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Bundesrat unzufrieden mit Verhandlungsergebnis zum Rahmenabkommen

Gleich drei Mitglieder des Bundesrates haben das Ergebnis der Verhandlungen mit der EU zu einem Rahmenabkommen erläutert: Aussenminister Ignazio Cassis, Bundespräsident Alain Berset und Finanzminister Ueli Maurer (von links). KEYSTONE/EPA KEYSTONE/PETER KLAUNZER sda-ats

(Keystone-SDA) Die Schweiz und die EU haben sich nicht auf ein institutionelles Rahmenabkommen geeinigt. Umstritten bleiben die Flankierenden Massnahmen und die Unionsbürgerrichtlinie. Der Bundesrat hat das Verhandlungsergebnis am Freitag trotzdem veröffentlicht.

Die Regierung hat Aussenminister Ignazio Cassis beauftragt, bei den zuständigen Kommissionen, den Parteien und den Sozialpartnern den Puls zu nehmen. «Jetzt können wir en connaissance de cause sprechen», sagte Cassis vor den Bundeshausmedien. Die Konsultationen sollen bis in den Frühling hinein andauern. Danach will der Bundesrat eine neue Auslegeordnung machen. Das Ergebnis ist laut Cassis offen. «Es ist alles möglich, vom totalen Ja bis zum totalen Nein.»

Zu einem solchen Bekenntnis ist der Bundesrat heute nicht bereit. Er unterstütze das Paket in weiten Teilen, aber nicht in allen, sagte der Aussenminister. «So lange diese Differenzen bestehen, will er das Abkommen nicht paraphieren.» Er wolle es aber auch nicht einfach wegwerfen.

Licht und Schatten

Geeinigt haben sich die Schweiz und die EU über den Geltungsbereich. Das institutionelle Rahmenabkommen soll nur für fünf aktuelle und allfällige neue Marktzugangsabkommen gelten. Grundsätzliche Einigkeit besteht auch über die institutionellen Mechanismen der Rechtsübernahme, der Überwachung, der Auslegung und der Streitbeilegung vor einem Schiedsgericht.

Nach wir vor umstritten sind die Flankierenden Massnahmen. Die EU beurteilt den Schweizer Lohnschutz als unverhältnismässig. Die EU-Kommission erwartet, dass die Schweiz die einschlägigen EU-Richtlinien übernimmt. Diese schützen Löhne und Arbeitsbedingungen jedoch weniger gut als das geltende Schweizer Recht.

Einige Elemente der Flankierenden Massnahmen würden zwar garantiert, das heisst von künftigen Rechtsentwicklungen ausgenommen. Dazu gehören eine eingeschränkte Voranmeldefrist, eine Kautionspflicht für fehlbare Firmen und eine Dokumentationspflicht für Selbstständige. Doch der Lohnschutz würde sich künftig auf EU-Recht stützen. Gemäss dem vorgesehenen Streitbeilegungsmechanismus könnte der Europäische Gerichtshof damit Schweizer Massnahmen überprüfen.

Gegner weichen nicht zurück

Für die Gewerkschaften ist das eine rote Linie. Damit verunmögliche das Rahmenabkommen der Schweiz, die Löhne so zu schützen, wie sie es für erforderlich erachte, schreibt der Schweizerische Gewerkschaftsbund in einer Stellungnahme. Bisher gibt es keine Anzeichen dafür, dass die Linke in ihrem Widerstand nachlässt.

Doch der Entwurf ist auch von Rechts unter Beschuss. SVP-Präsident Albert Rösti kritisiert den Einbezug des Europäischen Gerichtshofs und die Rechtsübernahme. Zudem verlange die EU, dass die Schweiz die Unionsbürgerrichtlinie beachte. Es handelt sich um einen weiteren Punkt, bei welchen der Bundesrat kein genügendes Verhandlungsergebnis erzielt hat.

Die Unionsbürgerrichtlinie gehört aus Sicht der EU zur Personenfreizügigkeit und muss von der Schweiz übernommen werden. Der Bundesrat sieht dies anders. Problematisch sind seiner Ansicht nach der Ausbau der Sozialhilfeansprüche, die Ausweitung des Ausweisungsschutzes und das Daueraufenthaltsrecht ab fünf Jahren.

Im Vertragsentwurf ist die Unionsbürgerrichtlinie nicht explizit ausgeschlossen, womit sie zum Streitfall vor dem Schiedsgericht werden könnte. «Das befriedigt den Bundesrat nicht», sagte Cassis.

«Keine Alibiübung»

Trotz fundamentaler Differenzen will der Bundesrat das institutionelle Abkommen nicht einfach zurückweisen und die Verantwortung für die Folgen alleine tragen. Es gehe darum, die Unterstützung zu sondieren für ein Projekt von grosser Tragweite, sagte Bundespräsident Alain Berset. Insofern sei die Konsultation keine Alibiübung.

Der Bundesrat gibt auch zu bedenken, dass die EU nicht zu Nachverhandlungen bereit ist. Bei einem Abbruch wären neue Verhandlungen nicht vor Mitte 2020 möglich. Dann ist in Brüssel eine neue Kommission am Ruder, die ein neues Verhandlungsmandat benötigt. Ob das bisher Erreichte dann noch gilt, ist ungewiss.

Bis dahin dürfte die Schweiz schon unter den Konsequenzen der gescheiterten Verhandlungen gelitten haben. Der Bundesrat erinnert daran, dass Verhandlungen über neue Abkommen oder die Aktualisierung bestehender Abkommen nicht mehr möglich wären. Das ist problematisch bei technischen Normen, bei der öffentlichen Gesundheit oder bei der Strommarkt-Integration.

Streitfall Börse

Die EU will bekanntlich auch die Schweizer Börsenregulierung nicht als gleichwertig anerkennen. Es gibt keine Anzeichen dafür, dass der Entscheid des Bundesrats etwas daran ändert. Berset hatte am Mittag zwar mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Junker telefoniert, um den Entscheid des Bundesrats zu erläutern.

Er berichtete von einem Gespräch in freundschaftlicher Atmosphäre, aber nicht von einem Einlenken bei der Gleichwertigkeitsanerkennung. Diesen Entscheid müsse die EU fällen, sagte Berset ausweichend.

Er gibt das Bundesratspräsidium nächstes Jahr an Bundesrat Ueli Maurer ab. Ihm kommt als Bundespräsident beim weiteren Vorgehen eine wichtige Rolle zu. Es gebe noch viele Fragen zu lösen, sagte Maurer. Wichtig sei ein Klima, in dem sich nicht alle in den Schützengräben verschanzten.

Mit dem Entscheid vom Freitag hat der Bundesrat zumindest etwas Zeit gewonnen. So kann er den endgültigen Entscheid in jener Zusammensetzung fällen, in der er das Rahmenabkommen oder dessen Scheitern auch wird vertreten müssen.

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