Der Flieger, mit dem die erneuerbaren Energien abheben sollen
Solar Impulse ist nicht das Flugzeug der Zukunft und will es auch nicht sein. Getreu seinem Namen soll das Abenteuer von Bertrand Piccard und André Borschberg wissenschaftliche und technologische Impulse setzen. Die Resultate aber sind nicht zwingend jene, die man erwartet.
Es hat die Spannweite einer Boeing 747, das Gewicht eines Autos und die Leistung eines Motorrollers: Solar ImpulseExterner Link kann nur abheben, wenn es das Wetter erlaubt und seine Höchstgeschwindigkeit beträgt lediglich 90 Kilometer in der Stunde. Die Fluggesellschaften, die jährlich mehr als 5 Milliarden Menschen mit der zehnfachen Geschwindigkeit transportieren, sind nicht bereit, ihre Flotten auf Solarenergie umzustellen, auch wenn heutige Flugzeuge jede Sekunde mehr als 11’500 Liter Kerosin verbrennen.
Der Initiant Bertrand Piccard hat bei der Vorstellung des Projekts im Jahr 2003 gesagt und sagt es immer noch: «Das Ziel ist es, ein starkes Symbol zu entwickeln, das in der Lage ist, den Pioniergeist und die erneuerbaren Energien zu fördern.»
An die Grenzen gehen
Innovation und Technologie sind Begriffe, die eng mit den Hochschulen verbunden sind. Die Eidgenössische Technische Hochschule LausanneExterner Link (EPFL) ist mit dem Projekt von Beginn weg eine enge Partnerschaft eingegangen. «Ein solches Projekt stimuliert die Forschung und bringt die Menschen dazu, an die Grenzen zu gehen, um Dinge zu entwickeln, die bisher nicht existierten», sag Pascal Vuilliomenet von der EPFL. «Es ermöglich den Lehrern, Assistenten und Studenten aus verschiedenen Labors zusammenzuarbeiten. Und es zieht neue Studenten an, zum Beispiel auch solche, die noch nicht wissen, ob sie beispielsweise Materialingenieur studieren wollen. Hier können wir die Arbeit eines Materialingenieurs an konkreten Beispielen erklären.»
Die Anforderungen an die Materialien zum Bau von Solar Impulse waren hoch. Das Flugzeug muss gleichzeitig leicht, verwindungsarm und stabil sein. In der Nähe des EPFL-Campus befinden sich zwei führende Unternehmen für Verbundwerkstoffe. Nord TPT fertigte das Grundmaterial aus Kohlefaser und einem Harzgemisch und die Decision SA fertigte die Strukturen. «Zwei unserer Labors haben an der Optimierung der Materialien gearbeitet», sagt Vuilliomenet. «Es ist ein wenig wie in der Küche. Je nachdem muss für eine gewisse Zeit mit einer gewissen Temperatur und mit einem bestimmten Druck gekocht werden. Am Schluss war die Struktur von Solar Impulse leichter und stärker, als das üblicherweise Produzierte. Die beiden Unternehmen können nun die erworbenen Kenntnisse beim Bau von Schiffen oder Satelliten verwenden.»
Maximale Leistung
Die andere Solar-Umrundung
Eine Weltreise mit Solarenergie? Vor Piccard und Borschberg haben das bereits andere Schweizer geschafft: das Planet Solar-TeamExterner Link. Statt in der Luft umrundeten sie die Erde auf dem Wasser. Zwischen dem 27. September 2010 und dem 4. Mai 2012 absolvierte das Schiff seine Reise von mehr als 60’000 Kilometern. Seither dient das Schiff als wissenschaftliche Plattform und als Instrument für die Promotion erneuerbarer Energien.
«Ein wesentlicher Unterschied zu Solar Impulse ist, dass das Flugzeug vollständig aus dem Labor stammt und all seine Bestandteile aufwendig entwickelt worden sind. Für das Boot hingegen haben wir lediglich die vorhandenen Komponenten sorgfältig ausgewählt, um zu zeigen, dass der Markt in der Lage ist , ausgereifte und finanziell erschwingliche Produkte anzubieten», sagt Pascal Goulpié, Direktor und Mitbegründer von Planet Solar.
Beide Ansätze ergänzen sich. «Wir arbeiten beide an der Förderung der erneuerbaren Energien und auch unsere Boot stellt nicht die Zukunft der Schifffahrt dar», sagt Goulpié. «Es gibt viele Orte auf der Welt, die sich für Sonnenergie eignen. Die Zukunft besteht für mich aus einer Kombination verschiedener Energiequellen: Sonne und Wind, aber vielleicht auch aus einem fossilen Brennstoff.»
Die auf den Flügeln installierten17’248 Solarzellen sind an sich nichts Revolutionäres, doch auch sie müssen so leicht wie möglich sein. Statt unter Glasplatten wurden sie unter einem neu entwickelten, leichten Kunststoff verbaut, der von der belgischen Firma Solvay entwickelt wurde. Auch hier kann das gewonnene Wissen in andern Bereichen weiter verwendet werden. Solvay hat auch neue Batteriekomponenten entwickelt, welche die Speicherkapazität bei gleichzeitiger Gewichtseinsparung von 2% um 10% erhöht.
Eine Herausforderung war es auch, die begrenzte Leistung möglichst effizient umzusetzen. Die Firma Etel aus Neuenburg hat zusammen mit der EPFL den Energiefluss zwischen den Batterien und den Motoren soweit optimiert, dass 96% der Energie zu den Motoren fliesst. Laut Pascal Vuilliomenet ist das ein Rekord.
Natürlich beträgt der Leistungsgewinn gegenüber herkömmlichen Elektromotoren lediglich ein paar Prozentpunkte, aber «ohne das Projekt hätten wir nicht die Zeit und die Ressourcen gehabt, um diesen Gewinn zu erzielen, «sagt Vuilliomenet. «Auch wenn er klein ist, haben wir neue Erkenntnisse gewonnen, die auch über die Luftfahrt hinaus angewendet werden und damit eine Breitenwirkung haben können.» So hat der Aufzugshersteller Schindler einen Solar-Aufzug entwickelt, dessen Energiemanagement sich direkt von Solar Impulse ableitet.
Überwachung des Piloten
Im Cockpit gilt die besondere Aufmerksamkeit dem Piloten, der auf den längsten Etappen während Tagen und Nächten wach blieben muss und lediglich während festgelegten Zeiten höchsten 20 Minuten am Stück schlafen darf. «Sensoren messen Atmung, Herzfrequenzen, Hirnaktivitäten und Kameras überwachen Augen- und Kinnmuskelbewegungen», sagt Emmanuel Barraud, Sprecher der EPFL. «Wir haben dafür einen Computer entwickelt, der sehr leicht ist und mit einem sehr geringen Stromverbrauch auskommt.»
«Wenn der Pilot mit den Augen zwinkert, kann er das wegen der Sonne oder der Trockenheit tun, wenn er jedoch das Kinn entspannt und sein Herz langsamer schlägt, dann ist sicher, dass er eingeschlafen ist. Dann löst die Maschine den Alarm aus. Diese Technologie könnte auch für Autos verwendet werden», so Emmanuel Barraud.
(Übertragung aus dem Französischen: Andreas Keiser)
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