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Was die Schweiz tun will, um ihre Biodiversität besser zu schützen

Eine violette Blume mit einer Biene
„Die Schweiz ist bei der Biodiversität auf einem so niedrigen Niveau angekommen, dass es leicht ist, Fortschritte zu machen“, sagt Thibault Lachat, Professor für Waldökologie. Keystone / Gaetan Bally

Das Volk hat die Biodiversitätsinitiative begraben, doch der Bundesrat wird seine Strategie zum Erhalt der Vielfalt in der Natur weiter umsetzen. Auch wenn einige der ergriffenen Massnahmen Früchte tragen, braucht es noch viel Überzeugungsarbeit, sagt Thibault Lachat, Professor für Waldökologie.

Mit dem Nein des Schweizer Stimmvolks zur Biodiversitätsinitiative, muss man sich auf die bereits von der Regierung eingeführten Mittel zum Erhalt der Biodiversität in der Schweiz verlassen.

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Der Bund wird seine Politik in diesem Bereich weiterhin auf die Strategie Biodiversität SchweizExterner Link stützen, die 2012 verabschiedet wurde. Diese Strategie geht auf den Nachhaltigkeitsgipfel von 1992 in Rio de Janeiro zurück, bei dem die Schweiz die Konvention über die biologische Vielfalt unterzeichnete.

Diese Strategie wurde später in einem Aktionsplan konkretisiert, der 2017 vom Bundesrat verabschiedet wurde und 26 konkrete MassnahmenExterner Link vorsieht. Diese umfassen Massnahmen zur Erhaltung von Arten und Lebensräumen, aber auch „die Sensibilisierung von Entscheidungsträger/innen und der Öffentlichkeit für die Wichtigkeit der Biodiversität als unsere Lebensgrundlage“, wie das Bundesamt für UmweltExterner Link schreibt.

Welche Fortschritte gibt es?

Thibault Lachat, Professor für Waldökologie und Mitglied des Forums Biodiversität Schweiz, betont, dass in einigen Bereichen Fortschritte erzielt wurden, insbesondere in seinem eigenen. „Den Wäldern geht es viel besser als vor hundert Jahren, auch wenn wir noch weit von den Urwäldern [die nicht ausgebeutet oder gerodet wurden] entfernt sind“, sagt er.

Er stellt auch fest, dass sich die Waldfläche seit 1850 fast verdoppelt hat. Dies ist grösstenteils auf das Aufgeben von Land durch Landwirt:innen zurückzuführen, aber auch auf den Klimawandel, der es dem Wald ermöglicht, in höhere Lagen vorzudringen, erklärt der Wissenschaftler. 

Gemäss den Zielen des Bundes sollen die Waldreservate bis 2030 10% aller Waldflächen des Landes ausmachen. „Wir sind auf dem besten Weg, dieses Ziel zu erreichen“, freut sich Thibault Lachat.

Auch in anderen Bereichen werden kleine Fortschritte erzielt. „Zum Beispiel konnte der Rückgang der Amphibienpopulationen dank der ergriffenen Massnahmen gebremst werden“, sagt Thibault Lachat, betont aber gleichzeitig: Ein Drittel der Arten und fast die Hälfte der natürlichen Lebensräume sind heute bedroht.

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Welche Massnahmen müssen ergriffen werden?

Thibault Lachat sagt, es müsse nun vor allem an einem Punkt der Strategie verstärkt gearbeitet werden: der Sensibilisierung der Bevölkerung und der Politiker:innen für das Problem. „Bevor wir weitere Massnahmen entwickeln, ist es wichtig, die Menschen davon zu überzeugen, dass der Rückgang der Biodiversität ein ernsthaftes Problem darstellt. Derzeit gibt es weder den Willen der Bevölkerung noch den politischen Willen, etwas zu tun“, sagt er.

Lachat plädiert weiter dafür, mehr Flächen für die Biodiversität bereitzustellen und die Qualität dieser Flächen zu verbessern. „Um die Populationen bedrohter Arten zu erhöhen, müssen mehr geeignete Lebensräume geschaffen werden“, betont er, räumt jedoch ein, dass dies nicht überall einfach ist. „Auf landwirtschaftlichen Flächen könnten wir bloss die Qualität der zur Verfügung stehenden Flächen verbessern. In städtischen Gebieten wäre es dagegen möglich, ihre Quantität und Qualität zu erhöhen“, sagt er.

Thibault Lachat stellt klar, dass es nicht darum geht, diese Gebiete unter Verschluss zu halten. „Die Interessen der Biodiversität und der Wirtschaft können miteinander in Einklang gebracht werden. Ausserhalb von Waldreservaten ist es zum Beispiel möglich, Holz zu nutzen und dabei genügend Totholz und alte Bäume zu belassen, die für viele Arten einen unverzichtbaren Lebensraum darstellen.»

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Welche Massnahmen sollten ergriffen werden, um die Biodiversität in Ihrem Land zu erhalten?

Die Biodiversitäts-Initiative: Sie ist für die Gegnerinnen und Gegner zu extrem und für die Befürworterinnen und Befürworter unverzichtbar.

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Mit weniger Geld mehr erreichen?

„Um die Biodiversitätsstrategie umzusetzen, müssen jedoch die Mittel dafür bereitgestellt werden“, betont er. Laut den Zeitungen der Tamedia-GruppeExterner Link will der Bundesrat künftig weniger Geld für die Biodiversität ausgeben.

Die Tageszeitungen haben sich den Aktionsplan für die Jahre 2025 bis 2030 angeschaut. Sie stellten fest, dass dieser nur 9,6 Millionen Franken für die Umsetzung von 16 Massnahmen vorsieht, während der letzte Aktionsplan, der 2017 verabschiedet wurde, für einen ähnlichen Zeitraum insgesamt 50 Millionen Franken umfasste. „Das erweckt den Eindruck, dass wir auf der Ebene der Erhaltung der Biodiversität bald alle Ziele erreicht haben. Leider ist das überhaupt nicht der Fall“, sagt Lachat.

Trotzdem zeigt der Professor für Waldökologie einen gewissen Optimismus: Die Schweiz hat ein so niedriges Niveau der Biodiversität erreicht, dass es einfach ist, Fortschritte zu erzielen.»

Lesen Sie dazu unseren Artikel zum Rückgang der
Biodiversität in der Schweiz:

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Editiert von Samuel Jaberg, Übertragung aus dem
Französischen: Claire Micallef

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