Appell von Birkenfelds Anwalt an Barack Obama
Die Verteidigung von Bradley Birkenfeld, dem ehemaligen UBS-Angestellten, der den Steuerskandal ins Rollen brachte, macht mobil. Während Birkenfeld eine Haftstrafe von 40 Monaten antritt, beantragt sein Anwalt Dean Zerbe bei Barack Obama eine Neubeurteilung des Falls.
In den USA ist eine Kampagne zugunsten von Bradley Birkenfeld angelaufen.
Speerspitze dieser Mobilisierung ist Dean Zerbe, juristischer Berater am «National Whistleblowers Center».
swissinfo.ch: Bradley Birkenfeld, der den UBS-Skandal der amerikanischen Steuerbehörde auf dem Silbertablett überbracht hatte, sitzt seit dem 8. Januar im Gefängnis. Was sagen Sie dazu?
Dean Zerbe: Das ist traurig für ihn und seine Familie, und es ist eine Tragödie für die ehrlichen Steuerzahler, die künftig noch höhere Steuern bezahlen müssen, weil Bradley’s Schicksal eine ganze Generation von Personen entmutigen wird, den Behörden Steuerbetrug zu melden.
swissinfo.ch: Obwohl die amerikanische Justiz anerkennt, dass Birkenfeld entscheidend zur Verfolgung der UBS beigetragen hatte, betrachtet sie ihn als Kriminellen und verurteilt ihn, weil er nicht ausreichend kooperiert hatte gegen Igor Olenikoff, einen Ex-Bankkunden der UBS. Nun machen Sie aus Birkenfeld quasi einen Helden?
D.Z.: Bradley Birkenfeld ist das, was wir einen «Whistleblower» nennen, der Alarm schlägt, wenn er bei seinem Arbeitgeber ein illegales Verhalten feststellt.
Birkenfeld hat zuerst den Chef seines Dienstes bei der UBS gewarnt, danach den ethischen Dienst der Bank. Als er feststellte, dass es zu nichts führt, hat er gekündigt.
Er hat darauf den amerikanischen Justizminister kontaktiert. Weil er den Eindruck hatte, dass dieser nicht alles unternahm, was möglich wäre, hat er die Steuerbehörden, die Börsenkommission und den Senat informiert.
Was Igor Olenikoff betrifft, hat Birkenfeld sehr wohl mit den Behörden gesprochen. Um dies zu tun, benötigte er eine Vorladung des Senats, um sich dadurch vor den helvetischen Behörden zu schützen.
Aber als ihn der Senat aufforderte, hat er kooperiert. Normalerweise werden Leute, die auf illegales Verhalten aufmerksam machen, von den amerikanischen Behörden korrekt behandelt, aber in diesem Fall ist es nicht so.
swissinfo.ch: Und wie werden die «Whistleblower» normalerweise behandelt?
D.Z.: Jedenfalls nicht mit Gefängnisstrafe. Es gibt eine ganze Serie von Gesetzen, die «Whistleblower» schützen und sie für die Risiken entschädigen, die diese eingehen.
Leute, welche bei Betrügereien die Alarmglocke ziehen, haben es der amerikanischen Regierung erlaubt, auf Milliarden von Dollars zuzugreifen. Diese Leute bekommen einen kleinen Teil davon. Damit schafft man einen Anreiz für andere Angestellte, Veruntreuungen in ihrem Unternehmen oder in ihrer Verwaltung zu melden.
swissinfo.ch: Betrachtet die amerikanische Steuerbehörde (IRS) Bradley Birkenfeld als «Whistleblower»?
D.Z.: Birkenfeld hat diesen Status beantragt, weil er selber der Definition der IRS entspricht. Deshalb hat er auch Anspruch auf eine Entschädigung, also auf einen Teil der Geldstrafe, welche die UBS der IRS bezahlen musste.
Er hat auch das Recht, eine punktuelle Entschädigung für die Steuern oder Bussen zu verlangen, welche die rund 14’000 Kunden der UBS entrichten werden.
Diese Entschädigungen beschränken sich übrigens nicht auf amerikanische Bürger. Dieser Status kann also auch von Schweizern verlangt werden, namentlich von jenen, die im Bankenwesen tätig sind.
swissinfo.ch: Weshalb sitzt denn Birkenfeld im Gefängnis?
D.Z.: Im Steuerbetrugs-Dezernat des amerikanischen Justizministeriums gibt es eine Unternehmenskultur, die den Informanten mit Skepsis begegnet, ganz im Unterschied zu andern Regierungsstellen, die dauernd mit ihnen arbeiten.
swissinfo.ch: Wer – in der Affäre UBS – sollte denn Ihrer Meinung nach ins Gefängnis gehen müssen?
