Wieder klar bürgerliche Regierung im Kanton Zürich
Die SVP hat auf Kosten der Grünliberalen ihren 2005 verlorenen Sitz zurückgewonnen. Der Regierungsrat besteht neu aus je zwei Vertretern von SVP, FDP und SP sowie einem CVP-Vertreter.
Bei der Wahl des Zürcher Kantonsparlamentes musste die SP massive Verluste hinnehmen. Sie verliert 17 Sitze an Grünliberale, Grüne und Alternative.
Im Gegensatz zu vor vier Jahren, als die beiden bürgerlichen Parteien noch getrennte Wege gingen, zahlte sich diesmal das gemeinsame «Viererticket» aus. Überraschend schnitten die beiden Kandidaten der Freisinnig-Demokratischen Partei (FDP) aber deutlich besser ab als ihre Weggefährten von der Schweizerischen Volkspartei (SVP).
Die erst seit Sommer 2006 amtierende Baudirektorin Ursula Gut (FDP, bisher) nahm mit 151’730 Stimmen unangefochten den Spitzensplatz ein. Ihr Parteikollege Thomas Heiniger (FDP, neu) schaffte es mit 133’768 Stimmen auf den ausgezeichneten dritten Platz. Er ersetzt den zurücktretenden Ruedi Jeker (FDP).
Fuhrer auf dem letzten Platz
Die SVP holte zwar mit Markus Kägi (neu) den 2005 an die Christlichdemokratische Volkspartei (CVP) verlorenen Sitz zurück. Mit 112’995 Stimmen landete Kägi auf dem 6. Platz. Noch schlechter schnitt Rita Fuhrer (SVP, bisher) ab: Mit 112’607 Stimmen wurde sie als Letzte gewählt, nachdem sie vor vier Jahren noch sehr hoch in der Wählergunst gestanden hatte.
Zwischen 1995 und 2005 waren SVP und FDP stets mit jeweils zwei Vertretern in der Zürcher Exekutive vertreten. Nach dem überraschenden Abgang von SVP-Regierungsrat Christian Huber war es der Partei nicht gelungen, diesen Sitz in der Ersatzwahl von 2005 zu verteidigen.
Der damals von der CVP gewonnene Sitz blieb ungefährdet. Finanzdirektor Hans Hollenstein (CVP) drang mit 136’977 Stimmen auf den 2. Platz vor. Ihre beiden Sitze verteidigen konnte die Sozialdemokratische Partei (SP), allerdings ohne ein Glanzresultat zu erzielen: Markus Notter erhielt 128’384 Stimmen, Regine Aeppli 121’671 Stimmen.
Parteispaltung brachte Sitzverlust
Die grosse Verliererin bei den Regierungsratswahlen ist die Grün-Liberale Partei. Sie konnte den Sitz der abtretenden Verena Diener nicht halten. Nationalrat Martin Bäumle (neu) erhielt 90’851 Stimmen und erreichte damit nur den 9. Platz.
Noch besser schnitt der Grüne Martin Graf (neu) ab. Er kam auf 97’542 Stimmen. Sowohl Bäumle als auch Graf schafften das absolute Mehr von 87’922 Stimmen. Sie schieden aber als überzählig aus.
Bei den letzten Wahlen waren beide Gruppierungen noch zusammen als Grüne Partei angetreten. Verena Diener wurde damals als Mitglied der Grünen komfortabel bestätigt. Aufgrund der Spaltung der Partei kämpften heuer beide Flügel um einen Sitz.
Abgeschlagen auf den Plätzen 10 und 11 landeten Johannes Zollinger von der Evangelischen Volkspartei (EVP, neu) mit 46’686 Stimmen und Markus Alder von den Schweizer Demokraten (SD, neu) mit 8535 Stimmen. Die Wahlbeteiligung lag bei 32,8%.
Massive SP-Verluste bei Kantonsratswahlen
Die SP hat bei den Zürcher Kantonsratswahlen 17 Sitze an die Grünliberalen, die Grünen und die Alternative Liste verloren. Die SVP büsste fünf Sitze ein, die FDP bleibt unverändert.
Sitzgewinne gab es auch für die Mitteparteien EVP, CVP und Eidgenössische Demokratische Union (EDU). Neu im Kantonsparlament vertreten ist die Alternative Liste. Rausgeflogen sind dagegen die Schweizer Demokraten.
Klare Wahlsieger sind die Grünliberalen. Sie schafften bei den kantonalen Parlamentswahlen auf Anhieb den Einzug mit 10 Mitgliedern. Die Grünen legten um 5 auf 19 Sitze zu.
Die grosse Verliererin ist die SP, die vor vier Jahren mit 10 Sitzgewinnen die Wahlsiegerin war. Die SP-Delegation schrumpft von 53 auf 36 Mitglieder. Die SVP kommt noch auf 56, die FDP bleibt bei 29 Sitzen. Somit verloren die beiden bürgerlichen Parteien ihre bisherige knappe Mehrheit im 180-köpfigen Parlament.
