Umstrittene Fingerabdrücke auf E-Pässen
Überwachungsstaat, vorauseilender Gehorsam vor allem gegenüber den USA, oder: mehr Sicherheit und Garantie für unbeschwertes Reisen? – Die Einführung von biometrischen Pässen ist umstritten. Am 17. Mai entscheidet das Stimmvolk an der Urne.
Die Schweiz will künftig ausschliesslich Pässe mit biometrischen Daten ausstellen. Das heisst: Der Reisepass soll neben den bisher üblichen Angaben zusätzlich einen elektronischen Speicher mit den Fingerabdrücken und dem Gesichtsbild enthalten.
Diese biometrischen Daten sollen in der seit 2003 bestehenden zentralen Datenbank des Bundesamtes für Polizei gespeichert werden. Bisher wurden dort lediglich die Personalien erfasst. Künftig sollen das Gesichtsbild und die Fingerabdrücke ebenfalls zentral gespeichert werden.
So hat es das Parlament im Sommer 2008 beschlossen. Gegen diesen Beschluss hat ein Komitee aus unterschiedlichen politischen Lagern erfolgreich das Referendum ergriffen.
Der Widerstand kommt von Seiten der Linken und der Grünen. Am Referendum haben sich aber auch die Junge Schweizerische Volkspartei sowie einzelne Mitglieder anderer Rechts-Parteien beteiligt.
Die biometrischen Pässe seien der Schweiz von der EU und den USA aufgezwungen worden, kritisiert die EU-kritische Rechte und bemängelt, die Schweiz zeige sich in dieser Frage zuwenig souverän.
Fichenaffäre lässt grüssen
Die «zwangsweise Einführung» von E-Pässen sei eine «typische Vorlage eines sich neu entfaltenden Überwachungsstaates mit internationaler Dimension», kritisiert der Grüne Nationalrat Daniel Vischer.
Sie sei einverstanden mit biometrischen Daten auf den Pässen, nuanciert die sozialdemokratische Nationalrätin Maria Roth-Bernasconi, «aber ich bin gegen ein zentrales Register. Ich befürchte, dass wir dann fichiert werden und, dass man – wie bei der Fichenaffäre – unbequeme Leute in einer zentralen Datenbank erfasst.
Im Namen der Regierung argumentiert Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf, die umstrittene Datenbank sei seit 2003 im Ausweisgesetz verankert. «Der Zugriff auf sie ist streng geregelt. Das Gesetz erlaubt ihn nur Schweizer Behörden. Für Fahndungszwecke darf die Datenbank weder im In- noch im Ausland genutzt werden.»
Der Chip mit den biometrischen Daten trage zur Sicherheit und zum Schutz vor Missbrauch und Fälschung des Passes bei, so Widmer-Schlumpf.
Die Datenbank, das moderne Mittel
Für den freisinnigen Nationalrat Pierre Triponez sind biometrische Pässe eine Voraussetzung «für eine möglichst einfache Reisetätigkeit». Die zentrale Datenbank sei bei der Grenzkontrolle ein «modernes Mittel, um rasch Zugriff auf Daten zu haben, die man sonst in Büchern oder auf handgeschriebenen Listen nachlesen muss».
Mit der Einführung biometrischer Pässe und einer zentralen Datenbank gehe die Schweiz weit über die Forderung der USA und vor allem der EU hinaus, argumentieren die Gegner.
«Einmal mehr handelt mithin die Schweiz in vorauseilendem Gehorsam, gewissermassen als Musterschüler des modernen Polizei- und Überwachungsstaates», sagt Daniel Vischer und weist darauf hin, dass ausser Frankreich kein europäisches Land bisher eine zentrale Datenbank eingeführt habe.
Die Folgen eines Neins
Uneinig sind sich Gegner und Befürworter auch in der Frage, welche Folgen ein Nein am 17. Mai hätten. Im Schengen-Abkommen mit der EU habe sich die Schweiz verpflichtet, in Zukunft nur noch biometrische Pässe auszustellen, argumentieren die Befürworter.
Wenn die Schweiz die biometrischen Pässe ablehnte, müsste sie sich innert 90 Tagen mit der EU auf eine neue Lösung einigen, «sonst treten die Abkommen von Schengen und Dublin ausser Kraft», sagt die Justizministerin.
Für die Gegnerin Maria Roth-Bernasconi ist das kein Problem: «In diesem Fall müsste die Regierung nach der Abstimmung dem Parlament eine neue Vorlage unterbreiten, ohne zentrale Datenbank. Eine solche ist im Schengen-Abkommen nicht vorgesehen. Ich habe den Eindruck, hier hat der Bundesrat vor allem dem Druck der USA nachgegeben.»
Biometrische Pässe seien eine Voraussetzung, dass Schweizerinnen und Schweizer «weiterhin ohne Visum in die USA reisen können», sagt Widmer-Schlumpf und fügt an: «Führt die Schweiz den E-Pass nicht ein, müssen alle Schweizer für Reisen in die USA wieder ein Visum haben.
Die Gegner argumentieren, wer für weniger als 90 Tage in die USA reisen wolle, brauche weder Visum, noch E-Pass, sondern lediglich eine elektronische Reisegenehmigung.
swissinfo, Andreas Keiser
Seit dem 25. Oktober 2006 verlangen die USA, dass nach diesem ausgestellte Pässe biometrische Daten aufweisen. Ansonsten verlangen sie für die Einreise ein Visum.
Eingeführt werden sollen die biometrischen Pässe definitiv ab dem 1. Mai 2010.
Die Identitätskarte wird noch nicht angepasst. Ob es dereinst eine Identitätskarte mit Chip gibt oder nicht, ist noch offen.
Der E-Pass wird für Erwachsene 140 Franken, für Kinder und Jugendliche 60 Franken kosten. Das Kombiangebot für Pass und Identitätskarte kommt auf 148 beziehungsweise 68 Fr. zu stehen.
Die aktuellen Pässe behalten ihre Gültigkeit bis zum Ende ihrer Laufzeit.
Seit September 2006 führt die Schweiz einen Versuch mit biometrischen Pässen durch.
Auf diesen Pässen sind die Personalien und das Passfoto auf einem Chip digital gespeichert.
Das Pilotprojekt ist bis 2011 befristet. Die gesammelten Erfahrungen sollen bei der definitiven Einführung der E-Pässe berücksichtigt werden.
Die Idee eines biometrischen Passes wurde nach den Anschlägen vom 11. September 2001 von den USA lanciert.
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