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Villiger wird Bundespräsident

Der Bundespräsident (links) und sein Vize. Keystone Archive

Die Bundesversammlung hat Finanzminister Kaspar Villiger zum Bundespräsidenten 2002 gewählt. Wirtschaftsminister Pascal Couchepin wird Vizepräsident.

Zum zweiten Mal ist Kaspar Villiger, der bescheidene Finanzminister, Bundespräsident. Der 60-jährige Luzerner Freisinnige wurde mit 183 Stimmen gewählt. Ein gutes Resultat. Vizepräsident wurde Volkswirtschaftsminister Pascal Couchepin.

Viele rechnen damit, dass Villiger Ende 2002 nach 13 Jahren im Bundesrat zurücktritt. Sein Werdegang vom jungen, an Literatur interessierten ETH-Studenten, über den Unternehmer zum Landesvater ist eine erstaunliche Verwandlung.

Er komme sich vor wie Gregor Samsa in Kafkas Erzählung «Die Verwandlung», hatte Kaspar Villiger einmal gesagt. Jener sei eines Morgens als Insekt erwacht – er als Bundesrats-Kandidat.

Vom Stumpenfabrikanten zum Politiker

Für den 1941 geborenen Unternehmer-Sohn aus dem Luzernerland stand die politische Karriereplanung nie im Vordergrund. Als Sohn der Villiger-Stumpen-Dynastie stieg er nach dem plötzlichen Tod seines Vaters im Jahr 1966 als junger ETH-Ingenieur ins Familien-Unternehmen in Pfeffikon ein, dem er bis zur Wahl in den Bundesrat als Mitinhaber vorstand.

1982 wurde Villiger Nationalrat, 1987 wechselte er in die Kleine Kammer. Zum Beruf wurde die Politik für den Unternehmer, als ihn seine Partei als geeignetsten Kandidaten auserkor, um die schwere Krise nach dem Sturz der ersten Bundesrätin, Elisabeth Kopp (siehe Link), zu bewältigen. Am 1. Februar 1989 wählte ihn das Parlament mit 124 Stimmen zum Nachfolger Kopps.

Zuerst das Militär, dann die Finanzen

Obwohl er sich bis dahin kaum als Militärpolitiker hervorgetan hatte und in der Armee nur den Rang eines Hauptmanns bekleidete, fiel dem neuen Bundesrat das Militärdepartement (EMD) zu, wo er die Krise um EMD-Fichen und die Geheimarmee P26 überstand und die Beschaffung des neuen Kampfjets FA-18 trotz denkbar schlechter Ausgangslage in der Volksabstimmung durchbrachte.

Die von ihm eingeleitete Armeereform 95 ist dagegen nach Auffassung von Militärexperten nicht in allen Teilen geglückt. Mit dem Rücktritt des sozialdemokratischen Bundesrat Otto Stich wurde für Villiger Ende 1995, am Ende seines ersten Präsidialjahres, der Weg ins Finanzdepartement frei.

In seiner Rolle als Finanzminister riskierte der Harmonie liebende und um Ausgleich bedachte Villiger öfter als ihm lieb war seine politischen Freunde zu enttäuschen. Umgekehrt sah er sich von seiner eigenen Partei des öfteren in seinem Bemühen um einen ausgeglichenen Staatshaushalt im Stich gelassen.

In ständiger Sorge um die Folgen einer anhaltenden Schuldenwirtschaft mahnte Villiger bei jeder Gelegenheit und landauf, landab zu mehr Ausgabendisziplin. Eines seiner ehrgeizigsten Ziele war es denn auch, den Bundeshaushalt aus der 1991 eingesetzten Defizitperiode herauszuführen und bis im Jahr 2001 wieder ins Gleichgewicht zu bringen.

Swissair als Spielverderberin

Dies schien ihm letztes Jahr beinahe zu gelingen, als er statt einem Defizit überraschend einen Rekordüberschuss von 4,5 Mrd. Franken präsentieren konnte. Die Swissair-Krise machte dem Finanzminister allerdings einen Strich durch die (Bundes-)Rechnung.

Zwar erhielt Villiger viel Lob für seinen mit Rainer E. Gut in letzter Minute zu Stande gebrachten Rettungsplan für die Swissair. Wermutstropfen ist jedoch, dass dem Bund wegen der Swissair wieder der Rückfall in die Schuldenwirtschaft droht und der Haushalt dieses Jahr mit bis zu zwei Milliarden ins Minus gerät.

Kein Buchhalter Nötzli

Gelingt es Villiger, nächstes Jahr das Haushaltsziel trotz Steuerausfällen, Swissair-Debakel und Expo.02 wieder einigermassen zu erreichen, könnte der 62-Jährige Ende 2002, am Ende seines zweiten Präsidialjahres und nach 13 Jahren im Bundesrat, mit gutem Gewissen zurücktreten.

Mit seiner Führungsrolle bei der Swissair hat er dafür gesorgt, dass er nicht mit dem Image des Buchhalters Nötzli von der Bühne abtreten muss.

swissinfo und Bettina Stadelmann (ap)

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