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Unabhängigkeit ist kein Grund für Rückkehr

Warten auf den Bus und auf bessere Zeiten im Kosovo. (VISUM)

Vergangenen Februar hat sich der Kosovo, bislang Teil Sebiens, unabhängig erklärt. Die Zahl der Rückkehrwilligen aus der Schweiz hat trotzdem nicht zugenommen.

Wie vor der Unabhängigkeitserklärung ersuchen monatlich zwischen 20 und 40 Personen um Rückkehrhilfe nach Serbien oder Kosovo, erklärte Eric Kaser, Chef der Sektion Rückkehrhilfe beim Bundesamt für Migration (BFM).

Wie Jonas Montani, Chef Information und Kommunikation im BFM gegenüber swissinfo ausführte, reisen jeden Monat rund 20 Personen mit Rückkehrhilfe aus, zwei Drittel von ihnen, mehrheitlich Albaner, in den Kosovo.

Laut BFM kehren insbesondere ältere Menschen in die ehemalige serbische Provinz zurück, solche, die in den Genuss von speziellen Rückkehr-Programmen kommen, aber auch Jugendliche.

Bei den Rückkehrern nach Serbien handelt es sich primär um Angehörige der Roma-Minderheit.

«Eine Statistik nach Ethnie ist nicht greifbar», so Montani. Auch wenn sich der Kosovo zum unabhängigen Staat erklärt hat und von der Schweiz auch als solcher anerkannt wird, werden Staatsangehörige aus Serbien und Kosovo in den BFM-Statistiken noch nicht separat erfasst, obwohl seit Ende Juli 2008 kosovarische Pässe erhältlich sind.

«Diese Dokumente werden bis auf weiteres ausschliesslich in Pristina ausgestellt, da Kosovo im Ausland über keine dipolomatischen Vertretungen verfügt», erklärt der BFM-Informationschef.

Stagnierende Wirtschaft

Das Schweizer Aussenministerium (EDA) hatte auch keine besonderen Auswirkungen der Unabhängigkeitserklärung auf die Migration erwartet. Die Wirtschaft in der Region habe seither keine wahrnehmbaren Veränderungen zu verzeichnen, weder bei den Investitionen noch beim Arbeitsplatzangebot, hiess es im EDA.

Diese Stagnation – «die Hauptsorge der Bevölkerung» – sei nicht überraschend. «Alle wussten, dass die Herausforderungen im Kosovo zahlreich und anspruchsvoll sind und das Unterfangen viel Zeit in Anspruch nehmen wird», so das EDA.

Neben der schlechten Wirtschaftslage dürfe nicht vergessen werden, dass die grosse Mehrheit der in der Schweiz lebenden Menschen aus dieser Region seit langer Zeit hier gut integriert seien. «Deshalb gibt es auf den ersten Blick keinen Grund, mit ihrer Rückkehr zu rechnen», verlautete weiter.

Stabile Asylzahlen

Mehr oder weniger unverändert geblieben ist auch die Zahl der Asylgesuche, die aus dieser Region in der Schweiz gestellt wurden: In der BFM-Statistik werden pro Monat einige Dutzend Fälle von Personen aus Serbien und Kosovo registriert.

«Bisher haben sich die Gesuche über alles gesehen etwa hälftig auf Serbien und Kosovo verteilt», erklärt Monani, wobei jene aus dem Kosovo etwa zu gleichen Teilen auf Albaner und die Minderheiten der Roma, Ashkali und Ägypter entfielen. Bei den Gesuchen aus Serbien stammte der grösste Anteil von Roma-Angehörigen.

Hilfe für den jungen Staat

Die Schweiz stellt dem neuen Kleinstaat auf dem Balkan für die Jahre 2008 bis 2011 gut 75 Millionen Franken zur Verfügung. Damit soll die Wirtschaft angekurbelt und für die Bevölkerung attraktiver werden.

An einer Geberkonferenz anfangs Juli 2008 in Brüssel waren von der internationalen Gemeinschaft insgesamt eine Milliarde Euro in Aussicht gestellt worden.

Die Schweiz und die anderen Geberländer verknüpfen mit ihrem finanziellen Engagement bestimmte Erwartungen, so zum Beispiel institutionelle Reformen, eine gute Staatsführung sowie eine Beteiligung der Minderheiten an der Bildung eines multiethnischen Staates.

«Eine sehr klare Botschaft an die kosovarischen Behörden», betont das EDA. Die bisher im Kosovo getroffenen Massnahmen seien ermutigend, aber die Frist seit der Geberkonferenz sei zu kurz, um wirklich aussagekräftig zu sein.

Auch im Bereich der Migration wurde die Zusammenarbeit verstärkt: So wurden für die Periode 2007 bis 2009 Projekte zur Unterstützung von Minderheiten und für die Wiedereingliederung von Rückkehrern lanciert.

swissinfo, Gaby Ochsenbein und Emanuelle Clerc, sda

Bevölkerung: 2,1 Mio. (gemäss Schätzung von 2007).
Fläche: 10’887 km2 (Schweiz: 41’285 km2).
Offizielle Sprachen: Albanisch und Serbisch.
Ethnische Gruppen: 92% Albaner, 5% Serben, 3% andere (Roma, Sinti, Ashkali, Ägypter).
In der Schweiz leben zwischen 170’000 und 190’000 Kosovarinnen und Kosovaren. Das entspricht rund 10% der Bevölkerungszahl im Kosovo.

Erwachsene erhalten von der Schweiz 1000 Franken, Kinder die Hälfte. Dazu kommt ein individueller Zusatz von bis zu 3000 Franken für die Umsetzung eines beruflichen oder gesellschaftlichen Eingliederungs-Projekts.

Vor der Abreise erhalten die Heimkehrer in den Kantonen Hilfe bei den Vorbereitungen der Rückkehr.

Vor Ort werden sie dann von der Internationalen Organisation für Migration (IOM) betreut.

Die Leistungen für ethnische Minderheiten (Roma, Serben u.a.) sowie für alleinerziehende Mütter oder alte Menschen werden von Fall zu Fall bestimmt.

Am 17. Februar 2008 hat die ehemalige Serbenprovinz Kosovo ihre Unabhängigkeit erklärt.

Die Schweizer Regierung hat den Kosovo am 27. Februar 2008 als eines der ersten Länder als unabhängigen Staat anerkannt.

Seit dem 29. Juli 2008 sind kosovarische Reisepässe erhältlich. Sie erfüllen die Anforderungen der Schweiz und werden anerkannt.

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