Umstrittene Idee einer ökologischen Steuerreform
Eine Idee am weiten Horizont der noch unklaren Energiezukunft. Ein "Papiertiger", eine realitätsferne Idee jenseits des politisch Machbaren: Die Schweizer Presse beurteilt die vom Bundesrat angestrebte ökologische Steuerreform kritisch.
Statt Einkommen und damit Arbeit, den Ressourcen-, also den Energieverbrauch besteuern: Daraus besteht in groben Zügen die Idee einer ökologischen Steuerreform.
Schon einige Male war die Reform Thema im Parlament. Und schon einige Male verschwand sie wegen zu grossem Widerstand der bürgerlichen Parlaments-Mehrheit in der Schublade.
Nun hat sie der Bundesrat im Rahmen seiner grundsätzlichen Überlegungen zur Frage, mit welchen Technologien und Mitteln der Ausstieg aus der Atomenergie konkret bewältigt werden soll und kann, wieder aus der Schublade geholt.
Ewiger Papiertiger?
Konkret hat der Bundesrat Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf den Auftrag erteilt, in Zusammenarbeit mit andern Departementen die Machbarkeit einer ökologischen Steuerreform vertieft zu prüfen. Damit habe er den von Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf vor einem halben Jahr angekündeten «kühnen Plan zu einem blossen Planungsauftrag zurückgestutzt», schreibt die Südostschweiz.
«Offen bleibt damit, ob der Bundesrat eine Energieabgabe oder eine Ökosteuer überhaupt wünscht, wie hoch eine allfällige Abgabe ausfallen soll und welche Energieträger darunter fallen. Ebenfalls unentschieden ist, was mit dem Ertrag aus einer allfälligen Abgabe geschehen soll», so die Südostschweiz.
Eveline Widmer-Schlumpf wolle die Lenkungsabgabe mit der Senkung anderer Steuern verknüpfen und biete damit eine zusätzliche Angriffsfläche, denn «über die Frage, welche Steuern gesenkt werden sollen, lässt sich streiten», so das Blatt: «Widmer-Schlumpf riskiert damit, dass die ökologische Steuerreform ewig ein Papiertiger bleibt. Und der eignet sich nicht einmal als Bettvorleger.»
Dauerwahlkampf
Eveline Widmer-Schlumpf, «Bundesrätin im Dauerwahlkampf, dürfte sich gestern nochmals einige wichtige Stimmen aus dem links-grünen Lager gesichert haben», schreibt die Basler Zeitung mit Blick auf die Bundesratswahlen vom 14. Dezember.
«Jahrelange Grabenkämpfe zwischen den Parteien» seien programmiert, denn die Mutterparteien hätten zwar dem Atomausstieg zugestimmt, aber auch klar gemacht, dass dieser ohne zusätzliche Subventionen oder Lenkungsabgaben erfolgen soll. «Genau letztere sind aber zentraler Bestandteil jeder ökologischen Steuerreform», so die Basler Zeitung.
Pendler und die Transportkosten
Skeptisch beurteilt auch der Genfer Le Temps eine ökologische Steuerreform und erinnert an die «zahlreichen» gegnerischen Lobbyorganisationen und Partikulär-Interessen: «Konkret werden sich die Pendler gegen höhere Transportkosten wehren. Betriebe, die ihren Energieverbrauch kaum reduzieren können und einer internationalen Konkurrenz ohne Energiesteuer gegenüberstehen, werden sich benachteiligt vorkommen.»
Die Bürgerinnen und Bürger seien sich der ökologischen Schäden bewusst, so Le Temps, «aber sind nicht bereit einzugestehen, dass die Verhinderung der Schäden auch mit realen Kosten verbunden ist». Zudem seien sie «auf der Hut vor zusätzlichen Abgaben, die als Steuern empfunden werden und das an sich schon fragile Wachstum beinträchtigen könnten».
Keine Marktwirtschaft
Die Neue Zürcher Zeitung beurteilt das Projekt grundsätzlich positiv und räumt ein, seine «Lenkungswirkung wäre im Prinzip am effizientesten, weil nicht der Staat zum Voraus festlegt, was technisch richtig oder falsch ist, und weil es keine Streuverluste und Mitnahmeeffekte gäbe».
Wundern dürfe man sich nicht, dass der Staat nicht bereit sei, auf Stempelabgaben auf Wertschriften, Versicherungen und Börsengeschäften zu verzichten: «Es sind die gleichen Parlamentarier, die einerseits alle Stempelabgaben abschaffen wollen und andererseits Mehrausgaben für eine grössere Armee, neue Kampfjets, Strassen, Schienen, Landwirtschaft, Bildung und Forschung begehren.»
Die NZZ erinnert auch daran, dass der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse bis jetzt konsequent jeden Ansatz von ökologischer Steuerreform bekämpfte und «jüngst nur schon die Möglichkeit einer Ausweitung der CO2-Abgabe auf Treibstoffe mit Referendums-Drohungen zu Fall brachte. Solange marktwirtschaftliche Ansätze von dieser Seite verhindert werden, darf man sich nicht wundern, wenn der Bundesrat den Ausweg in staatlichen Eingriffen sucht».
Die Schweizer Regierung hat Weichen für die Energiestrategie 2050 gestellt, mit welcher der Atomausstieg umgesetzt werden soll.
Die Ziele will er in erster Linie mit bestehenden Fördermassnahmen erreichen.
Als Mittel für die Energiewende prüft er aber auch eine ökologische Steuerreform.
Der Verbrauch von natürlichen Ressourcen – insbesondere von Energie – soll steuerlich stärker belastet, Arbeit sowie Investitionen dagegen sollen entlastet werden.
Dabei würden die externen Kosten des Energieverbrauchs, die heute der Gesellschaft im Allgemeinen aufgebürdet werden – etwa Co2- Emissionen, Umweltverschmutzung oder ungedeckte Unfallrisiken -, durch steuerliche Massnahmen auf den Energiepreis aufgeschlagen.
Die steuerliche Belastung soll insgesamt nicht höher werden.
Die Regierung kann sich zwei Systeme vorstellen: Im einen würden die Erträge aus der ökologischen Steuerreform durch eine Senkung von anderen Steuern und Abgaben kompensiert. Im anderen Modell würden sie direkt an die Haushalte und die Unternehmen zurückbezahlt.
In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch