Das Geschäft mit dem guten Ruf
Nach der Finanzkrise und Wirtschaftsskandalen besinnen sich Unternehmen wieder auf einen guten Ruf. Denn beginnt die Reputation zu bröckeln, wird sie zum Risiko. Wie man es vermeiden kann, weiss Philipp Aeby von RepRisk in Zürich.
Wie stark heute Unternehmen von ihrem guten Ruf abhängig sind, zeigt sich erst dann, wenn dieser ramponiert wird.
Wenn Banken bei Anlagevehikeln oder Ingenieurfirmen bei ihren Projekten gesellschaftliche oder umweltmässige Risiken falsch einschätzen, wenn Pharmafirmen nicht alle Wirkungen ihrer Medikamente aufführen oder wenn Entwicklungsorganisationen bei Hilfsaktionen politisch inkorrekt vorgehen, bleiben negative Schlagzeilen meistens nicht aus.
Man liest dann über skrupellose Banker, die Anlegern faule Papiere andrehen, über Unternehmer, die in fernen Ländern in Korruptionsschlamassel verwickelt werden, oder über Hilfswerkmanager, die Spendengelder in ihre eigene Taschen abzweigen.
Die Datenagentur RepRisk hat das Geschäft mit dem guten Ruf als Marktnische entdeckt. Sie unterstützt Unternehmen wie öffentliche Institutionen im Umgang mit ökologischen und sozialen Aspekten ihrer Geschäftstätigkeit. Spezialisiert ist RepRisk auf den Finanzsektor.
«Diese Nachfrage seitens der Unternehmen ist für uns ein spannender Geschäftsbereich. Und gleichzeitig interessiert mich dieses Thema persönlich», sagt Philipp Aeby gegenüber swissinfo.ch.
Der 42-jährige Philipp Aeby ist Leiter von RepRisk. Er studierte an der ETH Zürich Geschichte und Umweltphysik und war vor seiner heutigen Tätigkeit als Berater im Pharma- und Biotechnologie-Bereich tätig.
«Wir sind aber keine NGO», stellt Aeby die Rolle von RepRisk klar. «Wir helfen Unternehmen, Geschäfte ökonomisch und ökologisch nachhaltig zu tätigen. Das zahlt sich am Schluss in jeder Beziehung aus.»
Das könne auch bedeuten, dass ein Kunde aus einem Geschäft selbst dann aussteigt, wenn kurzfristig Gewinne zu erzielen wären.
«Legal ist nicht unbedingt legitim»
«Transparenz ist das Schlagwort der Stunde», sagt Aeby. Und spricht von der Relevanz von Spielregeln, die zu dieser Klarheit beitragen sollen. Denn «was legal ist, ist nicht unbedingt auch legitim».
Als Beispiel fügt er die Unterscheidung von Steuerhinterziehung und Steuerbetrug an. So sei die Steuerhinterziehung bis vor kurzem noch kein Betrug gewesen. Juristisch möge noch immer ein Unterschied bestehen – legitim sei aber weder das eine noch das andere, sagt Aeby.
Letztlich gehe es darum, mit welchen Mitteln Unternehmen ihre Ziele erreichen wollen: «Unternehmen müssen sich an gewisse Spielregeln halten.» Und diese ändern sich.
Aeby illustriert diese Änderung am Umgang mit der Korruption: Schweizer Unternehmen durften noch bis in die 90er-Jahre ihre im Ausland investierten Bestechungsgelder im Inland legal von den Steuern abziehen. Das gehe heute nicht mehr.
Zweck heiligt die Mittel nicht
Oder er verweist auf die Spielregeln bei der Geldwäscherei, die sich im letzten Jahrzehnt ebenfalls geändert haben. Als jüngstes Beispiel führt Aeby das Einhalten von Umwelt- und Sozialstandards an. Da sei viel passiert in den letzten Jahren.
Diese Beispiele zeigten, wie schnell sich die Spielregeln wandeln. Damit sich die Entscheidungsträger beim Einschätzen der Risiken auf Messbares stützen können, bräuchten sie einen Indikator, Reprisk-Index genannt, sagt Aeby.
Der Reprisk-Index sei ein Risikomass, das sich auf Nachhaltigkeit bezieht. Denn fragwürdige Entscheide von Unternehmen würden heute nicht mehr unbemerkt bleiben wie früher, als es noch weniger unabhängige Medien und kaum interessierte NGOs gab.
So strebe zum Beispiel der Rohstoffkonzern Glencore aus Zug mehr Transparenz an, weil auch er heute Intransparenz mit Risiko verbinde.
Intransparenz ist unverständlich
Zurecht, wie man anhand der Fehler der Finanzindustrie bei intransparenten Anlageprodukten gesehen habe: Im Anschluss an die Finanzkrise wollen die Anleger kaum noch Anlageprodukte kaufen, die sie nicht verstehen.
