«Wir können die EU-Politik mitbestimmen»
Österreich habe davon profitiert, EU-Mitglied zu sein, sagt Paul Rübig. Der EU-Abgeordnete und stv. Vorsitzende der Delegation für die Beziehungen zur Schweiz betont, auch die Schweiz sollte einen Beitritt nicht fürchten.
In wenigen Tagen ist die EU-Erweiterung Realität, mit der Schweiz als Nicht-Mitglied mittendrin.
Seit 1995 ist Österreich in der Europäischen Union mit dabei. Und seit 1996 vertritt Paul Rübig, Delegierter der Österreichischen Volkspartei, zusammen mit 20 weiteren Abgeordneten sein Land im Europäischen Parlament.
Rübig ist überzeugt, dass die Mitgliedschaft Österreich erlaubt, eine vitale Rolle in der Union zu spielen.
Als Stellvertretender Vorsitzender der Delegation für die Beziehungen zu der Schweiz, Island und Norwegen kennt er die Situation der Schweiz.
swissinfo: Spielt es wirklich eine Rolle, ob die Schweiz Mitglied der EU ist oder sind bilaterale Abkommen aus Ihrer Sicht eine Alternative?
Paul Rübig: Ich denke, es macht einen grossen Unterschied, ob ein Land EU-Mitglied ist oder nicht. Während der rund 10-jährigen Mitgliedschaft hat Österreich gelernt, dass es vorteilhaft für das Land ist, eine aktive Rolle in den europäischen Institutionen zu spielen.
Wir können mit allen verhandeln. Wir haben die Möglichkeit abzustimmen und das bedeutet, wir können die EU-Politik mitbestimmen. Das erlaubt uns, die österreichischen Interessen zu wahren und zu vertreten. Und als Mitglied mit rund 400 Personen in Brüssel können wir viel mehr beeinflussen als ein Nicht-Mitgliedland mit bloss einem Botschafter.
Als EU-Mitglied müsste sich auch die Schweiz Mehrheitsentscheiden fügen. Doch sie könnte solche Entscheide beeinflussen und die Schweizer Interessen vertreten.
Die EU funktioniert zudem nach dem Prinzip der Subsidiarität: Es wird nur über Bereiche entschieden, die nationalitätenübergreifend sind.
Das direkt-demokratische System der Schweiz wäre weiterhin möglich: Wie das Land zu einer Entscheidung gelangt, bliebe weiterhin den Schweizerinnen und Schweizern überlassen.
swissinfo: Es gibt auch finanzielle Bedenken: Die Schweiz würde zu den Nettozahlern gehören. Beitrittsgegner befürchten, der hohe Lebensstandard sowie Umwelt- und Gesundheitspolitik könnten leiden.
P.R.: Österreich ist auch ein Nettozahler. Doch wenn man das beziffern will, dann muss man auch schauen, was für diese Investition zurückfliesst. Österreich hat von seiner Mitgliedschaft recht viel profitiert.
So hat der Liberalisierungsprozess bei Energie, Telekom und Transport ermöglicht, dass wir ein viel wettbewerbsfähigeres System entwickelt haben. Unsere Exporte in die neuen Mitgliedstaaten haben in den letzten 10 Jahren um über 3 Mrd. Euro zugelegt. Und das hat bei uns auch zu Tausenden von neuen Stellen geführt.
swissinfo: Hand aufs Herz: Die einzigen Staaten, die wirklich Macht haben, sind doch Frankreich und Deutschland. Die kleineren Länder haben wenig Einfluss…
P.R.: Ich bin nun seit 8 Jahren Mitglied des Europäischen Parlaments. Und ich habe gelernt, dass es nicht wichtig ist, ob einer von einem kleineren oder einem grösseren Land kommt.
Politische Mehrheiten gibt es normalerweise durch gemeinsame Interessen wie Umwelt oder Liberalisierung. Die jährlich über 1000 Entscheide zeigen zudem wechselnde Mehrheiten – über Partei- und Landesgrenzen hinweg.
Ich denke, das zeigt, dass die Demokratie in der EU gut funktioniert und recht weit entwickelt ist.
swissinfo: Was ist Ihre Einschätzung, wird die Schweiz je Mitglied der EU werden?
P.R.: Ich denke, die Schweiz wird sehr bald Mitglied sein.
In der aktuellen Erweiterungsrunde haben 10 Länder entschieden, dass es besser für sie ist, der EU beizutreten. In naher Zukunft kann man wahrscheinlich von Norwegen, Island, Bulgarien und Rumänien ähnliche Entscheide erwarten.
Eine der wichtigsten Debatten während den nächsten Jahren wird wohl sein, ob die Schweiz am europäischen demokratischen Prozess teilnehmen will oder nicht. Das ist ein Entscheid, den nur das Schweizer Volk fällen kann – doch es braucht eine Debatte, die aufzeigt wie die EU und auch die europäische Demokratie wirklich funktionieren.
swissinfo-Interview: Jonatha Summerton
(Bearbeitung: Eva Herrmann)
Österreich trat 1995 der EU bei – zusammen mit Finnland und Schweden.
1998 stellte das Land die alle 6 Monate rotierende EU-Präsidentschaft.
Am 1. Mai wird die EU um 10 Länder wachsen.
Es ist die grösste Erweiterung der Geschichte der EU.
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