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Was das Schweizer Budget über das Land verrät

Kompromiss im Parlament
Kompromiss gesucht: Die SP-Nationalräte Samuel Bendahen und Céline Widmer im Austausch mit Mitgliedern der SVP. Keystone / Anthony Anex

Die Schweiz hat ein Budget. Trotz aller Polarisierung findet das Parlament noch Kompromisse. Das Ergebnis zeigt auch: Im Bundeshaus gilt «Switzerland first».

Was Schweizerinnen und Schweizer im Ausland am meisten freuen dürfte: Die elektronische Identitätskarte kommt 2026. Das Geschäft ist durch. Beide Kammern des Parlaments haben es verabschiedet. Für die Schweizer Diaspora dürfte die elektronische Identität Erleichterungen im Umgang mit Behörden und allenfalls auch mit Banken bringen.

Ein wegweisender Entscheid des Ständerats liegt nun auch zum E-Collecting vor. Darunter versteht man das digitale Sammeln von Unterschriften für Volksinitiativen und Referenden.

Das E-Collecting hatte Priorität erhalten, nachdem der sogenannte «Unterschriften-Bschiss» ans Licht gekommen war: Gefälschte Unterschriften im grossen Stil, organisiert von kommerziellen Unterschriftensammlern. Vom E-Collecting verspricht sich der Ständerat einen zuverlässigen Sammel- und Überprüfungsprozess.

Mehr Partizipation für Schweizer:innen im Ausland

Für Schweizer:innen im Ausland würde E-Collecting auch die Teilnahme am Entstehungsprozess von Initiativen und Referenden ermöglichen.

Mitte-Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter hat erst kürzlich darauf hingewiesen, dass für die Diaspora diese Partizipationsmöglichkeit bisher erschwert wird. Das Geschäft wartet aber noch auf den Entscheid des Nationalrats.

Beobachter:innen gehen davon aus, dass mit einer Einführung von E-Collecting das Sammeln von Unterschriften beschleunigt und erleichtert würde. Dies könnte zu einer Zunahme, wenn nicht gar zu einer Flut von VolksinitiativenExterner Link führen.

Politanalyst Mark Balsiger sagt dazu auf SRF: «Volksinitiativen könnten so noch populärer werden.» Solche Überlegungen werden in die weitere Diskussion einfliessen.

Ringen ums Budget

Die Ausgangslage für den Haushalt war äusserst schwierig: Rundum wollen fast alle mehr Geld für das Militär – aber nur grundsätzlich, im Detail bleibt vieles umstritten. Klar ist: Für die zusätzlichen Aufgaben muss die Schweiz anderswo sparen. Aber wo und wie? Darüber gibt es so viele Meinungen wie Sitze in den Räten.

Erschwerend kommt hinzu, dass die beiden Kammern bei den Sparvorschlägen unterschiedlich ticken. Einige Kommentator:innen haben zu Beginn der Session sogar das Szenario skizziert, dass die Schweiz ohne Einigung mit einem Notbudget ins nächste Jahr gehen könnte.

Die Budget-Session hatte es also in sich, auch wenn die Schweiz vergleichsweise gut dasteht, zumindest ohne Altlasten dank der strengen Schuldenbremse.

In Deutschland zerbrach die Regierung am Haushalt. In Frankreich zwang ein unmögliches Schulden-Budget die Regierung zum Rücktritt. Und in den USA verschlingt der Schuldendienst die Summe des gesamten Schweizer Staatshaushalts.

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Sternstunde der Parlamentsarbeit

Technisch gesehen ist die Verabschiedung des Staatshaushalts in der Schweiz ein Ping-Pong zwischen den beiden Räten. Diese spielen ihre jeweiligen Beschlüsse so lange hin und her, bis das Budget geschliffen ist und steht.

Die erste Debatte fand im Nationalrat statt. Sie war laut, gehässig, die Lager standen sich unversöhnlich gegenüber und bewarfen sich zum Teil mit Hohn und Spott.

Dann ist der Ständerat an der Reihe. Wie er in die Debatte einsteigt, wird zur Sternstunde der Session. Denn er liefert ein Musterbeispiel für die gute alte Kompromisspolitik, ganz ohne Spektakel, nur um der Sache willen.

Seine Finanzkommission ist zunächst mit den Vorschlägen des Nationalrats in Klausur gegangen. Dann kommt sie mit einem einzigen, fein austarierten Kürzungsvorschlag in den Rat. Das allein ist angesichts der Ausgangslage eine Meisterleistung.

«Es passt nicht alles, aber es passt genug»

Der Glarner Ständerat Matthias Zopfi stellt diese Idee vor. Man könnte eine Stecknadel fallen hören, so konzentriert ist der Saal, als Zopfi spricht.

