«Swiss-Made»-Filter zur Reduzierung der Schadstoffemissionen von Schiffen
Grosse Kreuzfahrtschiffe und Frachtschiffe gehören zu den schlimmsten Umweltverschmutzern der Welt. Das Schweizer Startup-Unternehmen Daphne Technology hat einen Filter entwickelt, um deren schädliche Emissionen drastisch zu senken und die ausgestossenen Gase in Dünger umzuwandeln. Eine Weltneuheit.
«Bis vor kurzem erregten Emissionen der Schifffahrt kaum Aufmerksamkeit, weil Schiffe für die meisten Menschen nicht sichtbar sind. 90% der Zeit sind sie auf hoher See und kaum jemand sieht sie. Die Schifffahrtsindustrie liegt deshalb weit hinter der Automobilindustrie, die seit langem gezwungen ist, ihre Emissionen zu reduzieren», sagt Mario Michan, Direktor von Daphne Technology.
Ein grosses Kreuzfahrtschiff oder ein Frachtschiff verbraucht zwischen 150 und 300 Tonnen Treibstoff pro Tag. Dabei handelt es sich um den schmutzigsten fossilen Brennstoff, der bei der Ölraffinierung erzeugt wird. Dieses Rohöl ist ein schweres, zähflüssiges Altöl, das hinter der Herstellung von Benzin, Diesel oder anderen leichteren Brennstoffen zurückbleibt.
Bei dessen Verbrennung entstehen hochgiftige und krebserregende Dämpfe, die unter anderem Schwefel- und Stickoxide, Methan und Feinstaub enthalten. Laut einer Studie des Verkehrs- und Umweltverbandes stossen rund 50 Kreuzfahrtschiffe zehnmal mehr Schwefeloxid aus als alle 260 Millionen Autos, die in Europa unterwegs sind.
Schwerwiegende Schäden für Gesundheit und Umwelt
Nachdem die Schifffahrtsindustrie lange Zeit von eher laxen internationalen Standards profitiert hat, muss sie nun auch ihren Teil beitragen und ihre schädlichen Emissionen reduzieren. Im Zuge des Pariser Klimaabkommens haben sich die 170 Mitgliedsländer der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation (IMO) darauf geeinigt, die CO2-Emissionen bis 2050 zu halbieren.
Darüber hinaus hat die IMO auf Initiative der Europäischen Union beschlossen, die Schwefeloxidemissionen ab dem 1. Januar dieses Jahres zu reduzieren: Schiffe, die nicht mit den erforderlichen Filtern ausgestattet sind, dürfen in internationalen Gewässern nur noch Treibstoff mit einem maximalen Schwefelgehalt von 0,5% verbrennen. Bisher lag diese Obergrenze bei 3,5%. In Häfen und in Emissionskontrollgebieten wie der Ostsee oder der Nordsee, ist ein Höchstsatz von 0,1% zulässig. Dies ist immer noch hundertmal mehr als der zulässige Wert für Kraftstoffe an Land (0,001%).
«Wegen seiner sehr starken Schmierfähigkeit ist Schwefel für den Betrieb von Schiffsmotoren nützlich. Aber bei seiner Verbrennung entsteht ein Gas, das für die menschliche Gesundheit und die Umwelt sehr gefährlich ist. In die Atmosphäre freigesetztes Schwefeloxid ist auch die Hauptursache für sauren Regen und wirkt korrosiv auf Gebäude, Fabriken und Maschinen», erklärt Michan. Auf der Grundlage einer von der IMO vorgelegten Studie wird erwartet, dass der neue internationale Grenzwert die durch Schwefeloxid von Schiffen verursachten Lungen- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen drastisch reduzieren und damit weltweit jährlich mehr als 100’000 Menschen das Leben retten wird.
Dauerhafte Lösung
«Mit unserem auf Nanotechnologie basierenden Filter können wir die Schwefeloxidemissionen um 99% und die Stickoxidemissionen um 85% reduzieren», sagt der Leiter von Daphne Technology. Die Gase werden mit Wasserdampf gemischt, auf weniger als 250 Grad erhitzt und in einen Reaktor geleitet. Hier, in diesem nanostrukturierten System, wird eine chemische Reaktion erzeugt, welche die Moleküle aufbricht. Dann wird Ammoniak zur Bildung inerter Verbindungen verwendet, die auf verschiedene Weise wiederverwendet werden können, unter anderem als Dünger.
