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Yvette Jaggi zieht Bilanz

Yvette Jaggi, die scheidende Präsidentin von Pro Helvetia. Keystone Archive

"Pro Helvetia ist heute vielleicht etwas weniger heiter, aber in guter Form", meint Yvette Jaggi, die scheidende Präsidentin der Kulturstiftung.

Während acht Jahren stand Jaggi der Stiftung vor. Ende Jahr wird sie vom Berner Regierungsrat Mario Annoni, der von seinem Amt zurücktritt, abgelöst.

Yvettte Jaggi verlässt Pro Helvetia mit einem guten Gewissen. Acht bewegte Jahre war sie Präsidentin des Stiftungsrates der Kulturstiftung. Mit 65 wolle sie «freier sein in der Wahl der Dinge, die sie nun tun wolle» sagt sie.

Und weil sie alle drängen, ihre künftigen Projekte preiszugeben, sagt sie: «Für den Augenblick suche ich und sage nichts.» Sie freue sich auf andere spannende Herausforderungen.

Ihr Arbeitsrhythmus werde intensiv bleiben, sie könne gar nicht anders. Aber die Kraft werde nun für andere Dinge gebraucht, sagt Jaggi weiter.

Die «Ära Jaggi» werde eine der intensivsten in der Geschichte von Pro Helvetia sein, erklärt die abtretende Präsidentin nicht unbescheiden. Pro Helvetia sei zwar etwas weniger angepasst und weniger heiter, dafür jedoch in guter Form. «Unsere Aufgaben haben wir mit grossem Eifer angepackt», sagt Jaggi.

Billiger geht es nicht

Die Gegner von Pro Helvetia kritisierten gerne die hohen Verwaltungs-Kosten, die Pro Helvetia verursache. Sie belaufen sich auf rund einen Drittel des jährlichen Budgets von 35 Mio. Franken. «Eine falsche Debatte», sagt Yvette Jaggi.

«Das erscheint teuer, weil unsere Buchführung sehr genau ist. Alles Geld, das nicht nach aussen vergeben wird, wird unter Verwaltungsausgaben abgebucht.»

Etliche Ausgaben entstünden jedoch durch die Projekte selber. «Rund 3500 davon werden pro Jahr eingereicht und sie alle müssen von Pro Helvetia sorgfältig geprüft werden», erklärt Jaggi. Diese «Produktionskosten» müssten den Projekten angerechnet werden, so wie das auch die Mehrheit der Hilfsorganisationen tun würde.

«Die eigentlichen Verwaltungskosten betragen so gesehen weniger als 10% des Budgets, was vernünftig ist. Würden ähnliche Organisationen in Deutschland oder England so wie wir rechnen, dann kämen sie auf Verwaltungskosten von 50%.»

Affäre Hirschhorn

Das letzte Jahr der «Präsidentschaft Jaggi» war von der Polemik rund um die Ausstellung von Thomas Hirschhorn im Schweizer Kulturzentrum in Paris geprägt. Sie führte dazu, dass das Parlament das Budget der Kulturstiftung um eine Million Franken kürzte.

Diese Polemik sei nicht die erste und nicht die letzte, die Pro Helvetia durchstehen müsse. «Doch keine wurde so in den Medien hochgeschaukelt und keine wurde so brutal von einem Tag auf den andern in die Schlagzeilen gerückt, wie das die Sonntagsmedien taten», betont Jaggi.

Yvette Jaggi war vor allem von der Kleinen Kammer, dem Ständerat, sehr enttäuscht, dem sie selber von 1987 bis 1991 angehört hatte.

«Dieser Mangel an Fingerspitzengefühl der Räte hat mich sehr enttäuscht. Dass die Emotionen über den politischen Sachverstand obsiegten, hat mich überrascht. Ich brauchte Zeit, um mich damit abzufinden.»

Doch die Affäre Hirschhorn habe auch ihre positiven Seiten gehabt. «Sie hat eine breite und intensive Debatte über die Kulturpolitik des Bundes ausgelöst.» Darüber kann sich Yvette Jaggi heute freuen.

Die Bedächtigkeit des Bundes

Laut Jaggi haben zwei Hauptaufgaben ihre Amtszeit beherrscht: Einmal die Arbeit an den neuen gesetzlichen Grundlagen für Pro Helvetia, welche 2008 oder 2009 in Kraft treten sollen. Und dann der «tägliche Kampf» mit den staatlichen Mühlen, die sehr langsam mahlten. «Wenigsten kommt man bei dieser Arbeit nicht ausser Atem», witzelt Jaggi.

«Wenn ich nun zurückblicke, bleibt der Eindruck, einen langen Kampf um Veränderungen ausgefochten zu haben. Eine Aufgabe, die wohl nie zu einem endgültigen Ziel gelangen wird.»

swissinfo und Agenturen

Pro Helvetia erhält vom Bund alle vier Jahre einen Rahmenkredit gesprochen. Für die Periode 2004 – 2007 hat das Parlament 137 Mio. Franken bewilligt.

Die Stiftung spricht jährlich rund 22 Mio. Franken für Unterstützungsbeiträge aus (40% im Inland).

Pro Helvetia erhält pro Jahr rund 3500 Gesuche um Unterstützung. Die Zustimmungsquote beträgt rund 50%.

Pro Helvetia hat 74 Vollzeitstellen, davon 17 im Ausland.

Yvette Jaggi wurde 1941 in Lausanne geboren.

Sie studierte Politologie und arbeitete anschliessend im Marketing diverser Warenhäuser.

Jaggi war Stadtpräsidentin von Lausanne und Nationalrätin.

Ständerätin der Sozialdemokratischen Partei (1987 – 1991),

Direktorin des Konsumentenforums der Westschweiz und

von 1997 bis 2005 Präsidentin der Kulturstiftung «Pro Helvetia».

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