«Es ist vielleicht das wichtigste Geschäft der Session. Und ja, wir stehen in der Verantwortung. Wir brauchen erstens ein Budget; zweitens müssen wir die Ausrüstung unserer Armee mit Fairness und Realitätssinn, mit Besonnenheit angehen. Bis jetzt ist mein Eindruck, dass das Parlament ein eher trauriges Bild abgibt. Sie entscheiden, ob Sie das so weiterführen wollen, oder ob wir jetzt langsam in den Lösungsmodus übergehen.

Die Finanzkommission beantragt Ihnen eine integrale Lösung der Problematik. Integral heisst: Es passt mir nicht alles, aber es passt eben genug, damit es Sinn macht. Ich weiss, dass die Versuchung gross ist, jetzt in jedem einzelnen Bereich für das zu stimmen, was einem persönlich am besten passt. Bei mir ist diese Versuchung auch gross, aber ich sage Ihnen: Widerstehen Sie!»

Es war der Moment, in dem ein 40-jähriger Grüner aus dem Kanton Glarus eine entgleiste und stark polarisierte Budgetdiskussion wieder auf die Schienen stellte.

Staenderaetin Eva Herzog, SP-BS, rechts, spricht mit Staenderat Mathias Zopfi, GP-GL, Franziska Ryser, GP-SG, und Samira Marti, SP-BL, von links, waehrend der Wintersession der Eidgenoessischen Raete, am Donnerstag, 12. Dezember 2024 im Staenderat in Bern. (KEYSTONE/Anthony Anex)
Ständerat Mathias Zopfi bespricht sich mit Vertreterinnen der SP. Keystone / Anthony Anex

Armee: Wohin mit all dem Geld?

Denn in der Folge wies der Ständerat alle bestehenden Einzelanträge zurück und stimmte geschlossen für das Konzept seiner Kommission.

Damit setzt er ein so starkes Signal, dass es auch der Nationalrat nicht ignorieren kann. Die noch bestehenden Differenzen zwischen den Räten werden nun lösbar, Verhandlungssache.

Im Resultat setzte sich der rechtsbürgerlich dominierte Nationalrat weitgehend durch. Die Armee erhält 530 Millionen Franken. Auch bürgerliche Ratsmitglieder fragten sich aber, wie so viel Geld in einem einzigen Jahr sinnvoll ausgegeben werden kann.

Bei der Entwicklungshilfe werden dafür rund 100 Millionen Franken gekürzt, die Landwirtschaft bleibt verschont.

Grenzen der Solidarität

Besonders heftig wurde während der gesamten Verhandlungen über die Kürzungen bei der Entwicklungszusammenarbeit diskutiert.

Aussenminister Ignazio Cassis verteidigte sie mit drastischen Worten: «Angesichts des ‹Ring of fire› vor den Toren unseres Kontinents und der vielen Brandstifter brauchen wir sowohl den Brandschutz als auch die Feuerwehr und dürfen beides nicht gegeneinander ausspielen».

Mit Feuerwehr meinte Cassis die humanitäre Hilfe, mit Brandschutz die Entwicklungshilfe.

Cassis
Bundesrat Ignazio Cassis spricht mit FDP-Parteikollege Damian Müller. Keystone / Anthony Anex

So sendet das Budget des Schweizer Parlaments eine einfache Botschaft an den Rest der Welt: Die Solidarität der Schweiz hat Grenzen.

Denn das Parlament hat auch beschlossen, den Schutzstatus S für Menschen aus der Ukraine einzuschränken. Künftig erhalten nur noch Vertriebene aus den Kriegsgebieten der Ukraine diesen Status.

UNO-Migrationspakt ohne Schweiz

Beerdigt haben beide Räte zudem den UNO-Migrationspakt. Dieser definiert Massnahmen, um die Migration grenzüberschreitend zu ordnen. Die Schweiz hatte ihn einst mit erarbeitet. Nun tritt sie ihm definitiv nicht bei.

Vergeblich hatte Aussenminister Cassis diesen als nützliches Instrument im Umgang mit Migrationsströmen beschrieben. Die bürgerliche Mehrheit fürchtete, dass ein Ja zum Pakt zu Druck auf die Schweiz führen könnte.

Im Inland sorgten folgende Beschlüsse der Wintersession für Aufsehen: Der Staat greift der krisengeschüttelten Schweizer Stahlindustrie unter die Arme. Stalking wird in der Schweiz zum Straftatbestand.

Die Kunstflugstaffel Patrouille Suisse verliert ihre Flugzeuge. Die palästinensische Hamas wird als Terrororganisation verboten. Die schiitische Hisbollah soll ebenfalls verboten werden.

Wir haben hier darüber berichtet:

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Editiert von Marc Leutenegger und Samuel Jaberg

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