der Schweiz zu sein. In einer Medienmitteilung schreibt Doug Shulman, Chef der amerikanischen Steuerbehörde (IRS), dass es die Unterstützung des Schweizer Parlaments in Bezug auf das UBS-Abkommen der «helvetischen Regierung erlauben wird, ihre Pflichten zu erfüllen».
Das Abkommen sieht vor, dass die Schweiz den USA bis zum 19. August die Namen von 4450 amerikanischen Kunden mitteilt. Diese Kunden werden des Steuerbetrugs oder der schweren Steuerhinterziehung in ihrem Land verdächtigt.
Strikte Anwendung des Gesetzes
Doug Shulman sagte, dass er von der Schweizer Regierung erwarte, dass sie schnell handle und über die amerikanischen Kontoinhaber Auskunft gebe.
Der IRS-Chef teilte weiter mit, dass die amerikanischen Behörden «auf der Grundlage dieser Auskunft sofort reagieren» und «das Gesetz strikt gegen diejenigen anwenden werden, die versucht haben, der steuerlichen Verantwortung zu entrinnen, indem sie ihr Guthaben im Ausland versteckt haben.»
Schon vor der Ratifizierung des Vertrags durch das Parlament hatte die UBS begonnen, ihre Pflicht zu erfüllen.
Im Februar hatte die weltweite Nummer zwei in der Vermögensverwaltung eine Busse von 780 Millionen Dollar bezahlt, die ihr die USA gestützt auf das Abkommen auferlegt hatte. Die UBS hatte zudem Informationen von über 285 Kunden geliefert.
Anklagen und Gefängnis
Seither sind ein Dutzend reiche amerikanische Kunden der UBS angeklagt worden. Ende April wurde einer der Kunden zu 10 Monaten Gefängnis verurteilt.
Indem das Schweizer Parlament grünes Licht zum UBS-Abkommen gegeben hat, ist eine Kontroverse beendet worden, welche die Strafverfolgung der amerikanischen Aktivitäten der UBS bedroht hatte. Zudem waren die guten Beziehungen zwischen den Regierungen in Bern und Washington durch diese Kontroverse bedroht.
Doch für einige amerikanische Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs), die auf dem Gebiet der Transparenz (auf Regierungs- aber auch auf Finanzebene) tätig sind, ist das UBS-Abkommen eine zu schwache Sanktion für die UBS.
Die NGOs betonen, dass die Geldstrafe lächerlich gering sei im Vergleich zur Summe, die auf dem Spiel stehe. Sie beklagen auch, dass das Abkommen die UBS dazu verpflichte, die Identität von nicht einmal einem Viertel ihrer amerikanischen Kunden zu enthüllen.
Keine einzige Garantie
«Das Abkommen lässt der UBS zu viel Diskretion», sagt Stephen Cohn, Direktor des «National Whistleblowers Center», gegenüber swissinfo.ch. Er verteidigt Bradley Birkenfeld, einen ehemaligen amerikanischen UBS-Angestellten, der die Affäre um die Steuerhinterziehung aufgedeckt hatte aber nun eine Strafe von 40 Monaten Gefängnis absitzen muss, weil er Kunden half, Steuern zu hinterziehen.
«Es gibt keine einzige Garantie dafür, dass die zu liefernden Namen die interessantesten oder die wichtigsten sein werden», sorgt sich Stephen Cohn. «Wer werden die 4450 Personen sein? Kunden, welche die UBS bereits verlassen haben? Oder die meist geschätzten Kunden der UBS, die noch Beziehungen pflegen mit dieser Bank?», fragt sich Cohn.
Raymond Baker, Gründer und Direktor der Nicht-Regierungsorganisation «Global Financial Integrity» mit Sitz in Washington, ist der Meinung, dass sich die USA nicht mit dem UBS-Abkommen begnügen sollten.
Steuerflucht
«Dieses Abkommen löst nur das Problem mit diesen 4450 UBS-Konten. Aber es löst nicht das Problem der Steuerflucht», erklärt Raymond Baker.
«Das Bankgeheimnis muss abgeschafft werden, weil es kein Ziel verfolgt, ausser für diejenigen, welche die Staatskasse meiden oder Einkommen aus illegalen Aktivitäten vertuschen wollen», sagt Baker. «Das Haupthindernis für ein Ende des Bankgeheimnisses sind einige Steinreiche, die ihre Konten verstecken wollen und viel Macht und Einfluss haben.»