Reaktionen
Fulvio Pelli, Präsident der FDP Schweiz, sieht durch die Zürcher Wahlen den eidgenössischen Trend bestätigt, dass die FDP mit einem eigenständigen Profil bei den Wählenden punkten könne. Dies zeige sich vor allem bei den Regierungsratswahlen, sagte Pelli.
Bei den Kantonsratswahlen hingegen sei das Vertrauen der Wählerschaft noch nicht gross genug. Deshalb schlage sich hier das eigenständige Profil der FDP noch nicht in Stimmengewinnen nieder.
Für SVP-Präsident Ueli Maurer sind die Zürcher Wahlen im Rahmen der Erwartungen ausgegangen. Eher grösser als erwartet seien die Sitzumschichtungen im linken Lager ausgefallen. Sie bestätigten aber die bisherigen Trends bei den kantonalen Wahlen.
Mit der eigenen Partei ist Maurer bei den Regierungsratswahlen zufrieden. Bei den Kantonsratswahlen habe man das Minimalziel erreicht. Zu Vorsicht mahnte Maurer mit Schlussfolgerungen aus dem Zürcher Ergebnis für die eidgenössischen Wahlen im Oktober.
Hans-Jürg Fehr, Präsident der SP Schweiz, bedauert die klare Niederlage seiner Partei. Allerdings dürfe man vom Zürcher Resultat nicht auf die Resultate im Herbst bei den eidgenössischen Wahlen schliessen.
Erfreulich sei hingegen, dass die SP im Regierungsrat ihre zwei Sitze habe verteidigen können. «Dadurch, dass SVP und FDP im Parlament die Mehrheit verlieren, ergeben sich für die SP neue Koalitionsmöglichkeiten», so Fehr. Zudem sei die politische Mitte gestärkt worden, was eine markante Veränderung sei.
Die Präsidentin der Grünen Partei der Schweiz, Ruth Genner, sieht nach den Zürcher Wahlen zusätzlichen Rückenwind für ihre Partei. Der Trend zu grünen Gewinnen, der bei allen kantonalen Wahlen der letzten Jahre zu beobachten sei, habe sich im Kanton Zürich noch verstärkt.
Vom Rückenwind habe auch die Grün-Liberale Partei profitiert, obwohl sie kein klares Programm habe. Als bedauerlich bezeichnete Genner die Verluste der SP im Kanton Zürich.
CVP-Präsident Christophe Darbellay sieht im Ausgang der Zürcher Wahlen eine Bestätigung der eigenständigen Strategie seiner Partei. Regierungsrat Hans Hollenstein habe ein «Bombenresultat» erzielt, und zwar ohne Unterstützung von FDP und SVP, so Darbellay.
Die Resultate des Kantonsrats bestätigten den Trend zu Umschichtungen innerhalb des linksgrünen Lagers. Es bestätige sich zudem, dass der Vormarsch der Grünen nicht zu Lasten der Bürgerlichen gehe. Für die eidgenössischen Wahlen im Herbst ist der CVP-Präsident zuversichtlich.
swissinfo und Agenturen
Bei der Wahl des 180-köpfigen Zürcher Kantonsparlamentes ist am Sonntag ein neues System angewendet worden. Es bedeutet die doppelt proportionale Zuteilung der Parlamentssitze und hat bei der Weltpremiere im Februar letzten Jahres bei den Stadtzürcher Wahlen für die eine oder andere Überraschung gesorgt.
Das System teilt die Parlamentsmandate in zwei Schritten zu. Zunächst werden die Stimmen aller Wahlkreise zusammengezogen und die Sitze den Parteien entsprechend ihren Wähleranteilen zugeteilt. Erst dann werden die Sitze auf die einzelnen Wahlkreislisten verteilt.
Das neue System beseitigt die frühere Benachteiligung kleiner Parteien und soll den Wählerwillen genau abbilden. Im Februar 2006 bescherte das System in der Stadt Zürich den grossen Parteien SP und SVP erhebliche Sitzverluste, wogegen kleinere Parteien teils deutlich zulegen konnten.
Die Schweiz besteht aus 20 Kantonen und 6 Halbkantonen, die mit den deutschen Bundesländern oder mit den amerikanischen Staaten verglichen werden können.
Diese 26 souveränen Kantone, die eine eigene Regierung und ein eigenes Parlament haben, bilden zusammen die Eidgenossenschaft.
Seit der Gründung des Bundesstaates im Jahr 1848 sind die Kompetenzen der Kantone eingeschränkt worden.
Dennoch verfügen sie auch heute noch über eine grosse Autonomie, insbesondere im Steuerbereich und im Bildungswesen.
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