Das verborgene Gesicht der Tausendfranken-Note
In der Schweiz zirkulieren immer mehr Tausendernoten. Trotz der anscheinenden Popularität – sie macht fast einen Zehntel der Schweizer Banknoten aus – halten nur wenige Menschen in ihrem Alltag je eine in Händen.
Der Gesamtwert aller 1000-Franken-Noten ($1070) im Umlauf betrug 2012 35 Mrd. Franken. Der Anteil am Total aller Schweizer Banknoten von 55 Mrd. nahm gegenüber dem Vorjahr von 50 auf 60 Prozent zu.
Ein Vergleich: Bei nur einem Drittel aller Euros im Umlauf handelt es sich um 500-Euro-Noten (CHF 613). Die grössten Scheine dieser Währung haben bereits Organisationen und Behörden der Verbrechensbekämpfung auf den Plan gerufen. In der Schweiz macht man sich – wenigstens offiziell – wenig Sorgen darüber.
Die Zirkulation von Schweizer Banknoten ist hinter Japan die zweithöchste weltweit, doppelt so hoch wie jene in den USA oder in der Euro-Zone. Das Aufbewahren und Benutzen von Bargeld bleibe in der Schweiz populär, sagt Silvia Oppliger, Sprecherin der Schweizerischen Nationalbank (SNB). Viele Leute bezahlten ihre Rechnungen am Postschalter immer noch in bar.
«Die Leute erachten die Verwendung von Banknoten als sehr praktisch. Das Bedürfnis nach Privatheit war in der Schweiz schon immer ausgeprägt», sagt Oppliger. «Die Bezahlung mit Bargeld ist eine Ausdrucksform dessen. Diese Popularität des Barbezahlens ist kein Indiz für Missbrauch.»
Die SNB hält in einem Bericht fest, dass der hohe Anteil der grossen Notenabschnitte darauf hindeute, dass Banknoten nicht nur als Zahlungs-, sondern in erheblichem Umfang auch als Wertaufbewahrungsmittel verwendet werden.
Mit andern Worten: Die Leute, nicht unbedingt Kriminelle, horten das Papiergeld im Bank- oder Privatsafe oder unter der Matratze – vor allem in unsicheren Zeiten.
Die Kantonspolizei (Kapo) Zürich konnte nicht beobachten, dass Kriminelle die grossen Banknoten verwendeten. Drogendealer zum Beispiel hätten viel lieber kleinere, weil sich diese unauffälliger unter die Leute bringen liessen.
In Verbindung mit kriminellen Taten sei die 200er-Note die grösste, sagt Marc Besson von der Kapo Zürich. «Wir begegnen 1000er-Noten nur beim sogenannten Enkeltrick.
Ähnlich tönt es auch bei der Berner Kapo. 1000er-Noten tauchten sehr selten auf, sagt Mediensprecher Christoph Gnägi.
«Das ist nicht erstaunlich», sagt von Thiel, «denn diese Noten werden selten von Kleinkriminellen am Ende der ‹Nahrungskette› verwendet, sondern von den Drahtziehern».
In der Schweiz gibt es aber keine konkreten Pläne, die Verwendung der 1000er-Noten zu überprüfen, schon gar nicht deren Abschaffung.
Geschäftsbanken wie die BEKB schätzen, dass diese die Auswahl zweckdienlich ergänzen würden.
Und die SNB, welche den Nennwert des Bargeldes bestimmt, lässt wissen, dass sich die 1000er-Note auch in der neuen Serie befinden werde, die 2015 eingeführt werde.
Grosse Scheine
Die violette Tausendernote, auf der das Gesicht des Kunsthistorikers Jacob Burckhardt aus dem 19. Jahrhundert abgebildet ist, hat weltweit den zweithöchsten Nennwert, knapp hinter der Singapurer S$10’000er-Note (CHF 7355) und vor der 500-Euro-Note.
Offiziell sind die hohe Umlaufgeschwindigkeit und der hohe Nennwert der Schweizer Banknoten kein Thema. Die Meldestelle für Geldwäscherei (MROS) des Bundesamts für Polizei (Fedpol) kennt laut eigenen Angaben die Grösse der Scheine bei Transaktionen, bei denen sie ermittelt, nicht.
