Verträge von Schengen/Dublin auf gutem Weg
Wäre Ende Oktober abgestimmt worden, hätte das Stimmvolk die bilateralen Abkommen von Schengen (Sicherheit) und Dublin (Asylwesen) mit der Europäischen Union angenommen.
Die zweite Umfrage des Instituts gfs.bern im Auftrag der SRG SSR idée suisse zeigt eine Zustimmung von 69%.
Kaum waren die Verhandlungen um das zweite Paket der Bilateralen Verträge zwischen der Schweiz und der EU im Mai abgeschlossen, begann eine öffentliche Kontroverse, die sich auf die Abkommen von Schengen und Dublin konzentrierte.
In einer ersten Umfrage im August hatten sich 64% der Stimmwilligen für Schengen/Dublin ausgesprochen.
Nun zeigt auch die zweite Umfrage einen deutlichen Vorsprung der Befürworter: 46% der Personen, die an einer Abstimmung teilnehmen würden, sind bestimmt für die beiden Abkommen, 23% sind eher dafür. Dies gibt ein Total von 69% Ja-Stimmen.
Dem stehen auf Seite der Gegner nur gerade 17% Nein-Stimmen gegenüber: 8% sind bestimmt dagegen, 9% eher dagegen. 14% der Befragten haben noch keine Meinung zum Thema.
Rechte ist gespalten
Klar dafür sprechen sich drei der vier Regierungsparteien aus: Sozialdemokraten (SP, Links) befürworten die Abkommen zu 86%, Parteigänger der rechtsbürgerlichen Freisinnig-Demokratischen Partei (FDP) stimmen zu 85% zu, Christlichdemokraten (CVP, Mitte-Rechts) zu 72%.
Nicht überraschend gegen Schengen/Dublin sind 47% der Wählerschaft der Schweizerischen Volkspartei (SVP, Rechts), die bereist seit Monaten Stimmung gegen die Abkommen macht.
Trotzdem scheint die Partei in dieser Frage gespalten: 38% der SVP-Stammwähler wollen nämlich laut der Umfrage ein Ja einlegen. 15% sind derzeit noch unentschlossen.
Keine grossen Unterschiede sind zwischen den Sprachregionen festzustellen. Sowohl die Deutsch- wie auch die Westschweiz stehen mit je 70% Ja hinter den Abkommen.
Die italienischsprachige Schweiz begrüsst die intensivere Zusammenarbeit mit der EU ebenso, wenn auch nicht so deutlich. Etwas über die Hälfte (54%) würde heute dafür stimmen.
Befürworter mit gutem Polster
Im Vergleich zur ersten Umfrage haben beide Lager je 5% dazu gewonnen. Die Gruppe der Unentschlossenen ist dagegen um 10% auf 14% geschrumpft.
Mit 44% wollen sich immer noch gleich viel Personen an einer Abstimmung beteiligen, wie bei der ersten Umfrage. Ein «mittlerer Wert», schreibt das Forschungsinstitut gfs.bern. Doch wenn die Abstimmungskämpfe erst richtig einsetzen würden, sei wohl mit einer erhöhten Abstimmungs-Bereitschaft zu rechnen.
Die Erfahrung zeige, dass eine gut geführte politische Kampagne das Stimmverhalten der Bürgerinnen und Bürger beeinflussen könne. Nicht selten werden in ersten Umfragen als sicher geltende Themen in Volksabstimmungen bachab geschickt, wie es die letzten Abstimmungen zum Bürgerrecht deutlich gezeigt haben.
Doch in diesem Fall würde die Ja-Seite laut der Umfrage «eindeutig Vorteile kennen». Mit 69% der Stimmen und wenig Unentschlossenen dürfte sie einer möglichen Abstimmung mit einem gewissen Optimismus entgegensehen.
Referendun droht
Die Bilateralen Verträge müssen nicht zwingend vom Volk abgesegnet werden. Durch ein Referendum jedoch könnten einzelne der neun Abkommen an die Urne gebracht werden.
Die Opposition konzentriert sich hauptsächlich auf die beiden Abkommen von Schengen und Dublin, welche die Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und der EU in den Bereichen Sicherheit und Asylwesen regeln.
Die SVP ist gegen diese Art von Zusammenarbeit. Unterstützt von der Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz (AUNS) hat sie bereits mehrmals angekündigt, das Referendum gegen die beiden Abkommen zu ergreifen.
Falls dies gelingt – woran praktisch niemand zweifelt – könnte eine Abstimmung frühestens im Juni 2005 stattfinden.
Erste Bilaterale: 67% Ja
Letzten Dienstag erst haben die Schweiz und die EU das zweite Paket mit neun bilateralen Verträgen (Bilaterale II) und das Personenfreizügigkeits-Abkommen mit den neuen EU-Staaten unterzeichnet.
Die Verträge müssen nun noch ratifiziert werden. In der Schweiz äussert sich das Parlament am 17. Dezember.
Im Mai 2000 waren die ersten bilateralen Abkommen mit der EU zur Abstimmung gekommen. Damals hatte das Stimmvolk mit 62,7% Ja gesagt.
swissinfo, Olivier Pauchard
(Übertragen aus dem Französischen: Christian Raaflaub)
69% der Befragten würden für die Abkommen von Schengen/Dublin stimmen
17% wären dagegen
14% sind noch unentschlossen
An der Abstimmung würden sich 44% beteiligen
Für die Umfrage wurden zwischen 18. und 22. Oktober 1213 Personen in der ganzen Schweiz befragt.
Die Fehlerquote liegt bei 2,9%.
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