Braucht es mehr Islamunterricht an Schweizer Schulen?
Wissen über den Islam kann Radikalisierung verhindern: Eine neue Studie rät, den Islamunterricht vermehrt an öffentlichen Schulen anzubieten. Doch die Hürden sind hoch.
Mit einem «Salam aleikum» begrüsst der Lehrer die Schülerinnen und Schüler der 4. Klasse im Schulhaus Kirchacker. Vor den sechs Buben und sechs Mädchen im Klassenzimmer im schaffhausischen Neuhausen steht Nimetullah Veseli. In Jeans und weissem Hemd erklärt er das islamische Glaubensbekenntnis.
Imam Nimetullah Veseli gibt an der öffentlichen Schule bekenntnisorientierten Islamunterricht. Bekenntnisorientiert heisst: Die Kinder lernen ihre eigene Religion kennen, im Gegensatz zum religionsübergreifenden Unterricht in der Volksschule.
Normalerweise findet dieser bekenntnisorientierte Islamunterricht in den Moscheen statt. Angebote an öffentlichen Schulen sind die Ausnahme. Nur an zehn Schweizer Schulen wird ein solcher Unterricht angeboten.
Religionsunterricht mit Qualitätskontrolle
Eine aktuelle Studie der Universitäten Luzern und Freiburg bescheinigt dieser Art von Unterricht entscheidende Vorteile: «Die Schule ist ein neutraler Ort», sagt Studienleiter Hansjörg Schmid. Das heisst: Kinder mit verschiedenem muslimischem Hintergrund erhalten gemeinsam Unterricht.
Hinzu kommt, dass an der Schule mehr Wert auf Didaktik gelegt werde. «Die Islamlehrerinnen und -Lehrer sind verpflichtet, der Schule ihre Konzepte vorzulegen», sagt Schmid. «Das ermöglicht eine Qualitätskontrolle.»
Der Direktor des Schweizerischen Zentrums für Islam und Gesellschaft der Universität Freiburg hat gemeinsam mit drei weiteren Forschenden alle Angebote von Islamunterricht an Schulen untersucht. Die Studie zeigt: Wenn der Unterricht mal läuft, sind die Rückmeldungen sehr positiv. Kritik und Widerstand gibt es höchstens im Vorfeld.
Ausbauen – aber wie?
Die Studie zeigt aber auch, dass der Unterricht stark von Einzelpersonen abhängig ist. Die meisten Angebote entstanden auf Initiativen von engagierten Imamen oder muslimischen Religionslehrerinnen. «Mehr Stabilität wäre wichtig», sagt Studienleiter Hansjörg Schmid.
Ein Vorbild für künftige Angebote könnte der Unterricht im Kreuzlingen sein. Dort haben verschiedene Moscheevereine, ein interreligiöser Arbeitskreis und die örtlichen Kirchgemeinden gemeinsam den Islamunterricht aufgebaut, ein Verein hat die Trägerschaft übernommen.
Die Studie rät, den bekenntnisorientierten Islamunterricht an öffentlichen Schulen auszubauen. Doch wer soll das bezahlen? Zurzeit basiert viel auf Freiwilligenarbeit, hinzu kommen Elternbeiträge oder Zuschüsse von Moscheevereinen.
Für einen breit angelegten Unterricht mit ausgebildeten Lehrpersonen reicht das nicht. Hinzu kommt eine weitere Hürde: «Für einen regulären Unterricht braucht es in den meisten Kantonen eine öffentlich-rechtliche Anerkennung.»
«Salam aleikum» im Chor
Soll ein Angebot analog zum Religionsunterricht der christlichen Landeskirchen aufgebaut werden, müssten die muslimischen Gemeinschaften zuerst anerkannt werden. Das ist ein langwieriger Prozess.
Hansjörg Schmid sagt aber auch: «Auf der Ebene von Pilotversuchen ist vieles möglich.» Er rät deshalb, niederschwellig möglichst viel auszuprobieren – so wie in Neuhausen. Dort beendet Imam Nimetullah Veseli den Unterricht mit einem «Salam aleikum»: «Was heisst das auf Deutsch?», will er von den Viertklässlerinnen und Viertklässlern wissen. «Friede sei mit Dir und mit Euch», antworten sie im Chor.
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