UNO vor Scherbenhaufen, Schweiz im Regen
Die Schweizer Presse verurteilt einhellig die voraussehbare Hetzrede des iranischen Präsidenten gegen Israel. Kritik einstecken muss auch die Schweiz wegen des Treffens von Bundespräsident Merz mit dem iranischen Amtskollegen im Vorfeld der Antirassismus-Konferenz.
«Missbrauch des Antirassismus», «Eklat mit Ansage», «Ein Rassist nutzt die Schwäche der UNO» oder «Rundum Scherben». So lauten einige der Titel in den Schweizer Blättern nach dem misslungenen Auftakt der Antirassismus-Konferenz der Vereinten Nationen in Genf.
«Er hat sein Ziel also erreicht, der Hetzer von Teheran», heisst es im Blick. Der UNO in Genf hinterlasse er einen Scherbenhaufen. «Der Menschenrechtsrat, auf den die Schweizer Aussenministerin Calmy-Rey so stolz war, ist noch so viel wert wie die Menschenrechte im Iran» so das Boulevard-Blatt.
Der aggressive Provokateur aus Iran habe sich mit seiner Hasstirade, zumindest medial, eine grotesk überhöhte Bedeutung verschafft, schreibt die Basler Zeitung. «Zugleich beschädigt er den Ruf der UNO und entwertet das bedeutsame Anliegen der Konferenz, die Bekämpfung des Rassismus und die Unterstützung seiner Opfer mit einem Katalog konkreter Massnahmen.»
Lädierte Schweizer Diplomatie
Zwei Szenen würden von der Konferenz gegen Rassismus in Erinnerung bleiben, schreibt der Zürcher Tages-Anzeiger: «Zum einen die Begrüssung des iranischen Präsidenten durch den frivol lächelnden Schweizer Bundespräsidenten Hans-Rudolf Merz. Zum Anderen der Auftritt des Teheraner Gastes am UNO-Rednerpult keine 24 Stunden später, in welchem er seine Hasstirade gegen Israel und den Weltzionismus loslässt.»
Die Schweiz habe nichts gelernt aus der letzten Blamage, als sich Aussenministerin Calmy-Rey in Teheran von Ahmadinedschad zu Propagandazwecken habe missbrauchen lassen. «Die Schweiz ist erneut in die iranische Falle getappt. Dabei war alles so absehbar», so der Tagi weiter.
Laut der Neuen Zürcher Zeitung steht die offizielle Schweiz schon wieder im Regen. Das Gespräch des Bundespräsidenten mit dem Israel-Feind Ahmadinedschad habe Bern den scharfen moralischen Tadel der sich hier mühelos profilierenden neuen Regierung Israels eingetragen. «Die unvermindert unsäglichen Äusserungen des iranischen Präsidenten an der Konferenz selber scheinen den Kritikern recht zu geben», so die NZZ.
Naive Schweiz?
Aussenministerin Calmy-Rey habe nach langem Zögern zwar den richtigen Entscheid getroffen und sei der Konferenz ferngeblieben, meint die Basler Zeitung. «Aber Bundespräsident Merz› Bemühungen, mässigend auf Ahmadinedschad einzuwirken, sind gründlich misslungen.»
Ähnlich tönt es in der Luzerner Zeitung: «Die mahnenden Worte von Bundespräsident Merz, Ahmadinedschad möge seine Sicht auf den Zweiten Weltkrieg revidieren, schlug er wenig überraschend in den Wind. Die bundesrätlichen Nachhilfelektionen in Geschichte verpufften wirkungslos.»
Das Grundproblem dieser leidigen Geschichte sieht die Luzerner Zeitung aber nicht bei Merz. Sie liege im Wesen der Antirassismus-Konferenz. «Wenn notorische Menschenrechtsverletzer wie Libyen, Iran, Pakistan oder Kuba die Vorbereitungen leiten und sich zu Vorkämpfern gegen Rassismus und Intoleranz aufschwingen, ist es mit der Glaubwürdigkeit nicht weit her.»
Unter dem Titel «Reden ist Gold» bringt die Berner Zeitung Verständnis für das Treffen von Bundespräsident Merz mit dem iranischen Amtskollegen auf. Ziel sei gewesen, Teheran und Washington an einen Tisch zu bringen, damit die Parteien wieder miteinander verhandelten. «Denn nur im Gespräch können verhärtete Fronten wie im Konflikt zwischen dem Iran und den USA aufgebrochen werden. Dasselbe gilt übrigens auch für den Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern.»
Missbrauch der Konferenz
Die Konferenz wird laut der Aargauer Zeitung von beiden Seiten instrumentalisiert: von Irans Präsident mit seinen schändlichen Aussagen, aber auch von Israel und der Israel-Lobby.
«Die Kontroverse über Israel überschattet erneut den wichtigen Kampf von Staaten und NGO gegen Rassismus. Der surreale Zirkus in Genf ist so überflüssig wie ärgerlich.»
Vom Genfer Le Temps kommen Vorwürfe an die fünf europäischen Staaten, welche die Konferenz boykottieren. Damit hätten sie den Bruch zwischen dem Westen und dem Islam vertieft. Ihre Botschaft an die muslimischen und afrikanischen Länder laute etwa: «Macht nur Konzessionen. Ihr müsst aber wissen, das sie nie genügen werden.» Diese Haltung, so Le Temps weiter, sei erniedrigend und könne Folgen haben. «Denken wir nur an Afghanistan, Irak oder Darfur.»
Auch der Berner Bund sieht im Boykott der Konferenz keine Lösung, denn man dürfe das Feld nicht kampflos den Ahmadinedschads überlassen. Fazit: «Besonders wichtig wäre die Einsicht der UNO, derart polarisierende und kontraproduktive Mammutveranstaltungen erst gar nicht mehr einzuberufen.»
swissinfo, Gaby Ochsenbein
Durban. 2001 fand in der südafrikanischen Stadt der UNO-Gipfel gegen Rassismus statt.
Israel. An der Konferenz gab es Aufrufe zur Auslöschung Israels sowie eine Deklaration der Zivilgesellschaft, welche als antisemitisch beurteilt wurde. Israel und die USA zogen sich von den Verhandlungen zurück.
Einstimmig. Zur Rettung der Konferenz verabschiedeten die Teilnehmer einstimmug eine pro-israelische Schlusserklärung.
Folgekonferenz. Gemäss UNO-Bestimmungen wird der Durban-Gipfel an einer Folgekonferenz evaluiert. Diese findet vom 20. bis 24. April in Genf statt. Es geht um die Überprüfung, wie die Schlussresolution von 2001 umgesetzt wurde.
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