Ausserdem sollen die Anlagen mehr als früher auch sozialen, ethischen und ökologischen Kriterien entsprechen.
«Deshalb ist die Transparenz das Schlagwort der Stunde. Gleichzeitig mit den Spielregeln verändern sich auch die ethischen Werte im umwelt-sozialen Bereich», sagt Aeby.
Viel Geld verdienen sei an sich nicht verwerflich – solange man sich an die Spielregeln halte.
Globaler Leitplanken-Kapitalismus
«Ich bin wirtschaftsfreundlich und glaube sogar auch an den Kapitalismus – aber er braucht Leitplanken», sagt Aeby. Diese müssten nicht von oben verordnet werden, sondern seien Teil des so genannten Soft-Law-Bereichs.
Und er bringt ein Beispiel für diesen Bereich: So habe sich eine Firma in der Schweiz automatisch an gewisse Regeln im Umwelt- und Menschenrechtsbereich zu halten, die vielleicht in der Dritten Welt nicht gelten. Also besteht ein Anreiz, dort jene Aktivitäten zu entfalten, die in der Schweiz nicht erlaubt seien.
Dennoch sei es zum Beispiel möglich, dass diese Firma eingeklagt werde. Und die Sache vor dem Ombudsmann der OECD ende. Eventuell müsse die Firma dann einen Rechenschaftsbericht vorlegen. Auch wenn es keinen national zuständigen Richter dafür gebe, könne die Angelegenheit publik werden, und das Unternehmen riskiere, an den Pranger gestellt zu werden.
Neben den Menschenrechts-Konventionen gehören auch Weltbankstandards oder Richtlinien der Internationalen Arbeitsorganisation zu diesem Leitplankenbereich des Soft Law.
Auch in solchen Bereichen verschaffe RepRisk dem Unternehmen messbare Klarheit, ob es nachhaltig vorgehe oder nicht. Es stehe der Unternehmungsführung dann offen, ob sie ihr Verhalten und ihre selbstverschriebenen Spielregeln bestehen lassen oder ändern will.
Alexander Künzle, swissinfo.ch
Wenn Philipp Aeby nicht als Risikoanalyst arbeitet, geht er das Risiko ein, an einem Thriller zu schreiben.
Mit «Kolumbianische Scheidung» hat er letztes Jahr einen Wirtschaftsthriller publiziert und gelangte damit in die Top Ten der Schweizer Belletristik-Liste.
Auch im Buch geht es um Reputation, Risiken und Verbrechen: Aeby zeigt, wohin es führen kann, wenn Pharmafirmen ihre klinische Versuche an Menschen in Drittweltländern durchführen.
Und was geschieht, wenn rechtliche Vorschriften, unternehmerische Sparzwänge und persönlicher Geiz sich mit der Gier nach Geld und Macht von mafiösen Akteuren der Ersten und Dritten Welt mischen.
So sind dank Internet, mobiler Kommunikation und Interkontinentalflügen auch Berater in abgeschirmten Designerbüros an den Hängen des Zürichsees nicht vor direkten kolumbianischen Giftattacken gefeit.
Aeby kombiniert diese Szenarien mit viel Action in kolumbianischen Armenvierteln, lockert sie auf durch Beziehungskisten und Firstclasserotik, untermalt es mit kantigen Smalltalks in Zürcher Bars und knallharten Erpressungsdialogen in Dschungelpuffs.
Zwei Welten prallen da aufeinander: Kalte Killer aus Kolumbien nehmen sich naive, aber wendige Beratungsfüchse und Finanzspezis aus der Schweiz vor.
Das Buch zeigt den denkbaren Alltag auf Schweizer Pharma- und Bank-Chefetagen und kombiniert mögliche kriminelle Verstrickungen, die zwar erfunden, aber gar nicht so abwegig erscheinen.
Die RepRisk AG entstand aus der Ecofact, die 1998 als Spin-Off (Verselbständigung einer Abteilung) der UBS gegründet wurde.
Der Mitarbeiter- und Führungsmix der RepRisk AG zeigt, wie wenig dieses Unternehmen den gängigen Vorstellungen entspricht.
Der Volkwirtschafter Kurt Lambert hatte den renommierten Schweizer Hedge Fonds Harcourt gegründet und ist der designierte Präsident der RepRisk AG.
Die Pharmazeutin Daniela Bosshardt-Hengartner, ursprünglich eine Finanzanalystin bei der Bank am Bellevue, sitzt auch im VR von Galenica und Nobel Biocare.
Klimatologe und Umweltphysiker Philipp Aeby arbeitete, bevor er zu Ecofact und dann zu RepRisk stiess, unter anderem in der Biotech-Firma Amgen und in der Boston Consulting Group.
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