Rund zehn Spezialisten aus den Bereichen Technik, Physik, Chemie und Elektronik experimentieren in einem Labor in Saint-Sulpice bei Lausanne mit dieser Technologie. Drei weitere Mitarbeiter führen Tests mit einem grossen Schiffsmotor im schwedischen Göteborg durch. Bis zum Sommer soll der Filter für reale Tests auf einem Schiff in der Ostsee oder im Mittelmeer installiert werden.
Gelingt dies erfolgreich, wäre das Gerät von Daphne Technology ein grosser Schritt nach vorn, um die Schadstoffemissionen von Schiffen zu reduzieren und die maritime Industrie bei ihrer Anpassung an die neuen IMO-Normen zu unterstützen. Die bisher verwendeten Lösungen sind weder aus ökologischer noch aus wirtschaftlicher Sicht befriedigend.
Karriere auf hoher See
«Die meisten Schiffseigner haben sich entschieden, einen leichteren Brennstoff mit einem geringeren Schwefelgehalt zu verwenden, aber seine Raffinierung hat negative Auswirkungen auf die Umwelt, insbesondere mit Blick auf die CO2-Emissionen», erklärt Michan. «Ausserdem ist dieser Kraftstoff viel teurer und kann nur durch Zugabe eines Schmiermittels anstelle von Schwefel verwendet werden. Andere Schiffseigner haben es vorgezogen, Nasswäscher (wet scrubbers) zu installieren, die Meerwasser zur Reinigung des Gases verwenden. Aber dieses schadstoffhaltige Wasser wird ins Meer zurückgeleitet. Oder es wird in einem geschlossenen Kreislauf gehalten, was grosse Lagerkapazitäten auf den Schiffen erfordert und höhere Kosten verursacht.»
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Der Gründer von Daphne Technology verfügt über lange und genaue Kenntnisse der Schifffahrtsindustrie. Aufgewachsen in Cartagena, Kolumbien, war er während rund zehn Jahren auf den Ozeanen unterwegs, zunächst für die kolumbianische Marine und dann auf Handelsschiffen. Nach seinem Ingenieurstudium im kanadischen Vancouver, kam er vor etwa zehn Jahren zum CERN in Genf, wo er seine Idee, die er ab 2015 an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne (EPFL) entwickelte, dank eines Stipendiums des Kantons Waadt umsetzte.
«Während meiner Jahre auf Schiffen habe ich mich immer für die durch die Schifffahrt verursachten Umweltprobleme interessiert. Als dritter Offizier auf einem Schiff war ich unter anderem an der Umsetzung der Marpol-Regeln beteiligt, dem Internationalen Übereinkommen zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe. Und dann, am Ende meiner Karriere, arbeitete ich auf einem Schiff, das im Kampf gegen Ölverschmutzungen eingesetzt wurde».
Internationale Finanzierung
Aber wie kam er auf die Idee, ein Projekt für die maritime Industrie in einem Land durchzuführen, das keinen Zugang zum Meer hat? «Es mag seltsam klingen, aber hier habe ich den idealen Nährboden für diese Innovation gefunden. Es gibt Spezialisten und ausgezeichnete Universitäten für die High-Tech-Forschung sowie ein günstiges Umfeld für die Förderung von Startups.»
Das 2017 gegründete Unternehmen Daphne Technology hat bereits einen Beitrag von 2,5 Millionen Franken von der EU und 5 Millionen von verschiedenen internationalen Investoren erhalten. Dazu gehören beispielsweise die Erdölfördergesellschaft [AK(1] Saudi Aramco und Innovation Fund, ein belgischer Fonds, der Projekte im Bereich Chemie und Biowissenschaften fördert.
Laut Michan könnte der von seinem Startup entwickelte Filter auf etwa zwei Drittel der insgesamt 55’000 grossen Handelsschiffe, die weltweit im Umlauf sind, eingesetzt werden. «Mein Leben war immer sehr mit dem Meer verbunden. Für mich wäre es eine grosse Befriedigung, zur Verringerung der Umweltauswirkungen der Schifffahrt beizutragen. Es ist ein Sektor, der heute oft kritisiert wird, aber man darf nicht vergessen, dass er eine sehr wichtige Rolle spielt, da er 90% des internationalen Warenhandels gewährleistet.»
Übertragung ins Deutsche: Kathrin Ammann)
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