Für Stephen Cohn vom «National Whistleblowers Center» zeigt das UBS-Abkommen, dass die amerikanische Regierung eine historische Gelegenheit verpasst hat, das Bankgeheimnis zu zerschlagen.
Eine verpasste Chance
«Die Steuerhinterziehung bei der UBS war die schlimmste in der Geschichte der USA. Sie hätte einen Wendepunkt im internationalen Bankgeheimnis werden müssen. Aber stattdessen ist es ein Rückschlag für die Transparenz. Denn die Nachricht, die durch das UBS-Abkommen vermittelt wird, ist: Wenn Banken betrügen, werden sie nicht mehr als sanft gerügt», beklagt sich Cohn.
Das amerikanische Ministerium für Wirtschaft und Finanzen hat swissinfo.ch bei der Anfrage für eine Stellungnahme auf die Steuerbehörde verwiesen, die jedoch ein Interview abgelehnt hat. Das Justizministerium hat auf eine Interviewanfrage bis zur Publikation dieses Artikels nicht geantwortet.
In seiner Mitteilung bekräftigt allerdings der IRS-Chef Doug Shulman, dass «die Administration Obama sehr engagiert ist in der Abschreckung der Steuerflucht ins Ausland. Auch für die IRS wird das weiterhin eine Hauptaufgabe sein.»
Ausserdem hat in der Vergangenheit das Ministerium für Wirtschaft und Finanzen unterstrichen, dass die 4450 Konten, die vom UBS-Abkommen betroffen sind, den grössten Teil des amerikanischen Guthabens ausmachten, die auf betrügerische Art und Weise in dieser Bank angelegt seien.
Marie-Christine Bonzom, Washington, swissinfo.ch
(Übertragung aus dem Französischen: Sandra Grizelj)
Die US-Steuerbehörde IRS erklärte Anfang April, man zähle darauf, dass die Schweiz die Umsetzung des Vertrages, 4450 UBS-Kontendaten über ein Amtshilfeverfahren an die USA auszuhändigen, einhalte. Andernfalls stehe den US-Behörden weiter der Rechtsweg offen.
Insgesamt umfasst die Zusammenstellung der IRS 17 juristische Schritte und reicht zurück bis Dezember 2007, als sich der russisch-amerikanische Milliardär Igor Olenicoff als erster schuldig bekannte, über UBS-Konten Gelder am Fiskus vorbeigeschleust zu haben. Olenicoff bezahlte saftige Bussgelder und verklagte dann seinerseits die Bank.
Auf die Spur Olenicoffs kam die IRS durch den ehemaligen UBS-Banker Bradley Birkenfeld, der den Steuerbehörden die unlauteren Geschäfte der Bank offenlegte, seine Rolle dabei aber vertuschte und deshalb nun eine 40-monatige Haftstrafe absitzt.
Im Juni 2008 reichte das Justizdepartement vor Gericht in Florida den sogenannten John Doe Summons ein – die Forderung, von der Bank Auskunft über bis zu 52’000 UBS-Konten zu erhalten.
Im November 2008 wurde der UBS-Spitzenmanager Raoul Weil angezeigt. Er soll sich mit anderen Managern und wohlhabenden Kunden zum Betrug an den USA verschworen haben.
Im August 2009 unterzeichnete der Bundesrat das Abkommen mit den USA, das den Streit beilegen sollte. Statt Einsicht in alle 52’000 fraglichen UBS-Konten zu gewähren, sollte die Schweiz den Amerikanern 4450 Daten der Hauptverdächtigen US-Steuerpflichtigen mit UBS-Konten überreichen.
Den Anzeigen gegen Amerikaner mit UBS-Konten, die sich dem Fiskus entziehen, hat das Abkommen indes keinen Abbruch getan.
Im Januar 2010 erklärte das Schweizerische Bundesverwaltungsgericht die Herausgabe von Kontendaten amerikanischer UBS-Kunden an die USA für illegal.
Nach langem Hin und Her stimmte das Schweizer Parlament in der Sommersession im Juni 2010 dem Staatsvertrag zu, ohne diesen einer fakultativen Volksabstimmung zu unterstellen.
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