Waffenschutz-Initiative entfacht alte Diskussionen
Am Donnerstag wird die Initiative "Schutz vor Waffengewalt" im Nationalrat behandelt. Die Initianten fordern unter anderem, dass Ordonnanzwaffen nicht mehr zu Hause aufbewahrt werden. Die Armee setzt bereits heute Massnahmen zur Risikoverminderung um.
Die Initianten gehen davon aus, dass in der Schweiz rund 2,3 Millionen moderne Feuerwaffen zirkulieren. Das Genfer Forschungsinstitut «Small Arms Survey» geht sogar von 3,4 Millionen Schusswaffen aus. Beide Zahlen beziehen sich auf das Jahr 2007.
Auffallend ist, dass es sich vor allem um Armeewaffen handelt: 252’000 sind im Besitz von aktiven und 1’448’000 im Besitz von ehemaligen Soldaten. Die meisten werden zu Hause aufbewahrt.
Es ist nicht das erste Mal, dass der Nationalrat darüber debattiert, wie der Umgang mit Waffen im Waffengesetz zu regeln ist. In den letzten Jahren wurden den Räten bereits mehrere parlamentarische Vorstösse unterbreitet, die meist abgelehnt wurden.
Die Diskussionen auf der politischen Ebene haben aber auch dazu geführt, dass das Eidgenössische Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) verschiedene Massnahmen und Änderungen im Rahmen der Revision des Waffengesetztes eingeführt hat.
Dazu gehört zum Beispiel, dass seit Oktober 2007 die Taschenmunition eingezogen wird, die jungen Wehrleute in einem Pilotprojekt bei der Rekrutierung einer Risikoprüfung unterzogen werden, oder dass Ärzte und Psychologen «ernsthafte Hinweise» auf ein Gefährdungspotenzial melden können.
Kein freiwilliger Ansturm im Zeughaus
Seit dem 1. Januar 2010 gelten zudem zwei neue rechtliche Bestimmungen: Zum einen können Dienstwaffen nach Beendigung der Wehrpflicht nur noch mit einem Waffenschein erworben werden. Zum anderen steht es jeder militärdienstpflichtigen Person offen, ihre Dienstwaffe nach dem Militärdienst in einem Zeughaus zu deponieren.
Die Zahl der bisher freiwillig abgegebenen Waffen hält sich allerdings in Grenzen. Bis Ende Mai wurden seit der Einführung 551 Armeewaffen abgegeben. Davon entfallen 273 allein auf den Kanton Genf. Das ist deshalb so, weil in Genf die freiwillige Abgabe bereits seit dem Jahr 2008 möglich ist.
Ansonsten variiert die Anzahl der abgegebenen Waffen auf niedrigem Niveau stark zwischen den Kantonen: 50 in Zürich und Bern, 2 im Jura, in Schaffhausen oder Luzern. Im Wallis und in Uri wurde bis Ende Mai keine einzige Waffe freiwillig abgegeben.
Den Initianten genügt die freiwillige Abgabe der Ordonnanzwaffe allerdings nicht. Sie wollen ein Gesetz, das eine Aufbewahrung zu Hause generell verbietet. Wie im Initiativtext zu lesen ist, soll damit die Sicherheit, «besonders der Frauen und Kinder», erhöht, das Drohpotenzial gesenkt und Suizide verhindert werden.
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Gelegenheit macht Täter
«Die Verfügbarkeit von Waffen ist ein Risikofaktor für Drohungen und deren Umsetzung», erklärt der Gerichtspsychiater Josef Sachs gegenüber swissinfo.ch. «Dabei können durchaus auch Ordonnanzwaffen – die eigene oder die des Vaters – benutzt werden.»
Drohungen werden laut Sachs meist im häuslichen Umfeld und spontan geäussert. Sind Waffen leicht verfügbar, dann habe das bestimmte Folgen: «Menschen, die planen, kommen auch so zu einer Waffe. Diejenigen aber, die spontan aus einer Konfliktsituation heraus aggressiv werden, die greifen zu, weil die Waffe eben verfügbar ist», sagt Sachs.
