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Weg ist frei für «Solidaritätsmilliarde»

Die neuen EU-Länder erhalten die Schweizer Milliarde. Keystone

Wie der Ständerat, hat nun auch der Nationalrat die Kohäsionszahlung zu Gunsten der 10 neuen EU-Mitgliedstaaten gebilligt.

Das neue Osthilfegesetz soll jedoch die Hilfe an den Süden nicht beeinträchtigen.

Der Nationalrat, die grosse Kammer des Schweizer Parlamentes, hat am Montag das neue Osthilfegesetz mit 116 zu 40 Stimmen gegen die Schweizerische Volkspartei (SVP) gebilligt.

Das Bundesgesetz über die Zusammenarbeit mit den Staaten Osteuropas löst einen bis 2008 befristeten Bundesbeschluss ab. Es war ursprünglich nur als definitive Grundlage für die Unterstützung des marktwirtschaftlichen Wandels der ehemals kommunistischen und sowjetischen Staaten gedacht.

Inzwischen hat sich die Schweiz verpflichtet, in eigener Regie 1 Mrd. Franken an die Verringerung der wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheiten in der EU der 25 zu leisten. Diese Zusage sei der Eintrittspreis für den Abschluss der bilateralen Abkommen II gewesen, sagte der freisinnige Kommissionssprecher John Dupraz.

Ost-West-Graben zuschütten

Mit Ausnahme der SVP waren alle Fraktionen für die Vorlage. Die Schweiz profitiere wirtschaftlich von der Ausdehnung der bilateralen Abkommen auf die neuen EU-Mitgliedstaaten, sagte der Sozialdemokrat Jean-Claude Rennwald. Verglichen mit den internen Ausgleichszahlungen der EU sei der Schweizer Beitrag ein Klacks.

Aussenministerin Micheline Calmy-Rey erklärte, das Gesetz ermögliche primär die Fortsetzung der erfolgreichen klassischen Osthilfe. Die Schweiz sei von Anfang an solidarisch mit den Transitionsstaaten gewesen. Der Graben zwischen Ost und West müsse zugeschüttet werden.

Das Zusammenwachsen Europas bringe mehr Sicherheit, mehr Stabilität und mehr Wohlstand – auch für die Schweiz, sagte Calmy- Rey. Die Schweiz werde von der Unterstützung der zehn neuen EU-Mitgliedstaaten profitieren, denn diese stellten eine der dynamischsten Wachstumsregionen dar.

Südhilfe garantiert

Die Solidaritätsmilliarde werde haushaltsneutral im Departement für äussere Angelegenheiten (EDA) und im Volkswirtschafts-Departement (EVD) kompensiert. Allenfalls würden Einnahmen aus der Zinsbesteuerung beibezogen. Die Entwicklungshilfe für die ärmsten Länder werde nicht gekürzt, sicherte Calmy-Rey zu.

Der Bundesrat, die Schweizer Regierung, werde dem Parlament auf die Herbst- und Wintersession hin zwei Rahmenkredite vorlegen: einen für die Fortsetzung der laufenden Osthilfe und einen für die Finanzierung von bilateralen Rahmenabkommen mit den zehn neuen Partnerstaaten. Diese Zahlungen liefen über eine Periode von 8 bis 10 Jahren.

Referendum?

Die EU werde sich mit einer Milliarde nicht zufrieden geben, warnten die Gegner der Vorlage. Wenn die Schweiz jetzt Ja sage, müsse sie bald auch für Rumänien, Bulgarien und vielleicht gar die Türkei zahlen.

SVP-Nationalrat Ulrich Schlüer verlangte, dass die EU zumindest Gegenleistungen erbringen muss. Die Schweiz dürfe nur bezahlen, wenn die EU auf jede Diskriminierung des Flughafens Zürich-Kloten verzichte, das Bankgeheimnis respektiere und die schweizerische Souveränität in Steuerfragen anerkenne.

Die Lega dei Ticinesi soll ein Referendum erwägen, und die Schweizer Demokraten sicherten bereits ihre Unterstützung zu.

Bei den übrigen Parteien fanden SVP und Schweizer Demokraten aber kein Gehör. Sie stuften die solidarische Zusammenarbeit mit der EU und Osteuropa als zentralen Pfeiler der Schweizer Aussenpolitik ein.

swissinfo und Agenturen

Die Schweiz zahlt während fünf Jahren insgesamt 1 Mrd. Franken in den Kohäsionsfonds der EU. Dieser soll die ökonomischen Unterschiede zwischen der «alten» EU und den neuen Mitgliedsländern verringern.

Nach dem Ständerat, der kleinen Kammer, hat nun auch die grosse Kammer, der Nationalrat, die «Solidaritätsmilliarde» zu Gunsten der 10 neuen EU-Mitgliedstaaten gebilligt.

Obwohl die Schweizerische Volkspartei (SVP) auf ein Referendum verzichten will, ist nicht ausgeschlossen, dass die rechte Lega dei Ticinesi das Referendum ergreift.

Die 1 Mrd. Franken sollen vom Volkswirtschafts-Departement und vom Aussenministerium aufgebracht werden. Die Summe soll jedoch nicht zu Lasten der Entwicklungshilfe gehen.

Unter den 10 neuen EU-Ländern ist Polen mit 489 Mio. Franken der grösste Nutzniesser des Schweizer Beitrages.

Ungarn erhält 131 Mio. Franken, die Tschechische Republik 110, Litauen, 71, Slowakei, 67, Lettland 60, Estland 40, Slowenien 22, Zypern und Malta je 3 Mio. Franken.

2 Mio. Franken bleiben für Sofortmassnahmen.

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