Wiederaufbau von 5’500 Häusern dank Caritas
Die Caritas Schweiz hat in Bosnien-Herzegowina nach dem Krieg den Wiederaufbau von 5'500 Häusern und Wohnungen für etwa 20'000 Menschen ermöglicht.
Seit 1995 koordiniert Peter Amhof als Delegierter vor Ort eines der grössten Programme des Schweizer Hilfswerks.
Die meisten Fassaden sind renoviert, die Dächer geflickt, mancher Neubau ist entstanden. Wenn Peter Amhof (52) aus dem Fenster des Büros der Caritas Schweiz in der Altstadt von Sarajewo schaut, deutet auf den ersten Blick kaum mehr etwas darauf hin, dass in Bosnien-Herzegowina von 1992 bis 1995 ein furchtbarer Krieg tobte. Mindestens 100’000 Menschen kamen dabei ums Leben.
Fast die Hälfte der damals knapp 4,4 Millionen Einwohner wurde aus ihren Städten und Dörfern vertrieben oder flüchteten – über 20’000 von ihnen in die Schweiz. Bei der Unterzeichnung des Dayton-Friedensabkommens vom Dezember 1995 waren 450’000 Häuser zerstört. Auch die Wohnung von Ranko und Mira Mitrovic unmittelbar neben dem Flughafen von Sarajewo war zerschossen und komplett ausgebrannt.
Caritas vor Ort
Seit Kriegsbeginn hatte die Caritas Schweiz über lokale Partnerorganisationen Nothilfe für die leidende Zivilbevölkerung geleistet. Im Sommer 1995 sah das Hilfswerk den Zeitpunkt für gekommen, einen Schweizer Delegierten permanent nach Bosnien-Herzegowina zu entsenden, obwohl in weiten Teilen des Landes noch immer gekämpft wurde.
Peter Amhof, der zuvor für die Caritas zehn Jahre lang das Asylbewerberzentrum Bad Knutwil bei Sursee (LU) geleitet hatte, nahm die Herausforderung an und arbeitete zunächst in der Stadt Mostar im Süden des Landes, wo die Waffen bereits schwiegen.
Schon bald nach dem Dayton-Abkommen wurde das Caritas-Hauptbüro nach Sarajewo verlegt. Die Hilfsorganisation hatte sich entschieden, ihren Schwerpunkt zunächst auf den Wiederaufbau von weitgehend zerstörten Dörfern zu legen.
So fuhr Peter Amhof immer wieder zu Dorfversammlungen und erklärte dort die Prinzipien der Caritas, die bis heute die gleichen geblieben sind: «Die Begünstigten müssen das Haus schon vor dem Krieg bewohnt haben und bereit sein, die Bauarbeiten selbst auszuführen.
Die Caritas stellt den Familien das gesamte benötigte Baumaterial zur Verfügung, damit sie das Haus wieder bewohnbar machen können.» Die Materialkosten liegen bei durchschnittlich 10’000 Franken pro Haus.
Rückkehr
Auch die Mitrovics konnten im Jahr 2002 dank Caritas Schweiz nach Hause zurückkehren, nachdem sie zuvor in einer anderen Wohnung provisorisch untergebracht waren.
Nicht ohne Stolz zeigt der 77-jährige Ranko, wie er und seine Frau die Wohnung wieder einfach möbliert und verschönert haben. Beim Einbau des Materials habe ihnen einer ihrer Söhne geholfen, erzählt Mira (73). Die Augen der Mitrovics strahlen – sie sind der Caritas dankbar für den Neuanfang in ihrer alten Wohnung.
Peter Amhof unterhält sich in fliessendem Bosnisch mit dem Rentnerehepaar. Wer mit dem Caritas-Delegierten unterwegs ist, spürt sofort: Peter Amhof versteht die Menschen, nicht nur sprachlich. «Ja, ich bin hier inzwischen wie zu Hause, nicht nur, weil ich seit einigen Jahren mit einer Frau aus Sarajewo verheiratet bin», sagt der Germanist und Sohn einer Bauernfamilie aus Steinhausen (ZG).
Wiederaufbau vollbracht
Wie fast alle internationalen Organisationen beendet auch Caritas Schweiz Ende 2007 ihr Wiederaufbau-Programm in Bosnien-Herzegowina. Grund: Wer sich zu einer Rückkehr in den Vorkriegswohnort entschieden hatte, tat dies meist bereits – eine Million Menschen bis Ende 2006. Jenen, die diesen Schritt noch vor sich haben, bietet mittlerweile der Staat eine gewisse Unterstützung an.
Caritas hat im Laufe der letzten zwölf Jahre den Wiederaufbau von 5’500 Häusern und Wohnungen für etwa 20’000 Menschen möglich gemacht – «das entspricht einem mittelgrossen Schweizer Städtchen», vergleicht Peter Amhof.
Parallel dazu finanzierte das Schweizer Hilfswerk an verschiedenen Orten auch die Wiederherstellung der Strom- und Wasserversorgung oder die Instandsetzung von Schulen und Strassen und unterstützte die Begünstigten beim Neustart in der Kleinlandwirtschaft. Von 1992 bis 2007 setzte Caritas in Bosnien-Herzegowina insgesamt 78 Mio. Franken ein.
Aus Vergangenheit lernen
Die internationale Gemeinschaft habe in Bosnien-Herzegowina die Erfahrung gemacht, dass nach einem Konflikt eine viel schnellere Koordination untereinander notwendig sei, resümiert Peter Amhof.
«Man hätte bestimmt effizienter Hilfe leisten können, wenn man sich schon früher auf Prinzipien geeinigt hätte, auch im Wiederaufbau». Im Kosovo habe dies aber bereits viel besser und schneller funktioniert.
Die letzten zwölf Jahre haben den 52-jährigen Peter Amhof, der sich gut vorstellen kann, noch länger in der Region zu bleiben, sehr geprägt: «Ich bin beeindruckt vom Lebensmut der Menschen hier, sich nach einem solchen Konflikt wieder aufzuraffen und eine neue Existenz aufzubauen.»
swissinfo, Norbert Rütsche, Sarajewo
Die Caritas Schweiz hat von 1992 bis heute in Bosnien-Herzegowina insgesamt 78 Mio. Franken eingesetzt: 66 Mio. für den Wiederaufbau, 7,5 Mio. für Nothilfe, 2,5 Mio. für den Bereich Landwirtschaft, 2 Mio. für andere Projekte.
Mit 27,5 Mio. trugen die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit DEZA und das Bundesamt für Migration BfM mehr als ein Drittel dazu bei.
Weitere Geldgeber:
Agentur für Entwicklungszusammenarbeit sida der schwedischen Regierung: 30 Mio.
Caritas-Netzwerk (Spendengelder): 12 Mio.
«Glückskette»: 5 Mio.
Regierung des Fürstentums Liechtenstein: 2,5 Mio
«Beobachter», Leseraktion: 1 Mio.
Auch nach Abschluss des Wiederaufbauprogramms Ende 2007 bleibt Caritas Schweiz in Bosnien-Herzegowina präsent.
Die Arbeit hat sich bereits in den letzten Jahren immer stärker hin zu entwicklungsorientierten Projekten verlagert, so zum Beispiel in der Beeren- und Obstproduktion oder in der Ausbildung und Beratung von Landwirten.
Auch die dörfliche Entwicklung, Konfliktmanagement, Versöhnungs- und Jugendarbeit sowie die Unterstützung von Roma-Gemeinschaften sind weitere Schwerpunkte des künftigen Engagements.
In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch