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«Wir erwarten Fortschritte im Steuerstreit»

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Druck und Drohungen gehören nicht in sein Vokabular. Aber in der Sache bleibt Axel Berg, deutscher Botschafter in Bern, hart: Die Schweiz stört den fairen Wettbewerb und muss in Sachen Steuerhinterziehung besser kooperieren.

Seit August 2008 ist Axel Berg deutscher Botschafter in der Schweiz, die er beruflich und privat schon früher mehrmals besucht hat.

Dank regelmässigem Radiohören und einem CD-Sprachkurs tönt Schweizerdeutsch in seinen Ohren nicht mehr Spanisch.

Die Beziehungen zwischen der Schweiz und Deutschland bezeichnet der 57-jährige Jurist aus Frankfurt als freundschaftlich und offen.

Im Steuerstreit mit der EU und mit Deutschland im Speziellen reichten die bisherigen Regelungen aber nicht, sagt er.

swissinfo: Die Drohungen des deutschen Finanzministers Peer Steinbrück im Zusammenhang mit dem Steuerstreit hatten unlängst zu einem Eklat geführt. Was können Sie als Botschafter und Vertreter Deutschlands konkret tun, um die Wogen zu glätten?

Axel Berg: Ich habe vor allem in der Zeit danach an allen möglichen Veranstaltungen teilgenommen, um mit den Schweizern zu reden und mir das anzuhören, was für Irritation und Missstimmung gesorgt hat. Ich wollte zeigen, dass ich da bin, um den Dialog zu führen.

swissinfo: Haben Sie auch die Position der deutschen Seite zum Beispiel gegenüber der Wirtschaft dargelegt?

A.B. Klar. Ich habe deutlich gemacht, woran uns gelegen ist. Es ist die Aufgabe des Botschafters, die Haltung seines Landes zu erklären, in Gesprächen, Interviews, an Veranstaltungen.

Obwohl die deutschen Positionen hier bestens bekannt sind, ist es gleichwohl wichtig, den Dialog weiter zu führen, weil wir im Hinblick auf die Finanzkrise mit neuen Herausforderungen konfrontiert sind. Die Gespräche finden auf einer Ebene des guten gegenseitigen Kennens und auch Verstehens statt.

swissinfo: Wird der Druck auf die Schweiz vor dem Hintergrund der Finanzkrise zunehmen?

A.B.: Das kann ich nicht beurteilen. Druck und Drohungen sind nicht mein Vokabular. Es ist so, dass es in dieser einen Frage des Bankkunden-Geheimnisses (bei Steuerhinterziehung) einen grundsätzlichen Unterschied gibt zwischen der Schweiz und Deutschland. Das ist allen bewusst und bekannt. Aus deutscher Sicht gibt es eine Reihe von Punkten, warum wir meinen, dass dies den fairen Wettbewerb stört und behindert.

Druck ist insofern entstanden, als man gesehen hat, dass die bisherigen Gespräche das Ganze noch nicht viel weitergebracht haben und man gesagt hat, wir müssen das nochmals mit grösserer Deutlichkeit unterstreichen, damit wir hier zu Fortschritten kommen.

Es hat zwar in den Vereinbarungen der Schweiz mit der Europäischen Union eine Reihe von Entwicklungen gegeben, aber die reichen eben für Deutschland und andere Staaten nicht aus.

swissinfo: Die Wortwahl des Finanzministers hat nicht nur den Bundesrat, sondern – wie aus Leserbriefen hervorgeht – auch viele Bürger brüskiert. Können Sie sich in die verletzte Schweizer Seele einfühlen?