«Wenn keine Waffe verfügbar ist, ist es wenig wahrscheinlich, dass der Täter auf eine andere Methode zurückgreift», erklärt der Gerichtspsychiater. Er beobachte immer wieder, dass Menschen, die Gewalt ausübten, dies oft auf eine stereotype Art täten. «Es sind nicht die gleichen Menschen, die zu Waffen greifen wie zu Messern.»
Schwierige Umsetzung für Fähigkeitsnachweis
Eine weitere Forderung der Initiative ist, dass ein Bedürfnis- und Fähigkeitsnachweis vorzulegen habe, wer seine Waffe nach dem Militärdienst behalten wolle. Dies soll auch generell für jeden Waffenerwerb gelten, also nicht nur für die Armeewaffen.
Ende 2009 empfahl der Bundesrat in seiner Botschaft die Initiative zur Ablehnung, ohne Gegenvorschlag. Er sieht die Schwierigkeiten vor allem in der konkreten Umsetzung. Es sei schwierig festzulegen, wann ein Bedarf «zulässig» sei und wie die erforderlichen «Fähigkeiten» für die verschiedenen Waffenkategorien zu definieren seien.
Das zeigt sich bereits bei Massnahmen der Risikoprüfung bei der Rekrutierung von jungen Wehrleuten. Wie Josef Sachs erklärt, gehe es dabei um eine Risikoeinschätzung: «Das beinhaltet nicht nur psychologische Faktoren, sondern auch Faktoren wie die frühere Ausübung von Gewalt.»
Doch wann besteht ein Risiko? Dazu Sachs: «Dann, wenn ich zum Beispiel von jemandem weiss, dass er massive Gewalt ausgeübt, eine massive Gewaltbereitschaft hat oder bereits Suizidhandlungen versucht oder Selbstverletzungen verübt hat.»
Aber letztlich sei es schwierig, eine sichere Einschätzung zu machen: «Es bleibt eine Risikoerwägung. Die Wahrscheinlichkeit, dass jemand mit der Waffe Gewalt ausübt, kann so zwar gesenkt werden. Aber man wird nie eine 100-prozentige Sicherheit haben, wie mit keiner Massnahme. Es ist aber eine Verbesserung der Sicherheit.»
Sandra Grizelj, swissinfo.ch
Der Schweizerische Friedensrat lancierte im Sommer 2002 die «Kampagne gegen Kleinwaffen». Mit einer Petition, die erstmals die Militärwaffen in Schweizer Haushalten thematisierte, forderte er eine wirksame Revision des Waffengesetzes.
Nach der öffentlichen Diskussion nach dem Fall Corinne Rey-Bellet im Sommer 2006, der darauf folgenden Annabelle-Petition und dem Verlauf der parlamentarischen Behandlung der Waffengesetz-Revision, schlug der Friedensrat im Herbst 2006 eine eidgenössische Volksinitiative vor.
Die Initiative «für den Schutz vor Waffengewalt» wurde im September 2007 lanciert und am 23. Februar 2009 mit 106’037 gültigen Unterschriften bei der Bundeskanzlei eingereicht.
Am 16. Dezember 2009 nahm der Bundesrat in einer Botschaft Stellung. Er empfiehlt die Initiative abzulehnen und auf einen Gegenvorschlag zu verzichten.
Auch die sicherheitspolitische Kommission des Nationalrates sprach sich am 22. März 2010 gegen die Initiative aus.
In der Sommersession 2010 wird die Initiative im Nationalrat, in der Herbstsession im Ständerat beraten.
Die Volksabstimmung findet voraussichtlich am 13. Februar 2011 statt.
Die Initiative fordert:
-Bedarfs- und Fähigkeitsnachweis für den Umgang mit Waffen.
-Ein Verbot jeglichen privaten Erwerbs von Seriefeuerwaffen und so genannten «Pump Actions».
-Ordonnanzwaffen sollen im Zeughaus und nicht zu Hause aufbewahrt werden.
-Ein zentrales Registrierungs-System für Feuerwaffen.
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