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Waffe zu Hause, Munition im Zeughaus

Keystone

Die Taschenmunition der Armeeangehörigen soll künftig im Zeughaus und nicht mehr zu Hause gelagert werden. Nach dem Ständerat hat nun auch der Nationalrat dieser Weisung zugestimmt.

Die Waffe soll aber weiterhin zu Hause aufbewahrt werden. Eine parlamentarische Initiative der SP, die dies ändern wollte, lehnte die grosse Kammer ab.

Der Nationalrat ist am Donnerstag mit 100 zu 72 Stimmen dem Ständerat, der kleinen Kammer, gefolgt und hat den Bundesrat per Motion beauftragt, in der heutigen sicherheitspolitischen Lage auf die Abgabe der Taschenmunition an alle 120’000 Armeeangehörigen zu verzichten.

Verteidigungsminister Samuel Schmid war damit einverstanden.

Dagegen lehnte der Nationalrat mit 97 zu 76 Stimmen eine parlamentarische Initiative der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei (SP) ab, auch die persönliche Waffe im Zeughaus einzustellen.

In beiden Fällen votierten SP, die Grünen und die Evangelische Volkspartei (EVP) gegen die geschlossene Schweizerische Volkspartei (SVP). Stimmen aus der Freisinnig-Demokratischen Partei (FDP) und der Christlichdemokratischen Volkspartei (CVP) gaben den Ausschlag.

Vertrauensfrage

Für die SVP sind Motion und Initiative Teil einer «Salamitaktik» mit dem Ziel, den Schweizer Wehrmann zu entwaffnen und letztlich die Armee abzuschaffen. Es handle sich um ein Misstrauensvotum gegenüber Hunderttausenden von Milizangehörigen, sagte SVP-Nationlarat Roland Borer. Waffe und Munition seien untrennbar.

Rudolf Aeschbacher von der EVP räumte ein, dass die Abgabe von Waffe und Munition durchaus ihren Sinn gehabt habe. Jetzt, da Überfälle ohne Vorwarnung ausgeschlossen seien, bestehe keine militärische Notwendigkeit mehr. Es sei keine Vertrauensfrage: Der Wehrmann brauche schlicht die Waffe nicht mehr zu Hause.

annabelle oder Pro Tell

Für das links-grüne Lager brachte es der Grüne Josef Lang auf den Punkt: Es gehe um annabelle oder Pro Tell. Die Frauenzeitschrift hatte angesichts von Familiendramen und hoher Suizidrate eine Petition «Keine Schusswaffen zu Hause» lanciert, die von über 17’000 Personen unterzeichnet worden war.

Chantal Galladé von der SP verwies auf die schätzungsweise 300 Menschen, die jährlich durch Ordonnanzwaffen ums Leben kämen. Es bestehe ein Zusammenhang zwischen Verfügbarkeit der Waffe und Tötungen. Ein jeder Tote sei einer zuviel. In keinem zivilisierten Staat seien Waffen und Munition bei den Armeeangehörigen gelagert.

SVP-Sprecher Borer bezweifelte die Zahlen des, wie er sagte, «Pseudowissenschafters» Martin Killias von der Universität Lausanne. Das Problem der Tötungsdelikte und Suizide werde nicht gelöst, wenn die Ordonnanzwaffe nicht mehr im Schrank aufbewahrt sei. Wer ein Tötungsdelikt plane, finde immer eine Waffe.

Schiesswesen in Gefahr

Militärminister Schmid sagte, der Rückzug der Taschenmunition sei unter den heutigen Umständen vernünftig und risikogerecht. Im Zweiten Weltkrieg von 1940 bis 1945 seien alle Armeeangehörigen mit Munition ausgestattet worden. Die nach Friedenschluss eingestellte Praxis sei im Kalten Krieg 1951 wieder aufgenommen worden.

Heute sei die Ausgangslage wieder anders, sagte Schmid. Die Waffe aber gehöre weiterhin zum Wehrmann nach Hause. Dies sei ein Vertrauensbeweis des Staates und ein nicht zu unterschätzender symbolischer Akt helvetischer Kultur, der vom Selbstbestimmungsrecht des freien Bürgers zeuge.

Ohne die Heimabgabe der Waffe würde das ausserdienstliche Schiesswesen in sich zusammenfallen. Die Armee verlöre dann in jedem Wiederholungskurs ein bis zwei Ausbildungstage, um die Truppe auszurüsten und die Schiessfertigkeit aufzufrischen. Bei Selbst- oder Fremdgefährdung werde schon heute die Waffe abgenommen.

swissinfo und Agenturen

In der Schweiz erlaubt es die Tradition den Armeeangehörigen, ihre militärische Ausrüstung, inklusive Waffe, zu Hause aufzubewahren.

Die Aufbewahrung der Armeewaffe im Kleiderschrank zu Hause wird seit einiger Zeit regelmässig kritisiert. Bei über 300 Todesfällen durch Erschiessen pro Jahr in der Schweiz sind Armeewaffen im Spiel.

Eine Volksinitiative «Zum Schutz vor Armeewaffen» wurde lanciert. Sie fordert ein Verbot von Armeewaffen zu Hause und deren Abgabe im Zeughaus.

Laut einer Umfrage vom letzten Frühjahr würden sich 65,6% der Bevölkerung für ein Verbot der Aufbewahrung von Armeewaffen zu Hause aussprechen. 37% sind der Ansicht, dass ein solches Verbot Familiendramen reduzieren würde.

Gesamthaft sind in der Schweiz schätzungsweise zwischen 1,2 und 2 Millionen Feuerwaffen im Umlauf.

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