Zufriedene Schweiz beim Steuergipfel in Berlin
Am Steuergipfel in Berlin finden Bundespräsident Merz und der deutsche Finanzminister Steinbrück versöhnliche Töne. Der Steuerstreit sei beigelegt, versichern sie. Bald will man Verhandlungen über ein neues Doppelbesteuerungs-Abkommen aufnehmen.
In welchem Lokal die Friedenspfeife geraucht wurde, und ob das Eis schon bei der Vorspeise oder erst beim Dessert brach, das wird man wohl nie erfahren.
Tatsache ist, dass sich Bundespräsident Hans-Rudolf Merz und der deutsche Finanzminister Peer Steinbrück zu einem privaten Essen getroffen haben.
Das «Tête-à-Tête» fand statt am Vorabend des Steuergipfels vom Dienstag in Berlin, zu dem Steinbrück und der französische Budgetminister Eric Woerth 18 Minister von OECD- und EU-Staaten eingeladen hatten, und diente vor allem einem Zweck: den seit Monaten schwelenden Steuerstreit zwischen der Schweiz und Deutschland zu beenden.
«Es war an der Zeit, sich in die Augen zu schauen und das angespannte Verhältnis zu lockern», so der Kommentar von Hans-Rudolf Merz. Die beiden Nachbarländer müssten endlich zurückfinden zu ihrer freundschaftlichen und konstruktiven Beziehung.
«Bemerkenswertes Communiqué»
Die Versöhnung scheint über die Bühne zu sein. An der Pressekonferenz im Anschluss an den Steuergipfel gaben sich sowohl Merz als auch Steinbrück entspannt und zufrieden.
So sprach Merz von einem gelungenen Besuch in Berlin. «Ich kehre nach Bern zurück mit der Gewissheit, dass die Schweiz von nun an in sämtliche Prozesse eingebunden wird, was die Bekämpfung von Steuerhinterziehung betrifft.»
Den deutschen Finanzminister wiederum freute nicht nur der Schlussstrich unter dem deutsch-schweizerischen Streit. Steinbrück zog auch eine positive Bilanz über den Steuergipfel.
So habe die Standortbestimmung zur Umsetzung des OECD-Standards über den Informationsaustausch in Steuerfragen gezeigt, dass inzwischen rund 40 Staaten das OECD-Musterabkommen übernommen hätten. Zudem sei es gelungen, ein «bemerkenswertes Communiqué» zu verabschieden, das auch von der Schweiz, Österreich und Luxemburg mitgetragen werde, lobte der sozialdemokratische Minister.
Darin würden unter anderem die Staaten ermutigt, Strafmassnahmen vorzunehmen, wenn andere Länder die OECD-Standards zur Amtshilfe in Steuersachen nicht oder verzögert umsetzten.
Steinbrück betonte, dass dabei jedes Land selber entscheide, welche Sanktionen es festsetzen wolle, jedoch ein «Gleichklang von Massnahmen» angestrebt werde.
Möglich seien zum Beispiel fiskalische Massnahmen wie die Erhöhung der Quellensteuer, aber auch Sanktionen wie die Kündigung von Abkommen mit Ländern, die sich weigerten, einen effektiven Informationsaustausch zu praktizieren.
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OECD
«Kein automatischer Informationsaustausch
Weiter fordert das Communiqué dazu auf, dass die internationale Staatengemeinschaft in einem erneuerten und erweiterten «Global Forum» zusammenarbeiten solle, um so eine unparteiische und transparente Überwachung zur Umsetzung der OECD-Standards sicherzustellen.
Für den deutschen Finanzminister ist klar: «Das Communiqué ist der Startschuss für eine neue Phase im Kampf gegen Steuerhinterziehung.»
Steinbrück machte noch einmal klar, dass der Bundesrepublik jedes Jahr etwa 100 Milliarden Euro durch Steuerhinterziehung verloren gingen. «Wenn nur zehn Prozent davon zurück in die öffentlichen Kassen fliessen würden, hätten wir ganz andere Möglichkeiten, in Bildung und Gesundheit zu investieren.»
Beim Steuergipfel vereinbart wurde auch der weitere Fahrplan für ein Doppelbesteuerungs-Abkommen (DBA) zwischen der Schweiz und Deutschland. Das DBA regelt den Informationsaustausch bei einem plausiblen Verdacht auf Steuerhinterziehung.
«Einen automatischen Informationsaustauch gibt es nicht», machte Merz in Berlin noch einmal klar. Am 13. Juli soll nun ein nächstes Sondierungsgespräch zwischen der Schweiz und Deutschland stattfinden. Danach wird entschieden, ob die offiziellen Verhandlungen aufgenommen werden.
«Aus unserer Sicht besteht kein Grund, nicht zügig voranzumachen», sagte Merz. Ein neues DBA könne jedoch erst in Kraft treten, wenn es National- und Ständerat genehmigt hätten, machte Merz klar.
Zudem würden DBA, die wichtige zusätzliche Verpflichtungen vorsehen, nach bisheriger Praxis dem fakultativen Referendum unterstehen. «Im Herbst wird das Parlament entscheiden, ob alle neu geschlossenen DBA oder aber nur das erste dem Referendum unterliegen.»
Seitdem der Bundesrat entschieden hat, den OECD-Standard bei der Amtshilfe in Steuersachen nach Artikel 26 des OECD-Musterabkommens zu übernehmen, hat die Schweiz mit sechs Staaten ein DBA mit der erweiterten Amtshilfeklausel paraphiert.
Paola Carega, Berlin, swissinfo.ch
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Referendum
Laut der Erklärung von Bern (EvB) fördert die Schweiz Steuerhinterziehung in anderen Ländern, da sie zwischen Steuerbetrug und Steuerhinterziehung unterscheide.
Steuerhinterziehung werde nicht strafrechtlich verfolgt, deshalb seien ausländische Steuerhinterzieher hierzulande in Sicherheit, kritisiert die Nichtregierungs-Organisation.
Laut der EvB verlieren Entwicklungsländer durch Steuerflucht in der Schweiz jährlich zwischen 5,4 und 22 Milliarden Franken.
«In jedem Fall betragen die Steuerverluste ein Vielfaches der 1,26 Milliarden Franken Schweizer Entwicklungshilfe», heisst es in einer Pressemitteilung.
Für Pakistan, Peru und Südafrika seien die Steuerverluste beinahe so gross wie die Entwicklungshilfe der Schweiz, für Indien sogar grösser.
Die EvB betont, dass die Entwicklungsländer kaum von der Übernahme der OECD-Standards profitierten, da viele Entwicklungsländer gar kein Doppelbesteuerungs-Abkommen mit der Schweiz hätten.
Sie fordert deshalb den automatischen Informationsaustausch zwischen den Steuerbehörden.
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