«Gelegentlich werden der MROS Bargeld-Transaktionen gemeldet. Die Finanzvermittler melden die Summe, aber nicht die Grösse der Scheine», sagt Alexander Rechsteiner, Sprecher des Fedpol. «Das Fedpol befasst sich mit der Schattenwirtschaft im Allgemeinen; die Grösse der Scheine spielt dabei keine Rolle.»
Der Spitzenwert des Frankens ermöglicht es, grosse Beträge in kleinen Behältern zu horten oder transportieren. Ein zehn Zentimeter dickes Notenbündel im Wert von 1 Million Franken wiegt 1 Kilogramm und hat ein Volumen von 1,3 Litern, was laut der Website 1’000’000-euro.de der Hälfte des Volumens von Euronoten im gleichen Wert entspricht. Eine Million Dollar wiegt 10 Kilos, 1 Million Euro rund 2 Kilos.
Laut dem Geldwäscherei-Gesetz von 2010 müssen die Schweizer Banken die Authentizität der Informationen überprüfen, die Kunden bei Geldtransfers von mehr als 25’000 Franken angeben.
Wenn ein Kunden mit kriminellen Tätigkeiten in Verbindung steht, wird eine Untersuchung eingeleitet, die zu Ermittlungen wegen Steuerhinterziehung, Insiderhandel oder Terrorismusfinanzierung führen kann.
Bei der Schweizerischen Meldestelle für Geldwäscherei (MROS), die zum Bundesamt für Polizei (Fedpol) gehört, trafen 2012 Meldungen über verdächtige Transaktionen im Wert von mehr als 3,2 Mrd.
Franken mit verdächtigen Geschäftsverbindungen ein, die meisten aus der Region Zürich, Genf und Tessin (Grenzkanton zu Italien).
Wenn jemand eine geheime Transaktion machen möchte, entscheidet er sich meistens für Bargeld, weil diese nicht erfasst werden und deshalb weniger Spuren hinterlassen als bei Zahlungen mit Debit cards (Kundenkarten) oder mit Kreditkarten.
Kriminelle Verwendung
Britische Notenbanker verzichteten 2010 auf die Ausgabe von 500-Euro-Noten, nachdem eine Untersuchung der Agentur gegen organisierte Kriminalität (SOCA) in Grossbritannien ergeben hatte, dass neun von zehn der rosaroten Noten für illegale Aktivitäten wie Bestechung, Steuerhinterziehung, Geldwäsche und Terrorismus verwendet wurden.
«Es gibt keinen Zweifel, dass die grösste Nachfrage im UK nach 500-Euro-Noten von organisierten Verbrechern stammt», sagt Ian Cruxton, Stellvertretender Direktor von SOCA.
Die kanadische 1000-Dollar-Note wurde im Mai 2000 auf Empfehlung der kanadischen Polizei als Teilmassnahme im Kampf gegen organisierte Kriminalität aus dem Umlauf gezogen. Die Polizei hatte erklärt, dass die Noten hauptsächlich für Geldwäscherei benutzt worden waren.
«MROS und Fedpol sollten genauer hinschauen, wer die 1000- Franken-Noten wofür benutzt», sagt Mark van Thiel, der ehemalige, stellvertretende Leiter der MROS. «Die Schweizer Behörden werden sich mit dem Thema der grossen Scheine beschäftigten müssen, weil diese Zahlungsmittel Kriminellen helfen können, Geldposten einfacher von A nach B zu bewegen.»
«Und es gilt auch, die Steuerkomponente nicht ausser Acht zu lassen, weil man mit Bargeld einen Teil des Kaufs unter dem Tisch begleichen kann», sagt van Thiel, der heute als Direktor der TvT Compliance AG tätig ist.
Als vor ein paar Jahren Banktransaktionen in der Schweiz etwas genauer kontrolliert wurden, waren Kriminelle gezwungen, auf weniger nachweisbare Kanäle wie Bargeld auszuweichen – insbesondere auf Transaktionen mit grossen Scheinen.
