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Viel Lob für Obama – aber auch Skepsis

US-Präsident Barack Obamas Rede in Kairo an die Muslime beschäftigt auch die Schweizer Presse. Keystone

Das Echo auf die Rede von US-Präsident Barack Obama in Kairo an die Muslime ist in der Schweizer Presse positiv. Unisono wird von einem überzeugenden Auftritt Obamas gesprochen, auch wenn jetzt Taten folgen müssten.

«Neue Sicht auf die Welt», titelt der Berner Bund. «Hoffnung auf Neuanfang» lautet die Schlagzeile in der Basler Zeitung. Und in der Berner Zeitung heisst es gross: «Kraft der Vernunft.»

Obama habe sich selbstkritisch geäussert, «ohne die Probleme der anderen Seite kleinzureden. Im Gegenteil», kommentiert die BaZ. Was das Plädoyer für einen Neuanfang zwischen den USA und der muslimischen Welt ausgezeichnet habe, sei die Glaubwürdigkeit des Redners gewesen.

Hoch angerechnet wird Obama vom St. Galler Tagblatt, dass er den Islam «ohne Wenn und Aber als Religion des Friedens» anerkenne und ebenso Gewalt im Namen dieser oder jeder anderen Religion «ohne Wenn und Aber» verdamme.

Den Ton getroffen

Für den Bund hat Obama «zweifelsfrei den Ton getroffen und die richtigen Worte gewählt». Die Rede sei ein guter Anfang – «berechtigt sind die Hoffnungen, dass angerichtetes Unheil und Fehler korrigiert werden».

Für die Westschweizer Zeitung Le Temps hat Obama mit seiner Rede in Kairo ein neues Kapitel aufgeschlagen: «Worte für einen ‹Neuanfang› mit der muslimischen Welt.» Das Blatt spricht von einer «Diplomatie der Transparenz».

Obama habe mit seiner Rede in Kairo zu beweisen versucht, dass mit seiner Präsidentschaft «eine neue Beziehung der USA mit der muslimischen Welt» begonnen habe, schreibt der Corriere del Ticino.

Für den Zürcher Tages-Anzeiger war die Rede des US-Präsidenten «mutig». Und sein Gelübde, einen Neubeginn zwischen den USA und Muslimen weltweit zu suchen, sei zur rechten Zeit gekommen.

Eine Rede allein genügt nicht

Ob all dem Lob für Barack Obamas Auftritt in Kairo hegt die Schweizer Presse aber dennoch Skepsis. Für die Neue Zürcher Zeitung genügen Reden allein nicht, «selbst wenn sie noch so brillant sind». Das Publikum von Nordafrika bis Südostasien sei skeptisch und werde Obama an konkreten Taten messen.

Und weiter meint die NZZ: «In einem Schlüsselsatz plädierte Obama in Kairo für einen Neuanfang zwischen den USA und den Muslimen, ‹auf der Basis von gemeinsamem Interesse und gegenseitigem Respekt›. Das lässt für die Zukunft einiges offen: Wie werden die USA dort handeln, wo es kein gemeinsames Interesse gibt – etwa gegenüber Iran, das ungeachtet aller Aufrufe zum Dialog den Weg zur Atommacht fortsetzt? Auf wessen Seite wird Washington notfalls stehen – auf jener von notorischen Autokraten wie Mubarak, seinem Gastgeber, oder auf der Seite von arabischen Demokraten? Obama muss hier noch einige wichtige Weichen stellen, denn die Wirkung schöner Worte ist begrenzt.»

Nach den Worten Taten

Ähnlich tönt es im Tages-Anzeiger: «So eindringlich Barack Obamas Rede auch war, so wenig lässt sich zumindest vorläufig über ihre Nachhaltigkeit sagen. Was er zum Beispiel über die Lösung des Konflikts zwischen Israel und Palästina oder über das Verhältnis der USA zum Iran sagte, war – sicher aus taktischen Gründen – wenig konkret.»

Dass Obama seinen wohl gewählten Worten auch überzeugende Taten folgen lassen müsse, das wisse er, schreibt der Tagi und zitiert den US-Präsidenten dazu gleich selbst: «Wir sollten den richtigen, nicht den bequemen Weg gehen.»

Und auch für die Berner Zeitung ist klar, dass Obama, «der Visionär», in Kairo viel Richtiges gesagt hat. «Obama, der Macher, muss sich noch beweisen.» Damit nicht das eintritt, was die Basler Zeitung berfürchtet: «Obama weckt Erwartungen, die er zwangsläufig wird enttäuschen müssen.»

Jean-Michel Berthoud, swissinfo.ch

«Ich bin hierhergekommen, um einen Neuanfang zwischen den Vereinigten Staaten und den Muslimen in aller Welt zu suchen, der auf gegenseitigen Interessen und gegenseitigem Respekt basiert. (…) der darauf aufbaut, dass Amerika und der Islam sich nicht ausschließen und nicht in Konkurrenz zueinander stehen. (…) Sie haben wichtige Prinzipien gemeinsam: Gerechtigkeit und Fortschritt, Toleranz und die Würde des Menschen. (…)»

«Ich halte es für eine meiner Pflichten als Präsident der Vereinigten Staaten, negative Klischeevorstellungen über den Islam zu bekämpfen, wo auch immer sie mir begegnen mögen. Doch das gleiche Prinzip muss auch für die muslimischen Vorstellungen von Amerika gelten. Genauso wie die Muslime, die nicht in dieses grobgezeichnete Klischee hineinpassen, so passt auch Amerika nicht in diese Schablone eines selbstsüchtigen Imperiums. (…)»

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