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Untersuchung in der Affäre um den Ex-Armeechef

Keystone

Eine Parlamentskommssion untersucht die Affäre um die Ernennung des gescheiterten Armeechefs Roland Nef. Im Visier steht auch Verteidigungs-Minister Samuel Schmid. Erste Resultate sollen Ende November vorliegen.

Der Terminplan sei ehrgeizig, betonten mehrere Kommissionsmitglieder vor den Medien. Die für die Untersuchung zuständige Subkommission der Geschäftsprüfungskommission (GPK) muss möglichst schnell an die Arbeit gehen.

Deren Präsident, der Luzerner Christdemokrat Ruedi Lustenberger, gab sich vor den Medien verschlossen. Er wolle und könne im jetzigen Zeitpunkt keine Fragen zum Inhalt der Untersuchungen beantworten: «Wir werden uns mit den Fragen befassen, die nicht beantwortet sind und hoffen, wir werden sie beantworten können», sagte Lustenberger trocken.

Seit der Affäre um den gescheiterten Armeechef Roland Nef im Juli 2008 ist Bundesrat Schmid zusehends unter politischen Druck geraten. Am Mittwoch wurde publik: Schmid hat bereits im November 2006 gewusst, dass Nef in ein Strafverfahren verwickelt war.

Bisher hatte Schmid mehrmals gesagt, er habe erst im April 2007 von diesem Verfahren gehört. Nef selber habe ihn informiert und ihm zugesichert, es werde demnächst eingestellt.

Am Donnerstag räumte Schmid ein, die Militärjustiz habe ihn im November 2006 informiert, dass gegen den damaligen Brigadier Nef ein ziviles Strafverfahren eröffnet worden sei.

Später habe er sich jedoch nicht mehr daran erinnert. Die damalige Untersuchung sei nicht in sein Pflichtenheft gefallen. Zu jenem Zeitpunkt sei er noch nicht direkter Vorgesetzter Nefs gewesen. Der Verteidigungsminister wies auch den Vorwurf von Medien und Politikern zurück, er habe gelogen.

Im übrigen gelte auch für einen hohen Offizier, was für alle Menschen gelte: die Unschuldsvermutung. Er, Schmid, habe gewusst, dass es eine «persönliche Angelegenheit» sei und er habe «nicht unter die Bettdecke schauen wollen».

Ungereimtheiten bei der Wahl

Im Juni 2007 ernannte der Bundesrat Nef zum Armeechef. Schmid informierte seine Bundesratskollegen nicht über das Strafverfahren. Er habe Nef vertraut und ihm geglaubt, dass es sich dabei um eine persönliche Angelegenheit handle. Das Verfahren wurde im Oktober 2007 eingestellt, also noch vor Nefs Amtsantritt am 1. Januar 2008.

Im Juli 2008 musste Nef zurücktreten, nachdem die Sonntagpresse den Armeechef als Stalker entlarvt hatte: Der 49-jährige hatte seine Ex-Partnerin nach der Trennung mit SMS und Mails belästigt, in ihrem Namen Sexinserate beantwortet und sie damit der Belästigung durch fremde Männer ausgesetzt.

Seit Wochen steht Schmid in der Kritik, weil er sich zuerst hinter seinen Armeechef gestellt hatte und ihn erst fallen liess, als der Druck zu gross wurde. Politiker und Medien werfen Schmid zudem vor, er informiere zu wenig offensiv und gebe nur das zu, was er müsse, weil es bereits durch die Medien enthüllt sei.

Politisch motivierte Attacken

Seine ehemalige Partei, die SVP schiesst seit Monaten mit vollen Rohren auf ihn und fordert seinen Rücktritt. Ins gleiche Horn stossen die Grünen. Bei beiden Parteien ist auch Eigeninteresse im Spiel: Die SVP möchte wieder zurück in die Landesregierung. Die Grünen würden gerne in den Bundesrat einziehen.

Sozialdemokraten und die beiden Mitteparteien FDP und CVP geben sich moderater, aber auch in ihren Reihen haben die kritischen Stimmen zugenommen.

Fakt ist: Schmid kann nicht zum Rücktritt gezwungen werden. Die Bundesversammlung hat ihn im Dezember 2007 für eine Dauer von vier Jahren gewählt. Es gibt in der Schweiz – im Gegensatz zu andern Ländern – kein Absetzungsverfahren und auch kein Misstrauensvotum.

Wahl zum Vizepräsidenten?

Dennoch steht der Armeeminister vor schwierigen Zeiten. Im Oktober befindet das Parlament über das Rüstungsbudget 2009. Die grundsätzlich armeefreundliche SVP hat dagegen bereits Opposition angekündet. Sie will das Budget zurückweisen, solange der Ungeliebte im Amt ist. Auch Grüne und armeekritische Sozialdemokraten wollen gegen das Budget stimmen.

Im Dezember soll Schmid turnusgemäss zum Vizepräsidenten der Landesregierung gewählt werden. Das heisst: 2010 wäre er zum zweiten Mal für ein Jahr Bundespräsident.

swissinfo, Andreas Keiser

1947 geboren, Anwalt und Notar.

1974–1982 Gemeindepräsident in Rüti bei Büren (Bern).

1982-1993 Mitglied des Berner Kantonsparlamentes.

1994-1999 Nationalrat (Volkskammer)

199-2000 Ständerat (Kantonskammer)

Seit 1. Januar 2000: Bundesrat

War bis Juni 2008 Mitglied der Schweizerischen Volkspartei (SVP). Trat nach der Abspaltung der neuen Bürgerlich Demokratische Partei (BDP) bei.

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