Wirtschaftlichkeit contra Service Public
Die Grundversorgung mit Postdiensten und ein flächendeckendes Poststellennetz sollen in der Verfassung festgeschrieben werden. Dies fordert eine Volksinitiative.
Sie wird von linker und gewerkschaftlicher Seite unterstützt, während Bundesrat und bürgerliche Parteien dagegen sind.
Seit die Post 1998 in die unternehmerische Freiheit entlassen wurde, ist sie einem rauen Klima ausgesetzt. Mit dem Siegeszug der elektronischen Kommunikation haben sich die Rahmenbedingungen stark verändert.
Deshalb soll das Poststellennetz besser auf das Kundenverhalten ausgerichtet werden: Wenig benützte Poststellen werden in Agenturen umgewandelt, an bessere Standorte verlegt oder vereinzelt auch geschlossen.
«Ja zu einer Post für alle»
Diese Entwicklung wollen Gewerkschaften und Konsumentenschutz nun verhindern. Sie befürchten eine Schwächung des so genannten Service Public, der Grundversorgung der Schweizer Bürgerinnen und Bürger.
Ihre Initiative «Postdienste für alle» verlangt, dass der Bund die Grundversorgung mit Postdiensten und ein flächendeckendes Poststellennetz in der Verfassung garantiert.
Vor der Schliessung einer Dorf- oder Quartierpost sollen die betroffenen Gemeinden konsultiert werden. Die Kosten für die Grundversorgung, die weder durch Einnahmen aus Monopoldiensten noch durch Konzessionsgebühren gedeckt sind, sollen vom Bund getragen werden.
Mit diesen Massnahmen sei es möglich, die lebenswichtigen Postdienste zu erhalten, so das Initiativ-Komitee.
Pro und Kontra
«Das erlaubt, dass Besitzer von kleinen und mittleren Unternehmen und die kleinen und älteren Leute in Randregionen auch Zugang zu Postdienstleistungen haben», sagt Christian Levrat, Nationalrat der Sozialdemokratischen Partei (SP) und Zentralpräsident der Gewerkschaft Kommunikation, welche die Initiative lanciert hat.
«Unser Nein ist nicht ein Nein gegen die Post», kontert der freisinnige Nationalrat Peter Weigelt. «Es ist ein Nein dagegen, dass die Post, die wir ganz bewusst als private Unternehmung ausgerüstet haben, wieder von der Politik dominiert wird.»
Man wolle die Leistungen der Post gewährleisten, «aber nicht zwingend die heutige Struktur zementieren», betont Weigelt gegenüber swissinfo.
«Es geht nicht um eine Zementierung der heutigen Struktur. Es geht darum, die Dienstleistungen der Post für alle zugänglich zu erhalten», erwidert Levrat. «Der Post müssen klarere Spielregeln gegeben werden.»
«Postgesetz genügt»
Genau dies sei schon mit dem neuen Postgesetz und der Postverordnung gewährleistet, die seit dem 1. Januar in Kraft sind, entgegnet Weigelt. «Wir haben dort ganz klar festgehalten, was der Service Public der Post ist.»
Ausserdem sei zu verhindern, dass die Post erneut zu einer Stütze im Rahmen der staatlichen Finanzierung werde, wenn der Bund, wie in der Initiative gefordert, die ungedeckten Kosten berappen müsse.
Die Initiantinnen und Initianten allerdings sehen diesen Punkt nur als eine Art Rückversicherung, die wesentlich für die Qualität der Dienstleitungen sei. Schliesslich schreibe die Post schwarze Zahlen. (Sie hat letztes Jahr einen Gewinn von 366 Millionen Franken erwirtschaftet.)
Die Stimmberechtigten entscheiden am 26. September über die Volksinitiative «Postdienste für alle». Ausschlaggebend sind das Volks- und das Ständemehr.
swissinfo, Christian Raaflaub
Betriebsertrag der Post 2003: 6,888 Mrd. Fr. (2002: 6,874 Mrd. Fr.)
Gewinn 2003: 366 Mio. Fr. (2002: 211 Mio. Fr.)
Mit Ausnahme der Briefpost haben sich alle Bereiche gegenüber dem Vorjahr verbessert
Zählte die Schweiz Ende 2000 insgesamt 3390 Poststellen, waren es Ende 2003 noch 2722. Damit belegt das Land verglichen mit dem Ausland immer noch einen Spitzenplatz.
Laut Bundesrat wird es mit dem neuen Postgesetz auch weiterhin im Durchschnitt alle 2,5 Kilometer eine Poststelle geben.
Als «zumutbar» gilt für die Regierung in der Regel die Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln innert 20 Minuten.
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