Wiederentdeckt: die Schweizer Armeedecke
Ob als Picknickdecke oder Designer-Liege: Die Decke mit Schweizerkreuz macht auf jeden Fall eine gute Figur.
Ob in graubraunem oder grüngrauem Grundton – immer ziert sie ein leuchtend roter Balken, und diesen wiederum ziert ein gesticktes weisses Kreuz.
Als Kasernendecke misst sie 240 auf 165 Zentimeter und wiegt satte 2,6 Kilogramm. Als Biwakdecke 240 auf 140 Zentimeter und wiegt 2 Kilogramm. Dazu kommt ihr unvergessliches Markenzeichen: Ihre Kratzbürstigkeit. Sie ist halt eine reinwollene und hält fast ewig.
Die Schweizer Armeedecken: Heerscharen von wehrwilligen und wehrpflichtigen Schweizermännern haben sich in der Vergangenheit mit ihr zugedeckt – sei es in der Rekrutenschule, im Wiederholungskurs oder in der Manöverübung.
Jahr für Jahr mussten Rekruten lernen, ihre Betten so zu betten, dass das Schweizerkreuz genau in der Mitte, der Umschlag auf 20 Zentimeter zu liegen kam. Bett für Bett ausgerichtet auf eine schnurgerade Reihe. Wehe dem Soldaten, der glaubte, schludrig sein zu können! Erbarmungslos wurde die Decke weggerissen, und die Übung begann von vorne. Ordnung muss sein.
310’000 im Dienst
Die Schweizer Armeedecke: Wenngleich jeder Soldat heute einen Schlafsack sein eigen nennt, so sind doch noch rund 310’000 Stück im Gebrauch. Erstens weiss man nie… und zweitens hat sie sich bewährt und bewährt sich noch immer.
In ungezählten Sanitätsübungen ist sie – im wahrsten Sinne des Wortes – die Grundlage für die Verarztung. Und die Gebirgseinheiten wissen sie in den kalten zugigen Höhenlagen zu schätzen. Denn einer Schweizer Armeedecke kann eine kalte Bise nichts anhaben.
Armeedecke veredelt
Einen ganz neuen Zugang zur grossen Grauen hat die Schweizer Möbel-Design Firma Fashionsteel gefunden. Hinter Fashionsteel steht momentan ein Trio junger Männer, das sich anschickt, die Schweizer Möbeldesignerszene aufzumischen. Sie bleiben den bewährten Leitplanken wie Funktion, Qualität und Form treu. Dazu kommt die Komponente Witz. Gekonnt und erfolgreich.
Alban Schärs Blick, der Designer des Trios, fiel eines Tages auf eine Armeedecke, die tat, was viele ausgemusterte Decken tun: sie schützt einen Gegenstand vor Staub, Spinnen und Kratzern. Der unscheinbare Eindruck der Decke kitzelte an Schärs Kreativität, die Idee zu einer Liege war geboren.
«Ich wollte mit dieser Decke, welche einen rustikalen, rauen und eher groben Eindruck macht, ein schlichtes, edles, feines und salonfähiges Möbel gestalten. Die Qualität der Decke ist ausgezeichnet. Und zusammen mit dem Chromstahlgestell sind es die zwei Komponenten Beständigkeit und Zeitlosigkeit, die wir mit unserem Design bezwecken, beziehungsweise unterstreichen wollen.»
«Hommage an Joseph B.»
So ist nun die «Hommage an Joseph B.» – eine Liege überzogen mit einer originalen Schweizer Armeedecke – auf dem Markt. Und tatsächlich: Elegant und fein kommt sei daher, die Sitzbank mit dem Schweizerkreuz, weckt Assoziationen, entlockt ein Schmunzeln und bietet einen guten Sitzkomfort.
Natürlich bleiben auch die Reaktionen an Möbelmessen nicht aus. Alban Schär, der die RS noch nicht besucht hat (er macht 2003 die Matura): «Wenn ich mit den Leuten ins Gespräch komme, merke ich erst, wie viele Erinnerungen, ob positiv oder negativ, mit den Decken und jetzt mit der Liege verbunden sind. Einige weichen erschreckt zurück, andere verweilen gerne, manche sind ganz unbefangen, wie ich.»
Bleibt die Frage nach dem Namen der Liege, der ja unzweideutig auf den grossen Joseph Beuys verweist. Schär: «Durch mein Interesse an Kunst realisierte ich nach der Fertigstellung der Liege einen Bezug zu den Objekten von Joseph Beuys. Stichworte: Filz und Kreuz. So wurde der Name geboren.»
So finden sich also gebrauchte Armeedecken als Designerstücke wieder. Form, Funktionalität und Qualität der Liege müssten eigentlich auch Bundesrat und Armeechef Samuel Schmid begeistern. Eine «Hommage an Joseph B.» im Vorzimmer würde wartende Besucher wärmstens unterhalten.
Die Armeedecke im Katalog
Doch damit nicht genug: Die Vielseitigkeit der Schweizer Armeedecke ist noch längst nicht ausgereizt. Sie ist heutzutage auch katalogwürdig. Nicht irgendein Katalog, nein Manufaktum, der Katalog für die guten Dinge, die Handwerkskunst und Qualität vereinen. Nun, Manufaktum preist die Decke mit folgenden Worten. «Was – als Ding – in der Schweizer Armee gedient hat, ist für den zivilen Gebrauch von vornherein geadelt».
Doch Manufaktum stöbert nicht wie die jungen Männer von Fashionsteel in Zeughäusern nach gut erhalten Decken, nein, Manufaktum lässt die Decke wieder produzieren. Laut Katalog in der Tuch- und Deckenfabrik Pfungen. Die ist, laut Godi Huber, Information Gruppe Rüstung, in der Eskimo Textil, Turbenthal aufgegangen und entspricht nicht ganz genau den Spezifikationen der Schweizer Armee. Ein bisschen leichter, ein bisschen kleiner, ein bisschen weniger kratzig. Dafür ist sie neu und gleichwohl schick anzuschauen.
Für alle Fälle
Neue Armeedecken, Armeedecken als Designerstück, Armeedecken in der Armee und was noch? Auch das Schweizer Heimatwerk hat die Zeichen der Zeit erkannt und bietet Armee-Rezikliertes zur Heimatverbundenheit und Identifikation an. Gilets aus alten Armeedecken, Agenden eingebunden in alten Decken, Beutel und Taschen, ja sogar ein Täschchen für Präservative ist zu finden.
Nicht alles, was unter dem Label «Original Schweizer Armeedecke» produziert wird, ist originell, geschweige denn erschwinglich. Gewisse Teile sind unverschämt teuer, andere sind durchaus ihren Preis wert. Langlebig sind sie alle. Dafür hat die Armee gesorgt. Ebenso dürfte der Vorrat noch für etliche Ideen reichen. Denn die Schweizer Armeedecke ist eine Decke für alle Fälle.
swissinfo, Brigitta Javurek
Schweizer Armeedecken:
Kasernendecke, 240×165, 2,6 kg
Biwakdecke, 210×140, 2kg
Farben: graubraun, grünbraun, graugrünbraun
Material: reine Schurwolle
Merkmal: roter Streifen mit eingewobenem weissem Schweizerkreuz
Bestand 2003 in der Armee: rund 310’000 Stück
Erhältlich bei den Liq-Shops in den Zeughäusern
In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
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