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Wenn der Staat das Glücksspiel regelt: Sportwetten in der Schweiz

Personen bei einem Public Viewing
Mehr als ein Fünftel der Schweizer:innen, die Sportwetten abschliessen, tun dies hauptsächlich, um "die Spannung und das Erlebnis zu geniessen". KEYSTONE/Manuel Lopez

Die Fussball-Europameisterschaft 2024 und die Olympischen Spiele sind nur noch wenige Wochen entfernt, Buchmacher:innen und Wettende freuen sich auf einen Sommer voller Sportwetten. Aber wie einfach ist es eigentlich, in der Schweiz zu wetten?

Der weltweite Sportwettenmarkt ist riesig: Die Einnahmen werden in diesem Jahr voraussichtlich mehr als 45 Milliarden Dollar erreichenExterner Link (rund 41,2 Milliarden Franken) und in den nächsten fünf Jahren um mehr als 7% wachsen.

In der Schweiz steigen damit die staatlichen Einnahmen aus Lotterie und Sport, und da die Gewinne legal in gute Zwecke zurückfliessen müssen, ist theoretisch (fast) jede:r ein:e Gewinner:in.

Wie beliebt sind Sportwetten in der Schweiz?

Die Schweiz spielt zwar nicht in der gleichen Liga wie Australien, wo jede erwachsene Person durchschnittlich fast 1000 Dollar pro Jahr verliertExterner Link (hauptsächlich an Spielautomaten).

Aber laut einem Bericht der Interkantonalen Geldspielaufsicht Externer Linkgeben auch die Schweizer:innen einiges für Lotterie und Sportwetten aus.

Im Jahr 2022 waren es durchschnittlich 426 Franken. Dabei haben sie leider nur 293 Franken pro Person zurückerhalten, was einen durchschnittlichen Nettoverlust von 133 Franken bedeutet.

Wenn es um die Motivation für Sportwetten geht, ist es für 40% der Schweizer:innen der «Wunsch, Geld zu gewinnen“ (im Vergleich zu 48 % weltweit), so die Ergebnisse der Sportwetten-Umfrage in der Schweiz, einer repräsentativen Erhebung des Marktforschungsunternehmens TGM Externer Linkim Oktober 2022.

Was die Häufigkeit der Schweizer Wetten betrifft, so gaben 25% der Befragten an, dass sie in den letzten 12 Monaten Sportwetten platziert hätten.

Davon wetten 13% mehrmals pro Woche, 10% einmal im Monat und 49% mehrmals im Jahr oder seltener. 3% geben an, täglich auf Sport zu wetten.

Wie wird in der Schweiz auf Sport gewettet?

Fast 80% der Fans, die auf Sport wetten, tun dies laut der TGM-Umfrage über das Internet oder via mobile Apps.

Im Jahr 2018 haben drei Viertel der Schweizer Stimmbürger:innen einer Revision des Glücksspielgesetzes zugestimmt.

Demzufolge können Schweizer Spieler:innen nur bei Schweizer Casinos und Lotterien Wetten platzieren oder Poker spielen. Sprich bei Institutionen, die in der Schweiz Steuern zahlen und Massnahmen zum Schutz vor Spielsucht ergriffen haben.

Ausländische Seiten wie «bet365» werden von den Schweizer Telekommunikationsanbietern automatisch blockiert.

Swisslos (in der deutsch- und italienischsprachigen Schweiz) und Loterie Romande (in der französischen Schweiz) sind die einzigen legalen Wettanbieter, die in der Schweiz Lotterien und Sportwetten anbieten dürfenExterner Link.

Spieler:innen ab einem Mindestalter von 18 Jahren können über die Websites von Sporttip (Swisslos) oder Jouez Sport (Loterie Romande), deren Apps oder an Tausenden von Verkaufsstellen (z.B. bei Kiosken) im ganzen Land wetten.

Grosse Buchmacher wie William Hill in Grossbritannien gibt es in der Schweiz hingegen nicht.

Webseite
So einfach platziert man eine Wette auf der Webseite von Jouez Sport. Keystone/ Laurent Gillieron

Laut Swisslos haben sich die meisten ausländischen Wettanbieter seit Inkrafttreten des neuen Glücksspielgesetzes im Jahr 2019 aus dem Schweizer Markt zurückgezogen.

«Trotz des neuen Gesetzes versuchen aber immer noch einige wenige, Schweizer Kundinnen und Kunden gezielt und illegal auf ihre Webseiten zu locken und die Schweizer Gesetze zu umgehen“, schreibt Swisslos.

Und warnt: Wer bei ausländischen Wettanbietern spiele, habe keine Garantie, dass Gewinne im Streitfall auch tatsächlich ausbezahlt würden.

Zudem sind Gewinne von ausländischen Buchmacher:innen nicht steuerfrei. In der Schweiz hingegen sind Gewinne aus Sportwetten erst ab einer Million Franken einkommensteuerpflichtig.

Warum bietet Sporttip nicht alle Wetten und Ligen an, so wie ausländische Wettanbieter?

Die Eidgenössische Spielbankenkommission weist darauf hinExterner Link, dass das Anbieten von Wetten auf Sportereignisse, bei denen ein «erhöhtes Risiko der Wettbewerbsmanipulation“ besteht, verboten ist.

Um sicherzustellen, dass Schweizer Spieler:innen nicht Gefahr laufen, Opfer von Spielmanipulationen zu werden, und um Geldwäsche durch Sportwetten zu verhindern, schränkt die Aufsichtsbehörde das Wettangebot ein.

So darf Sporttip beispielsweise zu Einzelsportereignissen keine Wetten anbieten. Allerdings können alle grossen Ligen und wichtigen Sportereignisse legal gespielt werden, heisst es.

Die Uefa-Fussball-Europameisterschaft 2024 (Euro 2024) findet vom 14. Juni bis 14. Juli in zehn Städten in Deutschland statt.

Vierundzwanzig Mannschaften (einschliesslich der Schweiz) haben sich qualifiziert. Die Favoriten sind laut den Wettquoten England, Frankreich und Gastgeber Deutschland.

Die drei Gruppenspiele der Schweiz finden gegen Ungarn (15. Juni), Schottland (19. Juni) und Deutschland (23. Juni) statt.

Die Buchmacher:innen gehen davon aus, dass die Schweiz in ihrer Gruppe Zweite wird, aber ihr Achtelfinalspiel verliert (und sich damit nicht für das Viertelfinale qualifiziert).

Zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Artikels bieten die Buchmacher:innen eine Quote von 80:1 für den Gewinn des Pokals durch die Schweiz an. Dieselbe Quote wie für das Nachbarland Österreich.

Ausserdem kann man in der Schweiz, anders als beispielsweise in Grossbritannien, keine Wetten auf nicht-sportliche EreignisseExterner Link wie das Wetter oder den nächsten Premierminister (respektive Bundesrat) abschliessen.

Mehr

Was ist die Idee hinter Sporttip und Jouez Sport?

«Die Nettoeinnahmen aus Sportwetten müssen vollumfänglich für gemeinnützige Zwecke verwendet werden», heisst es in Artikel 106 Absatz 6 der Schweizerischen Bundesverfassung.

Während die Betreiber:innen von Geschicklichkeitsspielen über ihre Nettoeinnahmen frei verfügen können, sind die Lotterieorganisationen gesetzlich verpflichtet, diese für gemeinnützige Zwecke zu verwenden.

Swisslos unterstützt nach eigenen Angaben jährlich mehr als 21’000 Projekte in den Bereichen Kultur, Sport, Soziales und Umwelt.

Der Gewinn aus den Swisslos-Lotterien und -Sportwetten beläuft sich im Jahr 2023Externer Link auf 511 Millionen Franken, gegenüber 490 Millionen Franken im Vorjahr.

Davon gehen 56 Millionen Franken an die Stiftung Sportförderung Schweiz, die für die Verteilung der Beiträge an den nationalen Sport zuständig ist, und 455 Millionen Franken werden unter den 20 Swisslos-Kantonen und Liechtenstein aufgeteilt.

Obwohl seit 1970 mehr als sechs Milliarden Franken für gute Zwecke geflossen sind, ist das System nicht unumstritten.

Ein Video des öffentlich-rechtlichen Schweizer Fernsehens SRF zeigtExterner Link, dass nur 5% der Gesamtsumme an kleine Vereine (Beträge unter 10’000 Franken) gehen; ein Drittel der Gelder wird zu Beiträgen von mindestens einer Million Franken an Institutionen wie Theater, Museen und Konzerthäuser ausbezahlt.

Im Kanton Aargau flossen laut SRF 250’000 Franken in die Feierlichkeiten zur Wahl von Doris Leuthard in den Bundesrat im Jahr 2006.

Ist Glücksspiel in der Schweiz ein Problem?

Nach Schweizer Recht muss ein Casino ein Spielverbot aussprechen, wenn es weiss, dass ein:e Spieler:in verschuldet ist oder seinen:ihren finanziellen Verpflichtungen nicht nachkommen kann.

Dies gilt auch, wenn die Person im Vergleich zu ihrem monatlichen Einkommen respektive ihrem Vermögen hohe Geldbeträge verspielt.

Die Kantone sind zudem verpflichtet, Präventionsmassnahmen zu ergreifen und Beratungs- und Behandlungsangebote für Spielsüchtige anzubieten.

Dennoch haben problematische Online-Glücksspielgewohnheiten seit der Einführung des neuen Glücksspielgesetzes im Jahr 2019 zugenommen, wie Anti-Sucht-Gruppen berichten.

Im Jahr 2018 gaben 25% der von Sucht Schweiz und dem Westschweizer Suchtverband befragten 1395 Personen an, wöchentlich online zu spielen; 2021 waren es bereits 30 Prozent, wie die Organisationen letztes Jahr mitteilten.

Besonders besorgniserregend sei die Zunahme der so genannten «problematischen Spielerinnen oder Spieler“, die sich von 2,3% auf 5,2% mehr als verdoppelt habe.

Menschen im Alter von 18 bis 29 Jahren waren am stärksten betroffen: Etwa 19% von ihnen zeigten Anzeichen für ein mässig riskantes oder problematisches Verhalten.

Die Mehrheit der Befragten nannte zwei Faktoren für ihr Verhalten: erstens die starke Zunahme des Schweizer Online-Glücksspielangebots im Rahmen des Gesetzes 2019 und zweitens die Covid-19-Pandemie respektive die Schliessungen, welche die Menschen ins Internet getrieben haben.

Die Befragten erwähnten auch die intensiven Marketingstrategien von Online-Glücksspielanbieter:innen.

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