Einer davon war die 500-Euro-Note. Vitor Constâncio, Vizepräsident der Europäischen Zentralbank (EZB), sagte am 25. April an die Adresse der europäischen Abgeordneten, dass es sich lohnen würde, über die Abschaffung zu diskutieren, weil die Note nicht gebräuchlich sei.
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Autos und Rinder
Die 1000er-Noten im Gesamtwert von 33 Mio. Franken sind auch nicht gebräuchlich. Obwohl die Schweizer Geschäfte verpflichtet sind, diese zu akzeptieren, werden sie von kleineren Detailhändlern nur widerwillig angenommen oder abgelehnt, wie eine Blitzumfrage in der Stadt Bern zeigte. Und es ist auch nicht einfach, diese Noten zu beziehen.
«Unsere Bargeldautomaten geben keine 1000er-Noten aus», sagt Hanspeter Merz, Mediensprecher der Berner Kantonalbank (BEKB). Aber «die Leute beziehen und zahlen in unseren Filialen immer noch mit 1000er-Noten. Meistens benützen sie diese für grössere Käufe wie Autos».
Diese Beobachtung macht auch die SNB, die – anders als die EZB – keine systematische Prüfung der Verwendung der Noten durchführt. 1000er-Noten würden zum Beispiel immer noch bei Bargeld-Transaktionen von «Gebrauchtwagen- und Rinderhändlern» verwendet, lässt die SNB wissen.
Die EZB führte 2011 eine Untersuchung über die Verwendung ihres Bargeldes durch. Mehr als die Hälfte der Befragten sagten, dass sie einer 500-Euro-Note nie begegnet seien, und fast die Hälfte sagte, dass sie noch nie eine 200-Euro-Note besessen hätten. Die meisten Leute verwendeten Bargeld bei Käufen unter 100 Euro.
Die Schweiz gehört zu wenigen Ländern, die grosse Scheine im Umlauf hat. Die grössten Scheine in andern geläufigen Währungen sind 50-Pfundnoten (CHF 72) Grossbritanniens und 100-Dollarscheine (CHF 93) der USA.
Schweizer Franken in Bargeld zu horten ist verbreitet, weil er als sichere Fluchtwährung gilt. Auch Edelsteine und wertvolle Metalle werden als Geldanlage aufbewahrt, haben aber den Nachteil, dass sie sich nicht sofort ummünzen lassen.
Schweizer Banknoten lassen sich fast nicht fälschen. 2012 wurden laut Fedpol lediglich 134 1000er-Noten – oder eine von einer Million – als gefälscht identifiziert. Bei 11 Fälschungen handelte es sich um Farbkopien und bei 123 wurden Tintenstrahldrucker verwendet.
Die Fälschungen waren meistens minderwertiger Natur, mit Geräten schlechter Qualität hergestellt und leicht erkennbar, weil sie keine Sicherheitsmerkmale aufwiesen, erklärt das Fedpol.
Auch in der Schweiz bezahlen Konsumenten zunehmend mit Kreditkarten und E-Banking.
Mehr als die Hälfte seiner Konsumgüter und Dienstleistungen werden beim grössten Schweizer Detailhändler Migros in der Region Bern damit beglichen, sagt Mediensprecherin Andrea Bauer. Kundenkarten würden für fast 50% und Kreditkarten für rund 7% der Transaktionen verwendet.
Die SNB führt keine systematische Prüfung über die Verwendung der Banknoten durch.
Der Notenumlauf hat seit 1907, als die SNB die ersten Noten druckte, wertmässig um fast 62% zugenommen.
Wegen der allgemeinen Verunsicherung während des Ersten Weltkrieges und der Deflation zu Beginn der 1920er-Jahre sowie während der grossen Depression in den 1930er-Jahren stellt die Schweizerische Nationalbank bereits ein gewisses Horten von Schweizer Franken fest.
Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurden bargeldlose Transaktionen dank Fortschritten der Zahlungstechnologie immer gebräuchlicher.
(Adaptation aus dem Englischen: Peter Siegenthaler)
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