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US-Präsidentschaftswahlen: Der Kampf um die Mitte

Ob der nächste US-Präsident Barack Obama (rechts) oder John McCain heisst - für die Schweiz wird sich kaum viel ändern. Keystone

Für John McCain und Barack Obama ist Phase zwei des Rennens um die US-Präsidenschaft schon im Gang, auch wenn ihre offizielle Nominierung zum Kandidaten an den Parteikonventen noch aussteht.

Wie für den Rest der Welt, sind die Wahlen auch für die Schweiz von Bedeutung. Doch vermutlich macht es für sie keinen grossen Unterschied, wer am Ende gewinnt, wie Dieter Ruloff, der Leiter des Instituts für Politikwissenschaften der Universität Zürich gegenüber swissinfo erklärt.

swissinfo: Was für eine Bedeutung kommt den Parteikonventen der Demokraten und der Republikaner überhaupt noch zu?

Dieter Ruloff: In gewisser Weise ist es nur noch PR, aber wichtige PR. Die Konvente sind der offizielle Auftakt zum Endspurt in den November. Sie dienen der Mobilisierung der eigenen Anhängerschaft und haben Ausstrahlung weit ins Land hinaus.

swissinfo: Was hat sich im Wahlkampf geändert, seit nur noch McCain und Obama im Rennen sind, wie haben sich die beiden in den letzten Wochen positioniert?

D.R.: Die Auseinandersetzung ist jetzt fokussiert auf den Kandidaten der jeweils anderen Partei; man versucht, den Gegner genau zu treffen.

Beide haben Stärken und Schwächen gezeigt. Entschieden wird das Rennen im Kampf um die Wähler der Mitte. Das zeigt sich schon darin, dass sich die Standpunkte annähern, etwa in der Irak-Frage oder der Krankenversicherung.

McCain ist Aussenseiter in seiner eigenen Partei. Er hat vor allem Mühe, die religiöse Rechte zu mobilisieren. Seine Stärken sind sein Charakter, seine Unabhängigkeit, seine Identität als Kriegsheld.

Obama ist der strahlende junge Held, der bessere Zeiten verheisst, ein begnadeter Redner. Aber eben: Er fasziniert bei den Gebildeten. Ob er beim breiten Volk ankommt, muss sich noch weisen.

Am Ende werden wohl die so genannten fundamentals den Ausschlag geben: Die Wirtschaftslage und der Überdruss der Wähler, was den jetzigen Präsidenten betrifft. Die Frage ist: Kann sich McCain weit genug von ihm distanzieren?

swissinfo: Was sagen Sie zu Befürchtungen, dass die historische Kandidatur eines Afroamerikaners ein Risiko sei; dass viele Wähler letzten Endes doch nicht für einen Schwarzen stimmen würden?

D.R.: Ich glaube, die USA sind ein Stück weiter, Obama wird in erster Linie als Amerikaner wahrgenommen, nicht als Repräsentant der Schwarzen. Aber im tiefen Süden könnte es Ressentiments in der Wahlkabine geben.

swissinfo: Noch vor einem Jahr war der Irak-Krieg das dominierende Element in der öffentlichen Debatte, heute machen die Hypotheken-Krise und das täglich teurer werdende Öl Schlagzeilen. Was bedeutet das für die beiden Kandidaten?

D.R.: Es macht es leichter für Obama, weil man den Republikanern die Misere anlastet, ganz klar.

swissinfo: Wagen Sie eine Voraussage, wer am 4. November als Sieger dastehen wird?

D.R.: Ich nehme an, dass Obama knapp obsiegen wird.

swissinfo: Das Ansehen der USA hat in der Ära Bush schwer gelitten. Welche Themen muss der neue Präsident in erster Linie aufgreifen?

D.R.: Vor allem muss der neue Präsident das Verhältnis mit den Europäern reparieren. Obama ist in Europa sehr beliebt. Mit ihm als Präsident ginge in dieser Hinsicht vieles einfacher.

swissinfo: Wie wichtig ist der Ausgang der Wahlen für die Schweiz?

D.R.: Enorm wichtig, denken Sie an die vielen Probleme, angefangen bei den Schwierigkeiten der Grossbanken in Sachen Bankkunden-Geheimnis. Dazu kommen Bereiche wie der Welthandel (Doha-Runde), Visumsfragen, Persönlichkeits-Schutz (Weitergabe von Daten an US-Behörden, Abhörpraxis der US-Behörden), Rechtsstaatlichkeit im Kampf gegen den Terrorismus), Klimapolitik…

Es gibt viele Themen, wo die USA einen eigenen Weg gehen, der anderswo auf der Welt Mühe macht.

Allerdings muss man wissen, dass zwar die Regierung wechselt, der Beamtenapparat aber weitgehend nicht. Ich zweifle, ob eine neue US-Regierung der Schweiz gegenüber grundsätzlich anders auftritt als die alte.

swissinfo: Wie würden Sie die bilateralen Beziehungen umschreiben?

D.R.: Die Schweiz war den USA immer freundschaftlich verbunden. Man hilft sich gegenseitig. In Iran z.B. vertritt die Eidgenossenschaft die USA der dortigen Regierung gegenüber. Grösstes aktuelles Problem ist sicherlich der Streit der UBS mit den US-Steuerbehörden.

swissinfo: In Bezug auf Iran ist die Schweiz in den USA wegen eines Gasliefervertrags unter Beschuss geraten, wie schwerwiegend stufen Sie dies ein?

D.R.: Ich glaube, das Kapitel ist abgeschlossen. Auch andere europäische Länder machen weiterhin mit dem Iran Geschäfte, zum Unbehagen der Amerikaner.

swissinfo: Denken Sie, dass der Schweiz wegen der aktuellen Probleme der UBS ähnliches Ungemach droht, wie in der Holocaust-Debatte?

D.R.: Wir werden sehen – aber ein Vergleich mit diesem Streit scheint mir nicht sinnvoll. Die Schweiz und ihre Banken sind nicht die einzigen, die mit den USA in Steuerfragen Klärungsbedarf haben. Ich hoffe, dass es zu einvernehmlichen Lösungen kommt. Der Bundesrat wird mit den USA eine Lösung im konkreten Fall suchen müssen, die beide Seiten befriedigt.

swissinfo: Obama war einer der Kongressabgeordneten, die hinter einer Vorlage zum Kampf gegen Steueroasen standen. Muss die Schweiz damit rechnen, dass der Kongress und ein Präsident Obama schärfere Regelungen gegen Steuerflucht erlassen würden?

D.R.: Ich nehme an, dass der Umgang mit einer Administration Obama in Sachen Steuerhinterziehung nicht einfacher wäre als heute.

swissinfo: Ist es für die Schweiz überhaupt von Bedeutung, ob der nächste Präsident McCain oder Obama heisst?

D.R.: Vermutlich macht es für die Schweiz keinen grossen Unterschied. Eventuell wäre McCain aus Schweizer Sicht die bessere Wahl, weil er freihändlerischer eingestellt ist – Obama hat seine Probleme mit dem Welthandel.

swissinfo-Interview: Rita Emch

Dieter Ruloff (geb. 1947 in Remscheid, BRD) ist seit 1993 ord. Professor für Internationale Beziehungen an der Universität Zürich, seit 2000 auch Direktor des dortigen Instituts für Politikwissenschaften.

Er war bis Ende 2007 auch Delegierter des Schweizerischen Instituts für Auslandforschung, einer privaten Organisation, die eng mit der Universität Zürich verbunden ist.

Ruloff ist auch Autor und Herausgeber verschiedener Bücher. Zuletzt erschien 2008 «Sicherheit und Unsicherheit in einer Welt im Wandel» (Rüegger-Verlag).

Die Kandidaten-Nominierung der Demokratischen Partei findet am Konvent vom 25. bis 28. August in Denver (Colorado) statt.

Der Konvent der Republikanischen Partei folgt vom 1. bis 4. September in Minneapolis-St.Paul (Minnesota).

Wahltag ist der 4. November. Wobei wie bei den Vorwahlen Delegierte bestimmt werden. Und das bedeutet: Der Kandidat mit den meisten Stimmen wird nicht unbedingt der nächste Präsident.

Wie im Jahr 2000, als Al Gore gegen George W. Bush verlor. Bush hatte zwar weniger Volksstimmen erhalten, aber 271 der Wahlmänner auf seiner Seite, Gore nur deren 266.

Die Zahl der Amerikaner mit Schweizer Wurzeln wird auf etwa 1,2 Millionen geschätzt.

Am meisten Einwohner mit Schweizer Wurzeln gibt es in Kalifornien, New York, Ohio, Wisconsin und Pennsylvanien.

Ende 2007 waren in den USA 73’978 Auslandschweizer registriert. Davon nach Angaben der Schweizer Botschaft in Washington 52’415 Doppelbürgerinnen und Doppelbürger.

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