Der Schweizer Visionär, der die Velokette erfand
Vor 170 Jahren kam Hans Renold in Aarau zur Welt. Als junger Auswanderer machte er 1880 in Manchester eine bahnbrechende Erfindung, an der bis heute nicht viel optimiert werden musste.
Es ist ein Samstag im Juli 1852, als Hans Renold als Sohn eines Bäckers und einer Wirtin in Aarau geboren wird. Erst zwei Jahre vor seiner Geburt wurden die Schweizer Kantone zu einem modernen Bundesstaat, die Stadt Aarau hat gerade 5000 Einwohnende, in der «jeder jedermann kannte und alles, sozusagen, eine grosse Familie war», wie Renold die Stadt Jahre später in einer Chronik über seine Jugendjahre beschreibt.
Hans Renold war das älteste von sechs Kindern – zwei weitere Geschwister waren verstorben, noch bevor Hans auf die Welt kam. Auch das schreibt Hans Renold in seiner Chronik. Seine ersten Lebensjahre entsprachen genau seiner Zeit. Wie für Kinder weder richtig armer noch richtig reicher Eltern üblich, besuchte er sowohl die Volks- als auch die Kantonsschule, musste aber jeweils nach dem Unterricht zu Hause aushelfen.
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Seine Eltern betrieben zuerst eine Bäckerei, dann einen Krämerladen. Der Sohn musste beim Brotaustragen helfen, später beim Seifenblöckeschneiden und Zuckerzerstampfen. Dem jungen Hans Renold gefielen vor allem Arbeiten, die viel Präzision erforderten – diese Vorliebe wirkt im Rückblick wie eine Vorbotin auf seine spätere Karriere.
Denn Hans absolvierte nach der Kantonsschule ein Studium am Polytechnikum, der heutigen ETH Zürich. Er machte sich schon damit einen Traum wahr: Renold wollte schon seit seiner Schulzeit Ingenieur werden.
Die Abenteuerlust zog ihn in die Ferne
Nach dem Studium zog Renold zuerst nach Paris, dann nach London, ehe er schliesslich im englischen Salford bei Manchester ein kleines Textilunternehmen übernahm. Für Hans Renolds Auswanderung gibt es zwei mögliche Gründe: Armut oder Abenteuerlust.
Überlieferte Aussagen darüber gibt es nicht, Abenteuer erscheint aber wahrscheinlicher. Denn Renolds Eltern lebten zeitlebens gut, seine Ausbildung lässt ausserdem darauf schliessen, dass er sowohl im In- als auch im Ausland eine begehrte Fachkraft war. So hat ihn wohl die pure Abenteuerlust aus der Schweiz getrieben.
Im fremden England, wo die grossen Fabriken bereits etablierter waren als in der kleinen Schweiz, erhoffte er sich grösseren Erfolg. Den fand er auch. Im Jahr 1880, schon ein Jahr, nachdem der Schweizer die Firma übernommen hatte, meldete er für eine bahnbrechende Erfindung Patent an: für die «Renoldsche Kette», auch bekannt als Treibkette» – oder breiter eher: als Velokette.
Und er erfand nicht nur seine Kette, sondern setzte auch voll auf diese Karte: Er schloss sein Textilunternehmen mit der «Coventry Chains Company Limited» und der «Brampton Brothers Limited» zusammen und fokussierte sich ganz auf die Herstellung seiner Antriebsketten.
Ketten werden noch heute nach seinem Vorbild gebaut. Noch heute werden Veloketten ähnlich gebaut wie jene Kette, die Hans Renold erfand. Und auch das Unternehmen, das er gegründet hat, existiert noch. Es hat seinen Sitz in Dübendorf und ist nach eigenen Angaben die älteste Antriebsketteherstellerin der Welt.
Neben seinen Ketten setzte Renold auf moderne Arbeitsbedingungen. Er führte die 48-Stunden-Woche schon Jahrzehnte ein, bevor diese gesetzlich verankert wurde, und führte und beteiligte seine Arbeitnehmenden am Gewinn, den das Unternehmen erzielte.
Hans Renold erhielt für seine Errungenschaften einen Ehrendoktortitel der Universität Manchester und lebte bis zu seinem Tod im Mai 1943 im Vereinigten Königreich. Er kehrte nur noch für kurze Besuche in die Schweiz zurück.
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