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UNO nimmt «Ogi-Resolution» an

Lichtblick: Liberianische Jungen spielen Fussball in der kriegsversehrten Hauptstadt Monrovia. Keystone

2005 als Jahr des Sports: Die UNO-Generalversammlung hat am Montag eine entsprechende Resolution angenommen.

Der Initiator der Resolution, alt Bundesrat Adolf Ogi, Sport-Sondergesandter von UNO-Generalsekretär Kofi Annan, erzählt swissinfo von seinem Engagement.

Der Schweizer UNO-Botschafter Jenö Staehelin unterstützte die Vorlage. «Wenn die Bevölkerung sich physisch mehr betätigen würde, wäre die Welt nicht nur in einer besseren gesundheitlichen Verfassung, sondern sie wäre auch ein friedlicherer Ort», sagte Staehelin in seiner Rede vor der Generalversammlung.

Kopf und treibende Kraft der Resolution war alt Bundesrat Adolf Ogi, UNO-Sonderberater für Sport im Dienst von Entwicklung und Friedensförderung.

Mit Sport soll das UNO-Millenniums-Programm unterstützt werden, dessen Ziel es auch ist, die weltweite Armut bis zum Jahr 2015 zu halbieren.

Die Schweiz unterstützte die Resolution als Co-Sponsorin. In ihren Schwerpunkt-Entwicklungshilfe-Ländern betreibt sie Sportförderung. Ein Prozent des Budgets der Kooperationsbüros der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) ist für die Kultur bestimmt. Dazu gehören auch Sportprojekte.

swissinfo: Welche Punkte sind Ihnen bei der Sport-Resolution am wichtigsten?

Adolf Ogi: Alle tragen sie dazu bei, eine gesündere, gerechtere, insgesamt bessere Welt zu schaffen. Es ist wie bei einem Mosaik, es braucht jedes Teil an seinem Platz, um das Bild ganz zu machen.

«Sport ist ein Menschenrecht» – wie wollen Sie dieses Postulat durchsetzen?

Adolf Ogi: Ich selber habe nicht die Kraft, so etwas durchzusetzen. Kein einziger Mensch könnte dies alleine tun. Damit solch ein Grundsatz weltweit anerkannt wird, braucht es eben eine Resolution, durch die sich alle Mitgliedstaaten der UNO verpflichten, ihre Kinder spielen und Sport treiben zu lassen.

Damit verpflichten sie sich auch, die nötigen Mittel dafür einzusetzen, zum Beispiel durch in den Schulplan integrierte Sportstunden und dem dazugehörigen Material. Denn man muss sich bewusst sein, dass eine grosse Zahl von Familien zu arm sind, um für ihre Kinder einen Ball zu kaufen.

Zudem wird in Drittweltländern in solchen Armuts-Situationen Spiel oft als Luxus betrachtet, und die Familie lebt teils von Kinderarbeit. Auch dieses Problem wird durch das Recht der Kinder auf unbeschwerte, physische Betätigung angegangen.

Wie kann der Sport mithelfen, die Armut bis zum Jahr 2015 zu halbieren ?

Adolf Ogi: Dazu möchte ich Ihnen ein kleines Beispiel aus der Schweiz geben, das scheint mir aussagekräftiger als jede Theorie. Es ist ein Projekt, das ich gut kenne, denn ich habe zu seiner Lancierung beigetragen.

Sport heisst auch Wirtschaft. Die pakistanische Stadt Sialkot ist bekannt unter anderem für ihre Sportartikel-Industrie, die einige tausend Arbeiter beschäftigt. In Zusammenarbeit mit Claro Fair Trade lässt die Organisation Helvetas dort in kleinen, überwachten Nähwerkstätten handgenähte Fussbälle herstellen. Dies ohne Kinderarbeit und zu fairen Löhnen, die es einer Familie ermöglichen, mit dem Lohn der Erwachsenen zu leben.

Zudem kommen die Arbeiter auch in den Genuss von wenigstens einem Minimalstandard an sozialer Absicherung. Die Kinder dieser Eltern können somit zur Schule gehen, und sich das Wissen aneignen, das ihnen als Erwachsene wiederum ein existenzsicherndes Einkommen garantieren wird. Deren Kinder werden dadurch ebenfalls zur Schule gehen können und so weiter.

Und wenn Sie oder ein Mitglied Ihrer Familie einmal Fussbälle brauchen und sich dabei an die Claro/Helvetas-Initiative erinnern, dann beweisen Sie sportlich, dass der Sport mithelfen kann, die Armut zu bekämpfen.

Wie werden Sie in Ihrer Arbeit durch die Schweiz unterstützt ?

Adolf Ogi: Der Bundesrat unterstützt mich mit einem jährlichen Budget von 370’000 Franken, worin die Saläre meines Mitarbeiters und meiner Sekretärin, die Reisekosten und die laufenden, administrativen Auslagen inbegriffen sind.
Die UNO stellt mir gratis Büroräumlichkeiten im Palais des Nations in Genf und die Infrastruktur zur Verfügung.

Ich selbst arbeite aus Überzeugung, und werde dafür von UNO-Generalsekretär Kofi Annan mit einem symbolischen Dollar pro Jahr belohnt. Unsere Arbeit ist eben «Netzwerken» und nicht Projekte organisieren, somit reicht das Budget.

90% Ihrer Arbeitszeit verwenden Sie nach eigenen Angaben für Ihre Arbeit für die UNO. Womit verbringen Sie am meisten Zeit ?

Adolf Ogi: Am meisten Zeit verbringe ich mit Reisen, um Leute zu treffen, mit ihnen zu sprechen, und Projekte zu lancieren. Denn wie ein Wanderprediger muss ich immer wieder und überall erklären, dass gut geplante, sportbezogene Initiativen praktische und kostensparende Mittel sind, um ans Ziel eines entwicklungs – oder friedensfördernden Projektes zu gelangen.

So kommen bei einer Impfkampagne in Afrika die Kinder von weit her, um sich impfen zu lassen – falls sie anschliessend dafür Fussball oder ein anderes Spiel spielen dürfen.

Auch ein cleaner Sportler wie Zidane, der sagt wie schädlich Drogen sind, findet bei den Jugendlichen viel besser Gehör als irgend ein Arzt oder Politiker.

swissinfo-Interview: Etienne Strebel

Adolf Ogi wurde am 18. Juli 1942 in Kandersteg (BE) geboren.
Er ist verheiratet und Vater von zwei Kindern.
1964 trat er in den Dienst des Schweizerischen Skiverbandes (SSV).
1969 bis 1974 Technischer Direktor SSV.
1971 bis 1983: Vizepräsident des Welt- und Europakomitees der Fédération internationale de ski (FIS)
1981: Generaldirektor und Mitglied des Verwaltungsrates der Intersport Schweiz Holding AG
1979 Wahl in den Nationalrat für die Schweizerische Volkspartei SVP.
9. Dezember 1987 bis Ende 2000: Bundesrat
1993 und 2000: Bundespräsident
2001: Ernennung zum Sondergesandten für Sport von UNO-Generalsekretär Kofi Annan.
2003: Bundesrat ernennt Adolf Ogi zum Sonderbeauftragten für die Vorbereitung des UNO-Weltgipfels über die Informationsgesellschaft.

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