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Weltweite Erleichterung über Betancourt-Freilassung

Die befrreite Ingrid Betancourt (Mitte) mit ihrer Mutter Yolanda Pulecio (links) und ihrem Mann Juan Carlos Lecompte (rechts) auf dem Militärflughafen in Bogota. Keystone

Mehr als sechs Jahre nach ihrer Verschleppung ist die französisch-kolumbianische Politikerin Ingrid Betancourt zusammen mit 14 weiteren Geiseln von der Armee aus der Gewalt der Farc befreit worden. Die Schweiz hat darauf erfreut reagiert.

Nach ihrer Ankunft auf einem Militärflughafen in Bogotá am Mittwochnachmittag (Ortszeit) fiel die 46-Jährige als erstes ihrer Mutter Yolanda Pulecio und dann ihrem Mann Juan Carlos Lecompte in die Arme.

Bei einer Ansprache sagte Betancourt, die gesundheitlich in erstaunlich guter Verfassung zu sein schien, auf Spanisch und Französisch: «Ich danke Euch Kolumbianern. Ich danke Euch Franzosen und allen, die mich weltweit begleitet haben».

Details zur Aktion

Die Befreiung fand in einem Waldgebiet des Verwaltungsbezirks Guaviare im Südwesten des Landes statt, wie der kolumbianische Verteidigungsminister Juan Manuel Santos auf einer Pressekonferenz sagte. Seinen Angaben zufolge war es gelungen, eigene Leute in den «obersten Zirkel» der Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (Farc) einzuschleusen.

Da die Geiseln zunächst in drei Gruppen aufgeteilt worden seien, hätten die Undercover-Agenten zunächst mit einem gefälschten Befehl von Farc-Chef Alfonso Cano bewirkt, dass die Geiseln wieder zusammengeführt wurden.

Die eingeschleusten Agenten machten den Farc-Rebellen demnach zudem glaubhaft, Cano habe den Transport der Geiseln in den Süden des Landes angeordnet. Daraufhin wurden die Gefangenen laut Santos in einen Helikopter verfrachtet, der in Wirklichkeit der Armee gehörte und in dem sich kolumbianische Geheimdienstagenten befanden.

«Ein Wunder»

Auch Betancourt äusserte sich zum Verlauf der Befreiungsaktion: Sie und die 14 weiteren befreiten Geiseln hätten nicht gewusst, dass es sich bei der Besatzung des Helikopters um in die Rebellen-Gruppe eingeschleuste Agenten der kolumbianischen Armee gehandelt habe.

Die Soldaten seien wie die Guerillas gekleidet gewesen und hätten wie sie gesprochen. Erst als der Helikopter in der Luft war, habe einer der Soldaten gesagt: «Wir sind von der kolumbianischen Armee. Sie sind frei!»

Der Helikopter habe daraufhin etwas an Höhe verloren, da die Geiseln in die Luft sprangen. «Wir haben geschrien, geweint und uns umarmt. Wir konnten es nicht glauben», erzählte Betancourt. «Das ist ein Wunder», sagte sie.

Dank an die Schweiz

Umgeben von Betancourts Kindern gratulierte Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy am Mittwochabend im Élyséepalast dem kolumbianischen Präsidenten Uribe für die Befreiung der Politikerin. Gleichzeitig bedankte er sich unter anderem bei der Schweiz und Spanien, «die uns immer geholfen haben».

Aussenministerin Micheline Calmy-Rey sieht die Befreiung der kolumbianischen Farc-Geiseln auch als Erfolg für alle Länder, die an den Vermittlungsbemühungen beteiligt waren. Sie will noch im August nach Kolumbien reisen.

«Ich möchte meine Freude ausdrücken, denn noch vor wenigen Wochen waren wir wirklich beunruhigt», sagte Calmy-Rey am Donnerstag gegenüber dem Westschweizer Radio. Die Befreiung sei «wunderbar» für Ingrid Betancourt und für die anderen Geiseln.

Forderungen

«Ich gratuliere der kolumbianischen Regierung, Präsident Alvaro Uribe und allen, die auf diesen Erfolg hingearbeitet haben», erklärte Calmy-Rey. Jetzt müssten die Anstrengungen weitergehen, um die Menschen, die sich noch in Geiselhaft befänden, zu befreien.

Die Schweizer Aussenministerin war über die Befreiungsaktion der kolumbianischen Streitkräfte nicht im Vorfeld informiert worden. Es habe jedoch Kontakte zwischen Emissären der Schweiz und Frankreichs mit der Farc gegeben.

Auch UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon, EU-Aussenkommisar Benita Ferrero-Waldner und verschiedene Länder forderten die Farc-Rebellen auf, die anderen noch in ihrer Gewalt befindlichen Geiseln sofort und ohne Bedingungen freizulassen. Die Farc hat noch etwa 700 Menschen in ihrer Gewalt.

swissinfo und Agenturen

Seit Dezember 2005 hatten die Schweiz, Frankreich und Spanien ihre Vermittlungs-Bemühungen in Kolumbien verstärkt.

Die drei Länder schlugen eine entmilitarisierte Zone von 280 km2 vor, um den Austausch von Geiseln und Gefangenen zwischen der Regierung und den Rebellen zu erleichtern.

Die Regierung Kolumbiens und die 17’000 Mann zählenden Bewaffneten Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (Farc) bekämpfen sich seit vier Jahrzehnten.

Die Farc wurde in den 1960er-Jahren gegründet. Sie kontrolliert heute gegen 40% des kolumbianischen Territoriums, besonders in den Dschungelgebieten und den Ebenen am Fuss der Anden.

Die Rebellenorganisation wird von den USA und der Europäischen Union (EU) als Terror-Organisation eingestuft. Die Farc selbst sieht sich jedoch als Vertreterin im Kampf der armen Landbevölkerung gegen die Reichen.

Die Farc finanziert sich durch verschiedene Aktivitäten, darunter Geiselnahmen, Erpressung und die direkte und indirekte Teilnahme am Drogenhandel.

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