D.Z.: Es ist absurd und skandalös, dass Bradley Birkenfeld, der Mann so viel zugunsten des amerikanischen Steuersystems getan hat, für 40 Monate inhaftiert wird. Die anderen Beteiligten, die mit der Justiz zu tun hatten, haben viel mildere Strafen bekommen.
Ich weiss nicht, wer Gefängnis verdient, aber die amerikanischen Behörden täten gut daran, sich für jene Personen zu interessieren, die auf einem UBS-Konto gezielt Gelder vor dem Fiskus verstecken, Gelder, die vielleicht aus kriminellen Tätigkeiten wie Drogenhandel stammen.
swissinfo.ch: Hätte Martin Liechti, der ehemalige Direktor der Vermögensverwaltung ausländischer Kunden bei der UBS, eine Gefängnisstrafe verdient?
D.Z.: Martin Liechti war der Chef des Vorgesetzten von Birkenfeld. Er gehört zu jenen Personen, mit denen man bei solchen Untersuchungen sprechen muss.
Die amerikanische Regierung hätte es in den Händen gehabt, hat ihn aber ausreisen lassen. Das ist unsinnig, denn es gibt weitaus grössere Fische als jene, die Birkenfeld genannt hatte, und die Liechti bestimmt kennt.
swissinfo.ch: In amerikanischen Kommentaren wird vermutet, Birkenfeld sei der Sündenbock, und die amerikanischen Behörden liessen es damit bewenden, um nicht politischen und andern Berühmtheiten zu schaden, die auf der UBS-Kundenliste figurierten. Teilen Sie diese Einschätzung?
D.Z.: Die Berühmtheit gewisser UBS-Kunden hindert den IRS nicht daran, diese zu verfolgen, aber zuerst muss die Steuerbehörde die Namen dieser Kunden kennen.
Das Abkommen, das die Schweiz und die USA abgeschlossen haben, betrifft eine beschränkte Anzahl Konten und schützt die Namen der Inhaber.
swissinfo.ch: Wie sieht die Petition aus, die Sie zugunsten von Bradley Birkenfeld lancieren?
D.Z.: Die Petition kann online unterschrieben werden. Sie richtet sich an Barack Obama und seinen Justizminister, Eric Holder, und bittet sie, eine unabhängige Untersuchung des Dossiers von Herrn Birkenfeld in Auftrag zu geben, unter Berücksichtigung der schwerwiegenden Konsequenzen, welche die Inhaftierung auf den Kampf gegen Korruption und undurchsichtige und schädliche Machenschaften gewisser Banken haben könnte.
swissinfo.ch: Justizminister Eric Holder hatte als Anwalt für die UBS gearbeitet. Ist das ein Problem?
D.Z.: Nein, jeder Anwalt hat Kunden, für die er tätig ist. Die Tatsache, dass Eric Holder mit der UBS Verbindungen hatte, erhöht aber die Notwendigkeit, in diesem Dossier absolut transparent zu handeln.
swissinfo.ch: Am Rande der Petition haben Sie am 7. Dezember einen Brief am Holder geschrieben. Haben Sie eine Antwort erhalten?
D.Z.: Bis jetzt nicht.
Marie-Christine Bonzom, Washington, swissinfo.ch
(Übertragen aus dem Französischen: Peter Siegenthaler)
Dean Zerbe ist juristischer Berater des «National Whistleblowers Center» und nationaler Geschäftsführer des Steuerberatungs-Konzerns Alliantgroup in Washington.
Als Experte im Kongress verfasste er bis 2008 eines der US-Gesetze, die Angestellte schützen, welche Unterschlagungen ihres Arbeitgebers melden.
Er leitet die Untersuchungen der Finanzkommission des Senats, namentlich über die Finanzparadiese.
Zerbe führt im Magazin Forbes eine Chronik.
Birkenfeld büsst seit dem 8. Januar eine Strafe von 40 Monaten ab.
Er war 2001 von der Grossbank UBS angestellt worden und kündigte 2005, enttäuscht über die Trägheit, mit der die Bank seine Bedenken betreffend der Legalität ihres Geschäfts mit Konten von US-Bürgern behandelte.
Nach 2005 verständigte er die US-Behörden.
Am 21. August 2009 wird er zu einer unbedingten Gefängnisstrafe verurteilt, weil er beschuldigt wird, in der Untersuchung gegen den amerikanischen UBS-Kunden Igor Olenikoff nicht genügend kooperiert zu haben.
Von links bis rechts gilt er in den USA für viele als Held und wird von der Verlagsgruppe Tax Analysts zur Person des Jahres 2009 ernannt.
Ein linker Kommentator der New York Daily News meinte sogar, «Barack Obama müsste Birkenfeld an der Wall Street eine Statue errichten, statt ihn einzusperren».
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