A.B.: Wir haben auf der Botschaft eine ganze Reihe von Briefen bekommen, und ich habe die alle gelesen, auch Leserbriefe in Tageszeitungen und Weblogs. Dadurch habe ich einen ganz unmittelbaren Eindruck bekommen, wie man auf die Äusserungen von Herrn Steinbrück reagiert hat und kann das in einer Reihe von Fällen auch nachvollziehen.

swissinfo: In den letzten Jahren ist die Schweiz zum beliebtesten Auswanderungsland der Deutschen geworden. Auch wenn das Verhältnis zwischen den beiden Bevölkerungsgruppen relativ unproblematisch ist, halten sich die gängigen Vorurteile des arroganten Deutschen. Warum wohl?

A.B.: Ich selbst habe keines dieser Klischees, von denen ich immer wieder gehört und gelesen habe, bestätigt bekommen. Wenn Deutschen vorgeworfen wird, dass sie arrogant auftreten, mag das in Einzelsituationen zutreffen. Diese Arroganz würde man in Deutschland genauso empfinden.

Wir haben auch unsere Vorurteile zwischen den verschiedenen Regionen, etwa zwischen «Preussen und Bayern». Das ist einfach so, innerhalb eines Landes und zwischen verschiedenen Ländern. Ich sehe es auch als meine Aufgabe, diese Klischees in Frage zu stellen.

swissinfo: Wieso halten sich denn diese Klischees über die Deutschen so hartnäckig?

A.B.: Weil man sich so nahe ist, weil man sich so viel sieht, weil es so viele Deutsche in der Schweiz gibt und so viele Schweizer in Deutschland. Weil man sich so gut kennt, nimmt man es sich leichter heraus, mit diesen Klischees zu arbeiten.

swissinfo: Seit letztem Jahr sind die Deutschen die zweitgrösste Ausländergruppe in der Schweiz. Wieso kehren Tausende Deutsche jedes Jahr ihrem Land den Rücken?

A.B.: Weil es in der Schweiz Arbeit gibt und gute Gehälter. Zudem – und dieses Argument gilt nicht nur für Akademiker, sondern auch für Handwerker – sind die Arbeitsbedingungen und die Abläufe sehr gut: Weniger Hierarchie, weniger Druck.

Wie mir Deutsche in der Schweiz erzählen, herrscht offenbar nicht nur an Universitäten oder in Spitälern, sondern auch in der Produktion, in der Wirtschaft ein anderes Arbeitsklima.

Meine Hoffnung ist es, dass die Leute, sollten sie nach Deutschland zurückkehren, etwas von diesen Erfahrungen mitnehmen.

swissinfo-Interview: Gaby Ochsenbein

Die Schweiz wird wegen ihres Bankgeheimnisses und Steuersystems immer wieder kritisiert und als «Steuerparadies» bezeichnet.

Dies, obwohl mit der EU Abkommen zur Bekämpfung von Steuerbetrug, Geldwäscherei und zur Besteuerung europäischer Guthaben existieren.

Namentlich Deutschland wirft der Schweiz vor, wegen mangelnder Transparenz sei es unmöglich, Fälle von Steuerhinterziehung aufzudecken.

Steuerhinterziehung wird in der Schweiz strafrechtlich nicht verfolgt.

Axel Berg wurde 1951 in Frankfurt am Main geboren.

Er studierte und doktorierte an der Juristischen Fakultät der Universität Heidelberg.

1983 trat er in den Höheren Auswärtigen Dienst der Bundesrepublik Deutschland ein.

Seither war er im Auswärtigen Amt sowie in Peking, New York und bei der OSZE in Wien tätig.

Seit August 2008 ist er Botschafter in der Schweiz und in Liechtenstein.

Ende August 2008 lebten über 1,6 Millionen Ausländerinnen und Ausländer in der Schweiz. Das sind über 21% der Bevölkerung.

225’000 oder 14% davon sind deutsche Staatsangehörige. Damit sind die Deutschen nach den Italienern die zweit-grösste Ausländergruppe.

Seit August 2007 können die Deutschen Doppelbürger bleiben.

Seither haben die Gesuche um die Schweizer Staatsbürgerschaft markant zugenommen.

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