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USA: Schweizer Wählerschaft besorgt über Lage im Irak

Léa Hoffman, schweizstämmige Amerikanerin, gibt ihre Stimme den Demokraten in Oregon. swissinfo.ch

In den USA haben rund 120 Millionen Amerikaner einen neuen Kongress gewählt: 435 Abgeordnete ins Repräsentantenhaus, 33 Mitglieder in den Senat.

Wie ihre amerikanischen Mitbürger sind die Wählerinnen und Wähler schweizerischer Herkunft vor allem über den Irak-Krieg besorgt.

Die Anzahl Amerikanerinnen und Amerikaner schweizerischer Abstammung wird auf rund 1,2 Millionen geschätzt. Aber es gibt keine «Schweizer Wahl» in den USA – ganz im Gegensatz zur «schwarzen Wahl», zur «jüdischen Wahl» und immer mehr auch zur «arabisch-muslimischen Wahl».

Die Gemeinschaft schweizerischen Ursprungs in den USA gibt es schon so lange, sie ist so unterschiedlich und zersplittert, dass bei ihr keine politisch vorherrschende Meinung wahrnehmbar ist.

«Die meisten der Schweizer Emigranten sind Anfang 19. Jahrhundert in den USA eingetroffen», sagt Erdmann Schmocker gegenüber swissinfo. Schmocker ist Historiker und präsidierte bis 2001 die «Swiss American Historical Society».

Adelige und Bauern

Die Schweizer in den USA kommen aus unterschiedlichen sozialen Schichten. «In einer ersten Einwanderungswelle kamen viele Adelige, nachher waren es zahlreiche Bauern.»

Die Amerikaner schweizerischer Herkunft haben im übrigen kein verbindendes Thema wie andere Minderheiten im Land: Die Schwarzen zum Beispiel mit den Bürgerrechten oder die Juden und Araber mit dem Nahost-Konflikt.

Besorgt über den Irak-Krieg

Die Amerikaner schweizerischen Ursprungs wählen also nicht als einheitlicher Block. «Bei ihnen findet man Tendenzen und Sorgen, die bei allen US-Wählern vorhanden sind», erklärt Schmocker.

Die derzeitige Hauptsorge der Amerikaner ist der Krieg in Irak, und zwar weit vor anderen Sorgenthemen wie Wirtschaft, Terrorismus und Immigration. Das ergeben sämtliche Umfragen.

Für einige von swissinfo befragte Wählerinnen und Wähler mit Schweizer Wurzeln ist der Irak-Krieg ebenfalls Sorgenkind Nummer eins, vor der illegalen Einwanderung, dem schlechten Gesundheitssystem und dem Terrorismus.

An der Spitze einer Käse-Fabrik

«In Irak läuft es nicht gut», sagt Max Gonzenbach gegenüber swissinfo. Er ist Besitzer einer Käse-Fabrik mit 130 Angestellten in Milbank, einer Kleinstadt in Süd-Dakota.

Gonzenbach, dessen Vater 1924 aus der Schweiz in die USA ausgewandert ist, wählt zwar republikanisch und ist weiterhin der Ansicht, «dass George Bush mit der Invasion Iraks aufgrund der damals vorliegenden Informationen richtig gehandelt hat». Doch wünscht er sich «einen Teilrückzug» der USA aus Irak.

Für einen Truppenabzug

In seinem Wahlbezirk in Nord-Carolina leitet Hans Moser, der nach seiner Heirat mit einer Amerikanerin 1990 in die USA kam, die Sektion der Republikanischen Partei. Er unterstützt zwar Bush und die Republikaner, bedauert aber «die unflexible Haltung» des US-Präsidenten. Zudem wünscht er sich den Rücktritt von Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, einer der vehementesten Befürworter des Irak-Krieges.

«George Bush und seine Frau sind sehr moralische Menschen. Wir würden es aber begrüssen, wenn der Präsident seine Fehler korrigieren und seine Truppen auf einen Abzug aus Irak vorbereiten würde, ohne genaues Datum», erklärt der Wiedertäufer, der in der Schweiz Mitglied einer evangelikalen Partei war.

Eine Anti-Bush-Wahl

Am anderen Ende der USA, auch politisch, steht Léa Hoffmann. Sie fordert «einen totalen und sofortigen Abzug» aus Irak.

«Wir haben diesen Krieg begonnen, und ich hasse es von ‹wir› zu sprechen und bin entsetzt, dass ich mich für mein Land schämen muss», sagt die in Helvetia lebende Lehrerin. Die Stadt in Oregon wurde 1850 von Schweizer Einwanderern gegründet.

Léa Hoffmann hat immer für die Demokraten gewählt und tut es auch diesmal. Sie räumt aber ein, dass die Demokratische Partei keinen klaren Plan habe, um aus dem Irak-Schlamassel herauszukommen. In Sachen Irak sei ihre Wahl eine klare Anti-Bush-Wahl, sagt sie.

Angst vor Meinungsäusserung

«Die Politiker, auch die Demokraten, haben Angst, sich klar zum Irak-Krieg zu äussern, weil sie den Verlust ihrer Sitze befürchten. Aber für mich ist alles andere besser als Bush», sagt die Lehrerin, deren Urgrosseltern Schweizer waren.

«George Bush ist ein realitätsfremder Narr, inkompetent und umgeben von Leuten, denen ich überhaupt nicht traue.»

Erwin Zweifels Meinung ist weniger radikal. Er lebt als Pensionierter in New Glarus, der «kleinen Schweiz» in Wisconsin, wo er im lokalen Jodler-Chor mitmacht. Zweifel bezeichnet sich als «unabhängig». Er wählt einmal demokratisch, einmal republikanisch, je nach Thema.

Schlimmer als der Vietnam-Krieg

Auf die Frage von swissinfo, wen er diesmal wähle, will Zweifel nicht antworten. Aber er sagt immerhin, dass der Irak-Krieg seine grösste Sorge sei, zusammen mit dem lückenhaften Gesundheitswesen und neuen Plänen der Republikaner in diesem Bereich.

«Wir sind dermassen im Sumpf von Irak, dass ich kaum sehe, wie wir da rauskommen könnten. Ich habe Angst, dass die Lage noch schlimmer als im Vietnam-Krieg wird», befürchtet der ehemalige Korea-Kriegsveteran, dessen Grossvater 1870 aus dem Kanton Glarus in die USA ausgewandert ist.

swissinfo, Marie-Christine Bonzom, Washington
(Übertragung aus dem Französischen: Jean-Michel Berthoud)

Swiss Roots schätzt die Zahl der Amerikanerinnen und Amerikaner mit Schweizer Wurzeln auf 1,2 Mio.
Die Namen von mehr als 5000 amerikanischen Dörfern und Städten haben einen schweizerischen Ursprung.
Die meisten Amerikaner mit Schweizer Wurzeln leben in Kalifornien, im Staate New York, in Ohio, Pennsylvania und Wisconsin.

Am Dienstag nach dem ersten Montag im November eines Jahres mit gerader Zahl werden in den USA alle 435 Mitglieder des Repräsentanten-Hauses sowie ein Drittel des 100 Senats neu bestellt.

In 34 von 50 US-Bundesstaaten werden die Gouverneure für eine 4-jährige Amtszeit bestimmt. Vermont und New Hampshire wählen ihre Gouvereurs für eine zweijährige Amtszeit.

Die nächste Präsidentenwahl findet 2008 statt.

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