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Ungewisse Zukunft für den Schweizer Immobilienmarkt

In einer Wohnung eines mehrstoeckigen Wohnhauses brennt am Morgen Licht
Die Corona-Krise hat Auswirkungen auf den Immobilienmarkt. Keystone/ennio Leanza

Das Jahr 2019 war ein sehr gutes Jahr für Immobilieninvestoren und für 2020 haben sie mit einer rosigen Zukunft gerechnet. Nun könnte sich aber wegen der Corona-Krise und einer möglichen weltweiten Wirtschaftskrise alles ändern.

Die Immobilieninvestoren in der Schweiz blicken auf ein erfolgreiches Jahr 2019 zurück. Zwar sind die Mieten etwas gesunken, dadurch haben aber auch die Leerstände abgenommen. Per Ende 2019 zeigen Liegenschaften etwa eine Werteentwicklung von 3.0% gegenüber 2.0% im Vorjahr, wie das Immobilienberatungsunternehmen IAZI im IAZI Swiss Property BenchmarkExterner Link festhält. Besonders Wohnliegenschaften haben an Wert gewonnen. Alles in allem waren die Erträge aus Investorensicht äusserst zufriedenstellend.

Bis vor kurzem waren die Prognosen der Immobilieninvestoren für das Jahr 2020 optimistisch. Nicht nur für sich selbst: «2020 wird ein Jahr für die Mieter werden», ist Donato Scognamiglio, CEO der IAZI AG, überzeugt. Durch die Negativzinspolitik der Nationalbank wurde mehr gebaut, als es die Nachfrage verlangt hätte. Den hohen Leerständen versucht man nun, mit Mietzinssenkungen entgegenzuwirken.

Doch die freudigen Erwartungen wurden in den letzten Wochen auf den Kopf gestellt. Denn die Corona-Krise macht vor der Immobilienwelt keinen Halt. «Alle Konjunkturprognosen waren falsch», sagt Scognamiglio konsterniert. Welche Auswirkungen auf den Immobilienmarkt sind zu erwarten?

Keine gewöhnliche Krise

Die Corona-Krise hat nicht nur einschneidende Folgen für das alltägliche Leben und die Bewegungsfreiheit vieler Menschen. Die Finanzwelt hat ebenfalls zu kämpfen, die Börsenkurse implodieren weltweit, so auch in der Schweiz. In vergangenen Krisen, wie beim Platzen der Dotcom-Blase im Jahr 2001 oder während der Finanzkrise 2008, bewiesen sich Immobilien-Direktanlagen als Fels in der Brandung, so Scognamiglio. Ein Hauptgrund für die Stabilität der Immo-Anlagen sei, dass Mieten auch während eines Börsencrashs weiterhin bezahlt werden. So können in Krisensituationen allfällige Wertverluste aufgefangen werden.

Soweit, so beruhigend – zumindest für Immobilieninvestoren. Doch lässt sich die aktuelle Situation überhaupt mit vergangenen Krisen an der Börse vergleichen? Die kurze Antwort lautet: Wahrscheinlich nicht. Die sich abzeichnende Wirtschaftskrise ist für die Investoren nur ein Teil der Probleme, die das Coronavirus auslöst.

In der Medienmitteilung der IAZI AG wird anstelle der Finanzkrise 2008 der Vergleich mit der Spanischen Grippe im Jahr 1918 gezogen. Für eine solche Situation existierten derzeit «zu wenig Prognosen oder Szenarien, um die wirtschaftlichen und medizinischen Folgen annähernd abmessen zu können.»

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Lockdown hat Auswirkungen auf Mieteinnahmen

Anders als in vergangenen Wirtschaftskrisen kann man sich nicht darauf verlassen, dass die Mieteinnahmen relativ unbeschadet weiterlaufen. Wohnen müssen die Leute weiterhin, in diesem Bereich ist nicht so stark mit Ausfällen zu rechnen. Doch auch Unternehmen mit ihren Geschäften, Läden und Büros sind wichtige Mieter. Als Reaktion auf die rasante Ausbreitung des Coronavirus bleibt in der Schweiz alles ausser Lebensmittelläden, Apotheken sowie Post- und Bankschalter geschlossen. Das bringt viele kleine Unternehmen in eine schwierige finanzielle Lage.

Darauf waren die Experten vom IAZI nicht vorbereitet. Scognamiglio: «Was wir uns bisher nie überlegt haben: Was passiert jetzt, wenn der Coiffeur schliesst? Was passiert, wenn das Shoppingcenter zu ist? Was passiert, wenn die Bäckerei weniger Umsatz macht?». Gerade im Bereich Handel und besonders im Gastgewerbe sei mit Mietausfällen zu rechnen.

Mehrfamilienhäuser weiterhin sichere Investition

Trotzdem bleibt Scognamiglio vorsichtig optimistisch. Er geht davon aus, dass es einen Jo-Jo Effekt geben wird: Zwar wird momentan durch den Lockdown wenig konsumiert, doch ein Teil des Konsums werde später nachgeholt werden.

Mehrfamilienhäuser seien weiterhin eine sichere Investition: «Würde ich im nächsten halben Jahr ein Mehrfamilienhaus kaufen? Ja! Kann ich mich glücklich schätzen, wenn ich bereits Besitzer mehrerer Mehrfamilienhäuser bin? Dreimal ja!».

Etwas unsicherer ist die Situation für Besitzer von Einfamilienhäusern. Für Makler ist es in der momentanen Lage schwierig, Kunden zu treffen und Immobilien zu zeigen. Das ist bei Einfamilienhäusern, wo Kunden sich häufig mit ihrer Familie niederlassen wollen, ein besonders grosser Nachteil. Viele potentielle Kunden dürften zudem durch die Wirtschafssituation verunsichert sein und vor grossen Investitionen zurückschrecken.

Immobilienkrise wahrscheinlich

«Die Wahrscheinlichkeit einer Immobilienkrise ist sehr gross, aber es wird kein grosser Crash wie bei Subprime», zeigt sich Scognamiglio überzeugt. Er hofft, dass sich die Situation durch die Massnahmen der Behörden stabilisieren werde. Der Bundesrat hat Hilfe für die Wirtschaft in der Höhe von 42 Milliarden Franken angekündigt.

Es komme nur dann zu einem Crash, wenn es gleichzeitig zu einem massiven Zinsanstieg kommt. Auf ihr Eigenheim wollen die Schweizer nicht verzichten. Mit Korrekturen ist zu rechnen, aber, so Scognamiglio: «Der Markt wird sich wieder erholen».

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