Ueli Maurer, vom SVP-Soldaten zum Staatsmann
Der Ex-Präsident der Schweizerischen Volkspartei (SVP), der Zürcher Ueli Maurer, ist neues Mitglied der Regierung. Er wurde im dritten Wahlgang mit 122 Stimmen gewählt. Der frisch gewählte Bundesrat ist nach eigenen Angaben bereit zur Versöhnung und zur Zusammenarbeit im Kollegium.
Obwohl er in der Vergangenheit immer wieder klar sagte, er sei nicht an einem Ministerposten interessiert, ist Ueli Maurer nun eines der sieben Mitglieder der Eidgenössischen Exekutive. Dieser Kurswechsel ist mit seiner absoluten Parteiloyalität zu erklären.
Wenn die SVP entscheide, wieder in die Landesregierung einzutreten, sei er bereit, diese Aufgabe zu erfüllen, hatte Maurer Ende November in einem Interview mit dem Tages-Anzeiger erklärt.
Das Jahr vor seiner Wahl in die Landesregierung wurde für den Zürcher Politiker von wichtigen Änderungen geprägt. So gab Ueli Maurer das Amt des SVP-Parteipräsidenten ab, um als Kommunikationsberater wirken zu können und als Nationalrat.
Ein paar Monate später erklärte er sich aus Parteiloyalität bereit, die Führung der kantonalzürcherischen SVP zu übernehmen.
Unermüdlich
Wer Maurer näher kennt, bestätigt, dass der gelernte Kaufmann und Buchhalter ein Arbeitstier ist, vor allem auch für seine Partei. In den Jahren, als er Präsident der SVP Schweiz war, von 1996 bis 2007, stieg deren Wähleranteil von 14,9% auf 29%. Damals konzentrierte sich Maurer voll auf die Entwicklung der SVP.
Mit seinen vielen Reisen im ganzen Land ebnete Maurer auch in der französischsprachigen Schweiz das Terrain für die von der Zürcher Kantonalsektion dominierte Partei, die vor allem durch ihre Führerfigur Christoph Blocher geprägt wurde. Unter Maurers Präsidentschaft wurden 12 neue kantonale Parteien gegründet sowie 600 lokale Sektionen.
In dieser Zeit steckte Maurer viel Energie in die Ausbildung der SVP-Mitglieder. In Spezialkursen wurden die Parteiexponenten geschult, die Parteianliegen der Wählerschaft mit einfachen, direkten und zentralen Botschaften zu vermitteln.
In Blochers Schatten
Maurer wurde oft als Befehlsempfänger von Christoph Blocher belächelt. Er erhielt sogar den Spitznamen «Ueli der Knecht» oder wurde als Klon des charismatischen Zürcher Volkstribunen bezeichnet.
In einem Interview sprach Maurer kürzlich von einer Arbeitsteilung mit Blocher. Dieser hätte sich als Stratege um die wichtigsten politischen Fragen gekümmert, während es seine, Maurers, Rolle gewesen sei, die nötige Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf diese Themen zu lenken.
In diesem Zusammenhang hat Maurer auch die «Schwarzen Schafe-Plakate» ausgewählt und für den Wahlkampf 2007 eines mit einem schwarzen Mann mit einem blutigen Messer.
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Zauberformel
Bereit zur Zusammenarbeit
Gemäss dem Präsidenten der Christlichdemokratischen Volkspartei (CVP) gibt es zwei Ueli Maurer: «Einer ist ein pragmatischer Charakter, intelligent, sympathisch, mit dem wir ruhig diskutieren können. Aber es gibt auch einen anderen, harten dogmatischen, der nur die Interessen der Partei im Visier hat.»
Maurer hat sich oft hart bis despektierlich über Parteikolleginnen und –kollegen geäussert, wenn diese von der offiziellen Parteirichtung abwichen. So bezeichnete er den damals noch der SVP angehörenden Bundesrat Samuel Schmid und die für Christoph Blocher in die Landesregierung gewählte Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf als «Blinddärme, die entfernt werden müssten».
Als Reaktion auf die Nicht-Wiederwahl von Christoph Blocher in die Regierung beschloss die SVP, ihre beiden Vertreter im Bundesrat nicht mehr als Parteimitglieder anzuerkennen. Nach der Weigerung von Widmer-Schlumpf, aus der Partei auszutreten, schloss die SVP die gesamte Bündner Kantonalpartei aus.
