«Wir sind hier auch Ausländer»
Was unterscheidet Schweizer Wähler in Deutschland von jenen im Inland? swissinfo.ch hat Mitglieder des Schweizer Vereins München zu ihrem Wahlverhalten befragt. Die Befragten stören sich an der deutschfeindlichen Stimmung, welche von der SVP geschürt werde.
«Wenn in der Schweiz Stimmung gegen die Ausländer gemacht wird, tut mir das weh», sagt Karoline Frauenlob, die in München lebt und sich im Schweizer Verein München engagiert. «Wir sind hier auch Ausländer.» Sie werde bei den Wahlen im Herbst die Schweizerische Volkspartei (SVP) nicht wählen, weil die Partei gegen die Ausländer polemisiere.
Von deutschen Bekannten werde sie oft auf die Deutschfeindlichkeit in der Schweiz angesprochen. «Ihr wollt uns ja gar nicht, sagten uns viele Deutsche». Ihre deutschen Bekannten verstünden nicht, dass sie zum Beispiel in Spitälern als Ärzte und Krankenschwestern geholt würden, und dass man sie nachher feindselig behandle.
«Ich bin dafür, dass man die Bilateralen Verträge ausfeilt, und sie auf keinen Fall kündigt. Das wäre das Schlimmste, was man machen könnte», sagt Karoline Frauenlob.
Aggressive Plakate
Auch Verena Typelt, die Aktuarin des Vereins, stört sich an der Polemik gegen Ausländer in der Schweiz. «Ich habe eine grosse Verwandtschaft und bin oft in der Schweiz. Wenn man die aggressiven Plakate der SVP sieht, in Zürich, dann erschrickt man.»
Ihre deutschen Bekannten erzählten ihr, dass sie Mühe hätten, sich in der Schweiz zu integrieren. Verena Typelt meint: «Aber die Deutschen in der Schweiz sollten sich mehr auf die Schweizer einstellen. Sie können die Mentalität, die sie in Deutschland haben, nicht auf die Schweiz übertragen.»
Sie selbst habe sich auch anpassen müssen, als sie nach Deutschland kam. Die Deutschen in der Schweiz könnten nicht erwarten, dass man mit ihnen hochdeutsch spreche, «das würden sie in Frankreich ja auch nicht erwarten.»
Sie findet es keine gute Idee, das Risiko einzugehen, dass die Bilateralen Verträge gekündigt würden. «Die Schweiz würde sich noch mehr abkapseln. Alles würde viel teurer.» Der Export würde erschwert. «Es geht ja nicht nur um die Schokolade und den Wein», sagt sie.
«Ausländerfeindlich»
Dass Polemik der Schweiz schadet, diesen Eindruck hat auch Gabriela Marti aus Ulm. «Mir persönlich ist die SVP zu ausländerfeindlich und zu einseitig. Ich glaube, die anderen Parteien haben zu spät gemerkt, dass es wirklich Probleme gibt.» Sie hoffe, dass die SVP nicht noch mehr Stimmenanteile machen werde bei den nächsten Wahlen.
In vielen deutschen Zeitungen werde die Schweiz tendenziell als Rosinenpickerin dargestellt. «Ich selbst finde das nicht. Die Schweiz erbringt ja auch Gegenleistungen. Die EU trampelt schon ein bisschen auf der Schweiz herum.» Der Steuerstreit beispielsweise sei aufgebauscht worden.
Die Instrumente der direkten Demokratie schätzt sie an der Schweiz: «In Deutschland hat man manchmal das Gefühl, dass die Leute gar nichts zu ihrer Politik zu sagen haben. Als Schweizerin fällt mir das auf.»
Sie nimmt Bezug auf das Verkehrs- und Städtebauprojekt «Stuttgart 21», das auf grossen Widerstand in der Bevölkerung gestossen sei. «Da hat man gesehen, dass ein bisschen mehr Mitbestimmung nicht schlecht wäre.»
Verschiebung zu den Grünen
Welche Parteien er im Oktober unterstützen werde, verrät Albert James Küng, der Vizepräsident des Schweizer Vereins München, nicht. Er erwartet, wie in Baden-Württemberg, eine Verschiebung zu den Grünen hin. Für ihn wird die Energiepolitik das dominierende Thema der Wahlen sein.
«Es fragt sich, ob die Parteien, die diese Themen besetzen, langfristig in der Lage sind, das Ganze zu managen. Diese Ansicht ist natürlich auch geprägt von meinen Erfahrungen aus Deutschland», sagt James. Man müsse den neuen Verantwortlichen dann aber eine Chance geben.
Die Bilateralen Verträge sieht er nicht gross in Gefahr: «Die Schweiz hat immer eine Mehrparteienlandschaft gehabt. Dadurch hat sich das Konsensprinzip immer weiterentwickelt.»
Wenn etwas falsch laufen würde, wären die Schweizerinnen und Schweizer sehr wohl in der Lage, dies wieder zu korrigieren, meint er. «Die Schweiz hat sich noch jedes Mal zu helfen gewusst.»
Das Manifest fasst die zentralen politischen Anliegen der Auslandschweizer zusammen:
Schaffung eines Auslandschweizer-Gesetzes.
Erleichterung der Wahrnehmung der politischen Rechte (e-Voting, Teilnahme an den Ständeratswahlen).
Förderung der internationalen Mobilität der Schweizerinnen und Schweizer (Personenfreizügigkeitsabkommen, Abbau von Hürden).
Adäquate konsularische Betreuung (ausreichendes Konsularnetz, Ausbau e-Governement).
Ausbau der Kommunikation mit der 5. Schweiz (Schweizer Revue, swissinfo.ch, SwissCommunity).
Aufwertung des Auslandschweizerrats als Repräsentationsorgan.
Stärkung/Ausbau der internationalen Präsenz und Mitwirkung der Schweiz.
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