Warten auf die neue Bundesrätin
Während vor dem Bundeshaus bereits gefeiert wurde, warteten in der Wandelhalle die versammelten Medienleute auf die Wahl von Doris Leuthard zur Bundesrätin.
Bis die frischgewählte Ministerin zu ihren Fans auf den Platz hinaus konnte, musste sie im Parlamentsgebäude einen regelrechten Marathon absolvieren.
Dutzende vollverkabelte Menschen, mit ihren Kopfhörern und Antennen Astronauten gleich, hunderte Meter Kabel und ein provisorisches TV- oder Radiostudio nach dem andern. So präsentierte sich am Mittwoch Morgen die ehrenwerte Wandelhalle im Berner Bundeshaus.
Wo sonst die Politiker weitgehend ungestört sind, standen sich Radio- und Zeitungsjournalisten, Fotografinnen und Kameraleute gegenseitig im Weg oder liefen suchend umher, um Interviewpartner vor eine Kamera zu holen.
Im Gemurmel der anwesenden Medienleute und Parteivertreter gingen die Abschiedsrede von Joseph Deiss und die Erklärungen der Fraktionssprecher weitgehend unter. Trotz der erwartet klaren Wahl war dennoch eine gewisse Anspannung im Raum zu spüren, wie immer bei einer Bundesratswahl.
Der Moment
Das Gemurmel fand ein jähes Ende, als die Stimmenzähler zurück in den Saal kamen. Für etwas Spannung sorgte jedoch einzig das Prozedere der Bekanntgabe des Wahlgangs, nämlich die Frage, wie Nationalratspräsident Claude Janiak das Resultat ansagen würde.
«Stimmen haben erhalten» hätte bedeutet, dass ein weiterer Wahlgang nötig geworden wäre. Doch sein «gewählt ist mit 133 Stimmen» machte alles klar: Doris Leuthard hatte es im ersten Wahlgang geschafft.
Nach der Vereidigung begann der lange Tag der Doris Leuthard erst recht. Zuerst die Begrüssung durch den Gesamtbundesrat, dann der Interview-Marathon von einem Medium zum anderen, der erst am späten Abend zu Ende ging.
Das Gedränge
Der für die Sicherheit der Neugewählten verantwortliche Ruedi Moser von der Bundeskanzlei hatte seine liebe Mühe, den Spiessrutenlauf nicht «unwürdig» werden zu lassen. Doch während die letzte Bundesratswahl in geordneten Bahnen verlief, waren am Mittwoch wohl einige Leute zuviel in die Wandelhalle eingelassen geworden.
Die Menschentraube um und vor allem hinter Leuthard drückte sich durch Gänge und Hallen und wirkte hektisch und aufgeregt. Jede und jeder wollte möglichst sofort etwas von der Frischgewählten wissen.
Das Programm
Doch was ist von Doris Leuthard als Bundesrätin politisch zu erwarten? Welche Prioritäten will sie setzen? «Sicher den Dialog, die lösungsorientierte Politik und das Engagement vor allem auch für die Frauen», sagte sie im Gedränge gegenüber swissinfo. Und sofort ging’s weiter zum nächsten Interview.
Als die neue Ministerin die Wandelhalle verliess, wurde es ruhig. Zeit, die Parteispitzen zu fragen, was sie von ihr erwarten. Neue Erkenntnisse waren allerdings nicht zu gewinnen. Klar, dass sich die Bürgerlichen einen bürgerlichen Kurs und die Linken eher soziales Engagement erhoffen.
Die Erwartungen
Der Vorwurf, es habe keine Auswahl gegeben, war von links und rechts zu hören. Die Linke begrüsste trotzdem die Tatsache, dass wieder eine zweite Frau in der Landesregierung vertreten ist.
Neue Impulse erhoffte sich als einziger der ehemalige Präsident der Freisinnig-Demokratischen Partei (FDP) Gerold Bührer. «Das ist ein positiver Aspekt, dass wir nicht nur die älteren Herren in diesem Gremium haben, sondern jetzt auch eine jüngere Dimension erhalten.»
Derweil wurde die Gefeierte im Eingang des Bundeshauses bei Blasmusik und Wein beglückwünscht. Für die Fans vor dem Haus hiess es weiter: Warten auf Doris Leuthard.
swissinfo, Christian Raaflaub
Doris Leuthard, Aargauer Nationalrätin und Parteipräsidentin der Christlichdemokratischen Volkspartei der Schweiz (CVP), ist am 14. Juni kurz nach 9 Uhr zur Bundesrätin gewählt worden.
Sie erhielt 133 von 242 Stimmen. Ein durchschnittliches Resultat.
Leuthard ist die fünfte Frau, die in die Landesregierung (Bundesrat) gewählt wurde. Sie tritt ihr Amt am 1. August 2006 an.
Wer die Präsidentschaft der CVP übernimmt, wird am 2. September entschieden. Bis dahin leiten die beiden Vizepräsidenten Bruno Frick und Dominique de Buman die Partei.
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