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Wahlkampf prägte die Herbstsession

Essen, trinken, überzeugen: Freiluft TV-Studio vor dem Bundeshaus. Keystone

Ein überraschend deutliches Ja zum AKW-Ausstieg, schärfere Eigenkapitalvorschriften für die Banken, neue Jets für die Armee, aber keine Lösung in der US-Steueraffäre: Die letzte Parlaments-Session vor den nationalen Wahlen stand auch im Zeichen des Wahlkampfs.

Spürbar war er draussen und drinnen. Draussen in Form eines gigantischen Freiluft TV-Studios mit Rock, Rap, Volksmusik, Wein- und Käse-Degustationen sowie Politiker-Interviews.

Drinnen: Aussergewöhnlich lange Rednerlisten, lange, parteipolitisch geprägte Debatten im gewöhnlich eher sachorientierten Ständerat und: der Aufschub eines brenzligen Dossiers.

Der Steuersünder-Streit zwischen den USA und verschiedenen Schweizer Banken droht zu eskalieren. Das US-Finanzministerium wirft unter anderen der Grossbank Credit Suisse und der Zürcher Kantonalbank vor, US-Bürger bei der Steuerhinterziehung unterstützt zu haben.

Deshalb verlangen die USA, dass die Schweiz bei der Amtshilfe auch Gruppenanfragen zulässt, also das Bankgeheimnis weiter lockert.

Loch im Bankgeheimnis vermeiden

Im aktuellen Doppelbesteuerungs-Abkommen (DBA) zwischen der Schweiz und den USA sind Gruppenanfragen nicht vorgesehen. Um eine Eskalation des Streits zu verhindern, legte der Bundesrat dem Parlament im Schnellzugstempo eine Änderung des DBA vor.

Doch das Parlament verweigerte die Feuerwehrübung und verschob das heisse Thema kurzerhand in die Wintersession, also in die Zeit nach den Wahlen.

«Als Politiker haben wir es satt, uns für die Versäumnisse von Bankiers vor laufende Kameras hinzustellen», begründete CVP-Parteipräsident Christophe Darbellay die Verschiebung. Linke Politiker kritisierten, die Bürgerlichen hätten – mit Blick auf ihre Wählerschaft – ein weiteres, schliesslich unvermeidliches Loch im Bankgeheimnis vermeiden wollen.

Höhere Eigenmittel für Grossbanken

Das Hin und Her zog sich wochenlang hin, doch am Schluss folgte das Parlament dem Bundesrat und stimmte einer Gesetzesrevision zu, die den so genannt systemrelevanten Banken höhere Eigenkapitalquoten vorschreibt.

Konkret müssen die Grossbanken ihre risikobehafteten Geschäfte in Zukunft mit einem Eigenkapital von gesamthaft 19% absichern. 10% davon müssen sie in Eigenkapital oder in Gewinnvorträgen halten, die restlichen 9% können sie in so genannten Coco-Bonds (Pflichtwandelanleihen) halten. Im Krisenfall müssten sie die Coco-Bonds in Eigenkapital umwandeln.

Als systemrelevant gelten Banken, deren Konkurs die gesamte Volkswirtschaft erheblich schädigen könnte. Welche Banken in diese Kategorie gehören, bestimmt die Nationalbank. Zurzeit sind es die Grossbanken Credit Suisse und UBS.

Der drohende Konkurs der UBS und das per Notrecht beschlossene, milliardenschwere Eingreifen des Staates im Herbst 2008 sind der Ursprung der nun beschlossenen strengeren Bankenregulierung.

Ja zum Ausstieg

Überraschend deutlich hat sich der Ständerat für den Ausstieg aus der Atomtechnologie ausgesprochen. Überraschend deshalb, weil die zuständige Kommission bis einen Tag vor dem Entscheid nach einer mehrheitsfähigen Lösung suchte.

Die freisinnigen Parlamentarier und die Vertreter der SVP wollten zusammen mit dem atomfreundlichen Flügel der CVP lediglich den Bau von Atomkraftwerken der aktuellen Generation verbieten.

Mit einer Formulierung, welche die Nuklearforschung grundsätzlich weiterhin erlaubt und ein Technologieverbot ebenso ausdrücklich ausschliesst, gaben sich schlieslich auch die Atombefürworter zufrieden. Denn theoretisch kann die Schweiz in einigen Jahrzehnten wieder auf die dannzumal serienreifen Nukleartechnologien zurückgreifen.

Die Meinungen waren bereits vor der Debatte gemacht. Dennoch waren die Rednerliste und die einzelnen Interventionen so umfangreich, dass diese mehrere Stunden dauerte. Der Entscheid war mit jeweils rund 40 zu 10 Stimmen in den einzelnen Abstimmungen jedoch deutlich.

Damit hat die Schweiz den Atomausstieg im Grundsatz beschlossen. Der nächste Meilenstein wird mit der Revision des Kernenergie-Gesetzes anstehen.

Geschenke an die Armee

Die Schweiz wird auch in Zukunft die – im Vergleich zur Einwohnerzahl – weitaus grösste Armee Europas haben. Das Parlament hat das Armee-Jahresbudget definitiv um 600 Millionen jährlich auf 5 Milliarden Franken angehoben und den Bestand auf 100’000 Mann festgelegt. Das sind 35% weniger als in der aktuellen Situation.

Der Bundesrat hatte in seinem im Herbst 2010 veröffentlichten Jahresbericht einen Bestand von 80’000 Mann für ausreichend gehalten.

Gleichzeitig hat das Parlament den Kauf von 22 neuen Kampf-Jets im Grundsatz bewilligt. Ursprünglich hätten die Jets über einen Sonderkredit finanziert werden müssen. Dieser wäre dem fakultativen Referendum unterstellt gewesen und hätte wahrscheinlich die Hürde einer Volksabstimmung nehmen müssen.

Doch nun hat das Parlament beschlossen, dass die Jets über das reguläre Rüstungsprogramm, verteilt auf einige Jahre, finanziert werden. Das Rüstungsprogramm ist nicht dem Referendum unterstellt.

Das Ende der Session am Freitag, 30. September, bedeutete für 50 Parlamentarierinnen und Parlamentarier auch das Ende ihrer Karriere im nationalen Parlament.

Sie treten am 23. Oktober nicht mehr zur Wiederwahl an.

Im Ständerat verabschiedete der noch zwei Monate amtierende Ständeratspräsident Hansheiri Inderkum zwei Ständerätinnen und neun Ständeräte, die der kleinen Kammer zwischen 12 und 20 Jahren angehört hatten.

Im Nationalrat verabschiedete Präsident Jean-René Germanier 11 Nationalrätinnen und 27 Nationalräte. Sie gehörten der grossen Kammer zwischen 16 und 24 Jahren an.

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