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Zustimmung zu Schengen/Dublin bröckelt

Das Lager der Gegner von Schengen/Dublin wurde seit April gestärkt. swissinfo.ch

Das Schweizer Stimmvolk würde die Verträge von Schengen/Dublin knapp und das Partnerschafts-Gesetz klar annehmen, wenn heute abgestimmt würde.

Die fünfte Umfrage des Instituts gfs.bern für die SRG SSR idée suisse zeigt noch 55% Zustimmung zu Schengen/Dublin. Das Stimmvolk ist zunehmend verunsichert.

Die letzte Umfrage vor den Abstimmungen vom 5. Juni zeigt einen markanten Stimmungswandel im Abstimmungskampf um Schengen/Dublin: Während die Befürworter Ende April noch auf 62% zählen konnten, sind die Ja-Stimmen Ende Mai auf 55% gesunken.

Dafür legte das Nein-Lager gleich um 14 Prozentpunkte zu, von 21% auf 35%. 10% (-7%) sind weiterhin unentschlossen.

Stimmvolk verunsichert

«Ganz offensichtlich hat die Unsicherheit gegenüber dieser Vorlage im Zeitvergleich zugenommen», sagt Claude Longchamp, Leiter des Instituts gfs.bern, gegenüber swissinfo.

Diese Unsicherheit in der öffentlichen Debatte habe eher den Gegnern geholfen, schätzt Longchamp.

Blochers Spiel mit Kollegialitätsprinzip

Einen weiteren Ausschlag für den Stimmungswandel dürfte laut der Umfrage eine Rede von Bundesrat Christoph Blocher (Schweizerische Volkspartei) gegeben haben.

Zwar an das Kollegialitätsprinzip der Landesregierung gebunden (Mehrheitsmeinung wird von allen vertreten), hinderte dies Blocher nicht, in einer Rede zum II Weltkrieg Anspielungen auf die Debatte zu machen.

Bei seiner Partei jedenfalls konnte Blocher damit einen Punktesieg einfahren (von 62% auf 88% Nein). Sein Verhalten wurde laut der Umfrage jedoch «von einer Mehrheit der Stimmberechtigten nicht gutgeheissen».

Parteibindung massgeblich

Trotzdem hat sich nun auch bei der Freisinnig-Demokratischen Partei ein etwas grösseres Nein-Lager gebildet. Noch 57% der Parteigänger sind für ein Ja, die Gegner legten um 25 Prozentpunkte auf 38% zu.

Klarer sind die Verhältnisse bei den Sozialdemokraten (77% Ja, 13% Nein) und bei der Christlichdemokratischen Volkspartei (78 zu 14%). «Gerade diese Zentrumspartei setzt sich sehr stark für die Abkommen ein. Dies zeigt, dass sie bei ihrer Wählerschaft auf Gehör stösst.»

«Normalverlauf» der Umfragen

Longchamp ist über die generelle Zunahme der negativen Stimmen nicht erstaunt. Die Gegnerschaft habe in der Schlussphase eines Abstimmungskampfes immer die grösseren Chancen, noch aufzuholen.

«Wir haben es hier mit dem eigentlichen Normalverlauf zu tun», sagt er. «Ob es reicht oder nicht, muss man im Moment noch ein wenig offen lassen.»

Im Vergleich mit früheren Abstimmungen, bei denen es um internationale Verträge ging, lasse sich die Umfrage am ehesten mit derjenigen von 2002 zum UNO-Beitritt vergleichen: Die letzte Umfrage zeigte dort eine Zustimmung von 54% gegenüber 37% Nein. Sie wurde mit 55 zu 45% angenommen.

Zwei Drittel für Partnerschafts-Gesetz

Im ganzen Rummel um Schengen/Dublin fast untergegangen ist die zweite Vorlage, die am 5. Juni zur Abstimmung kommt, das Partnerschafts-Gesetz. «Dieses Thema wird mehr oder weniger auf dem Nebengeleise betrachtet», hat Longchamp beobachtet.

Diese Vorlage hat das Forschungsinstitut gfs.bern zum zweiten Mal in die Umfrage einbezogen. Hier zeichnet sich mit 67% (+1%) Ja weiterhin eine Zweidrittels-Mehrheit ab. 24% (+/- 0%) der Befragten sind dagegen, und 9% (-1%) haben sich noch keine Meinung gebildet.

«Keine Veränderung heisst nicht, dass es keinen Abstimmungskampf gibt. Es heisst einfach, dass dieser Kampf die Meinungen nicht verändert.»

Die einzige klare Veränderung zeigte sich bei der CVP, die noch vor einem Monat mit 47% Ja zu 39% Nein ziemlich ausgeglichen war. Heute sagt sie mit 70% Ja, gegenüber 22% Nein. Ein deutlicher Meinungswechsel, der sicher durch das klare Bekenntnis der Parteispitze hervorgerufen wurde.

swissinfo, Christian Raaflaub

Schengen/Dublin: 55% Ja, 35% Nein, 10% unentschlossen
Partnerschafts-Gesetz: 67% Ja, 24% Nein, 9% unentschlossen
An der Abstimmung würden sich 59% bestimmt beteiligen

Für die Umfrage wurden zwischen 17. und 21. Mai 1226 Personen in der ganzen Schweiz befragt.

Es ist die fünfte und letzte Umfrage zum Thema Schengen/Dublin. Die beiden Abkommen von Schengen (Sicherheit) und Dublin (Asylwesen) sind Teil der zweiten Bilateralen Verträge zwischen der Schweiz und der Europäischen Union (EU).

Von allen Argumenten für oder gegen Schengen/Dublin findet laut dieser Befragung einzig der Vorteil für den Tourismus noch eine Mehrheit.

Die zweite Vorlage vom 5. Juni, das Partnerschafts-Gesetz, wurde zum zweiten Mal in die Erhebung aufgenommen.

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