Aus der so entstandenen Dissidentengruppe entstand 2008 die Bürgerlich Demokratische Partei (BDP), der sich Samuel Schmid und Eveline Widmer-Schlumpf anschlossen.
Vor seiner Wahl zum Bundesrat erklärte Maurer, er sei bereit, zum Wohle des Landes mit der abtrünnigen Eveline Widmer-Schlumpf zusammenzuarbeiten, auch wenn dies im Widerspruch zu den offiziellen Positionen seiner Partei stehe. «Die Kollegialität ist kein Problem, sie ist ein Teil des politischen Systems. Ich bin bereit zu einer konstruktiven Zusammenarbeit mit Eveline Widmer-Schlumpf im Bereich der Auslandeinsätze der Schweizer Armee und dem Freien Personenverkehr.
Mehr Couscous als Raclette
Der verheiratete Bauernsohn verbringt seine knappe Freizeit gerne mit seinen sechs Kindern. Ueli Maurer ist ein Patriot. Er verbringt seine Ferien ausschliesslich in der Schweiz. Eines seiner Lieblingsbücher ist Johanna Spyris «Heidi», und zu seinen musikalischen Favoriten gehört die Schweizer Landeshymne.
Der neue Minister lehnt es kategorisch ab, als «rassistisch» bezeichnet zu werden. «In unserer Partei gibt es keinen Platz für Extremisten. Meine Frau wurde in Ghana geboren und ist auch dort aufgewachsen. Wir haben viele dunkelhäutige Freunde, und in unserem Haus wird mehr Couscous als Raclette gegessen.»
Wer in der Politik keine starken Worte verwendet, hat keine Chance, Aufmerksamkeit zu erregen. «Wenn ich sage, die Kriminalität sei auf dem Vormarsch, ruft das bei den Journalisten bloss ein Gähnen hervor. Wenn ich aber sage, die Ausländerkriminalität sei auf dem Vormarsch, werde ich plötzlich gehört.»
swissinfo, Andrea Clementi
(Übertragung aus dem Italienischen: Etienne Strebel)
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Kollegialität
Ueli Maurer ist am 1. Dezember 1950 in Wetzikon, Kanton Zürich, geboren. Nach der kaufmännischen Lehre erwirbt er das Buchhalter-Diplom und wird Chef der Landwirtschaftskooperative Hinwil-Bauma. 1994 wird Maurer zum Direktor des Zürcher Bauernverbandes ernannt.
Maurers politische Karriere beginnt 1978, als Gemeinderat von Hinwil (ZH). 1983 wird er ins Zürcher Kantonsparlament gewählt, dessen Präsident er 1990/1991 ist. 1991 wird Maurer in den Nationalrat, die grosse Kammer des Schweizer Parlaments, gewählt. 1996 wird er Präsident der Schweizerischen Volkspartei (SVP).
In seiner Politkarriere erleidet Maurer auch Niederlagen: 1991 wird er nicht in die Zürcher Kantonsregierung gewählt, sondern der heutige sozialdemokratische Bundesrat Moritz Leuenberger. 2007 wird Maurer von der grün-liberalen Verena Diener im Wahlkampf für den Ständerat, die kleine Kammer des Schweizer Parlamentes, geschlagen.
2008 tritt Maurer als Präsident der SVP Schweiz zurück. Überraschend wird er Präsident der SVP des Kantons Zürich.
Maurer ist Major in der Schweizer Armee. Er ist verheiratet und Vater von sechs Kindern.
Die Schweizerische Volkspartei politisiert im rechten Bereich der Schweizerischen Parteienlandschaft. Die 1971 gegründete SVP ging aus der Bauern, Gewerbe- und Bürgerpartei (BGB) hervor. Seit Anfang der 90er-Jahre ist die SVP stark gewachsen und inzwischen zur wählerstärksten Partei avanciert.
Die Hauptanliegen der Partei: Strikte Neutralität der Schweiz, kleinere Präsenz des Staates, Verschärfung des Ausländer- und Asylrechts, Verteidigung des Finanzplatzes Schweiz und des Bankgeheimnisses, Ablehnung eines Beitritts zur Europäischen Union.
2003 hat die SVP ihren zweiten Sitz im Bundesrat mit Christoph Blocher besetzt. Dieser wurde 2007 vom Parlament nicht mehr im Amt bestätigt. Statt dessen wurde seine Bündner Parteikollegin Eveline Widmer-Schlumpf gewählt. Sie wurde darauf von der SVP aus der Partei ausgeschlossen.
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